Vorstände und Aufsichtsräte bekommen auf Hauptversammlungen zunehmend Gegenwind zu spüren. Das liegt vor allem an den Stimmrechtsberatern, deren Dienste von immer mehr professionellen Anlegern geschätzt werden. Bei Vergütungsfragen und Managerverfehlungen haben sie großen Einfluss auf die Unternehmen. Da weltweit nur zwei große Player den Markt beherrschen, ist die Rolle der Stimmrechtsberater jedoch nicht unumstritten.

Kodex zu wirkungslos

Kapitalmarktexperten bemängeln zudem, dass Stimmrechtsberater die Besonder­heiten von Märkten, Branchen und Unternehmen zu wenig berücksichtigten. „Wir ­haben einen individuellen Ansatz“, widerspricht Andrew Gebelin, Senior Director bei Glass Lewis. Trotzdem werden die Stimmen nach einer stärkeren Regulierung lauter. So nimmt mittlerweile die Europäische Union (EU) das Verhalten der Aktionärsberater ­genauer unter die Lupe. Andere setzen auf freiwillige Selbstverpflichtungen. Doch hat der bereits 2013 initiierte Stimmrechts­berater-Kodex erst wenig Positives bewirkt. „Von Richtlinien, die einen Standard setzen, kann man kaum sprechen“, beklagt Schlegtendal. Dabei handle es sich eher um grundlegende ­Empfehlungen als um Verhaltensregeln. „Welche Relevanz sie im täglichen Handeln der Berater haben, ist für Außenstehende schwer zu beurteilen.“


„Analyse der Aktionärsstruktur vornehmen“
Frage an Dr. Anne Katrin Burkert, Projektmanagerin, ADEUS Aktienregister-Service-GmbH

Was können Unternehmen gegen negative Empfehlungen auf der HV tun?

Burkert: Bei einer negativen Abstimmempfehlung bleibt den Unternehmen nur sehr wenig Zeit, da die Abstimmungsprozesse bei Serviceprovidern für ausländische Investoren in der Regel frühzeitige Abgabefristen vorsehen. Empfehlenswert ist, bei der Vorbereitung kritischer Tagesordnungspunkte eine Analyse der Aktionärsstruktur vorzunehmen. Nur mit dem Wissen, welche Investoren wohl an der HV teilnehmen und welche Abstimmrichtlinien zugrunde liegen, bleibt Spielraum für weitere Maßnahmen. Die Erläuterung der Abstimmpunkte durch direkte Kontaktaufnahme zu Investoren bietet die Chance, Anleger zu überzeugen, sodass diese den Empfehlungen der Stimmrechtsberater nicht folgen.


Fazit

Der Einfluss der Stimmrechtsberater hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Die Ursache liegt allein schon in der Tatsache begründet, dass Investoren immer mehr auf die Dienstleistung zurückgreifen. Unverzichtbar ist deshalb, dass die ­Kontrolleure selbst ebenfalls stärker kontrolliert werden. Denn einerseits sind die Aktionärsberater nicht frei von Eigeninteressen, anderseits sollte auch in ­ihrem Markt mehr Wettbewerb herrschen, um die Pluralität der Anleger­meinungen besser abzubilden. Die Europäische Union (EU) hat bereits ein ­kritisches Auge auf Stimmrechtsberater geworfen: Sie sollen in Zukunft mehr Auskünfte über ihre Richtlinien, Quellen und Interessenkonflikte geben (siehe auch die Seiten 18–20). Nichtsdestotrotz: Ihr Einfluss steigt weiter – auch 2019!

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