Vorstände und Aufsichtsräte bekommen auf Hauptversammlungen zunehmend Gegenwind zu spüren. Das liegt vor allem an den Stimmrechtsberatern, deren Dienste von immer mehr professionellen Anlegern geschätzt werden. Bei Vergütungsfragen und Managerverfehlungen haben sie großen Einfluss auf die Unternehmen. Da weltweit nur zwei große Player den Markt beherrschen, ist die Rolle der Stimmrechtsberater jedoch nicht unumstritten.

Empfehlungen für HV-Anträge

In erster Linie geben Stimmrechtsberater den Investoren Abstimmungsempfehlungen. Nach eigenen Leitlinien oder den Kriterien ihrer Kunden prüfen sie in der Tagesordnung die Beschlussvorschläge von Vorstand und Aufsichtsrat und raten auf Grundlage einer Analyse, für oder gegen ­einen Antrag zu stimmen. Geprüft wird hauptsächlich, ob die Vorschläge mit ihren Vorstellungen von guter Unternehmensführung (Corporate Governance) übereinstimmen. Dafür wälzen die Berater Geschäftsberichte, prüfen Vergütungssysteme und checken den Hintergrund von Aufsichtsratskandidaten. „Zudem weisen wir auf ­potenzielle Risiken in den Bereichen Umwelt und Soziales hin“, erklärt Thomas von Oehsen, Associate Director bei ISS Europe.


„Kritisierte Punkte außerhalb der HV-Saison prüfen“
Fragen an Christiane Hölz, Landesgeschäftsführerin NRW, Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW)

Wie viel Macht haben Stimmrechtsberater und welche negativen Folgen ergeben sich aus dieser?

Hölz: Von Stimmrechtsberatern und institutionellen Investoren­ ­hören wir immer wieder, dass letztlich die Anleger entscheiden, wie sie ­abstimmen. Empfehlungen würden nicht ungeprüft übernommen. Wie institutionelle Anleger, die mit Teams von fünf bis zehn Personen ihre Stimmrechte bei mehreren Tausend HVs pro Jahr ausüben, das schaffen, bleibt unklar. Ein weiteres Problem ist, dass die Berater ihre Empfehlungen bereits gut zwei Wochen vor einer HV abgeben. Eine Änderung ist dann praktisch nicht mehr möglich. Das bedeutet, dass Erläuterungen während der HV oft nicht zu einem anderen Abstimmverhalten der Investoren führen, da die Berater zumeist nicht auf der HV vertreten sind.

Wie sollen Unternehmen auf kritische Empfehlungen für eine HV reagieren?

Hölz: Die beste Strategie besteht aus Transparenz und Kommunikation. Es reicht aber nicht, sich als Unternehmen nur im Vorfeld der HV mit Stimmrechtsberatern und ihren Empfehlungen zu beschäftigen. Vielmehr sollten sie gerade die Zeit außerhalb der HV-Saison nutzen, um kritisierte Punkte zu prüfen und ggf. zu handeln. Nehmen wir den Fall Münchener Rück: Der Konzern hatte auf die Kritik an der intransparenten Darstellung seines Bonisystems reagiert und dieses grundlegend überarbeitet. Das neue Vergütungssystem ist jetzt viel einfacher und wurde auch transparenter dargestellt. In der HV 2018 erhielt es deshalb eine Zustimmung von 92%.