Vorstände und Aufsichtsräte bekommen auf Hauptversammlungen zunehmend Gegenwind zu spüren. Das liegt vor allem an den Stimmrechtsberatern, deren Dienste von immer mehr professionellen Anlegern geschätzt werden. Bei Vergütungsfragen und Managerverfehlungen haben sie großen Einfluss auf die Unternehmen. Da weltweit nur zwei große Player den Markt beherrschen, ist die Rolle der Stimmrechtsberater jedoch nicht unumstritten.

Deutsche Bank: Achleitner bangt um Job

Verärgert waren die Berater auch über den Softwarekonzern SAP, dessen Vorstandschef Bill McDermott für das Geschäftsjahr 2016 rund 15 Mio. EUR kassierte. Auf der HV ­empfahlen sie den Aktionären, den Aufsichtsrat nicht zu entlasten. Da 50,49% der Aktionäre jedoch gegen den Antrag stimmten, scheiterte der Plan. Deutliche Kritik ­bekam zudem Aufsichtsratschef Paul Achleitner im Mai auf der HV der Deutschen Bank zu hören. Der einflussreiche Aktionärsberater Hans-Christoph Hirt warf dem Chef­kontrolleur unzureichende Amtsführung vor. Er sei mitverantwortlich für den Zickzackkurs in den vergangenen Jahren. „An der Spitze des Aufsichtsrats braucht unsere Bank dringend eine effektivere Führung“, monierte der Manager des britischen Pen­sionsfonds Hermes. Hirt, hinter dem 40 ­Pensionsfonds mit einem Aktienvermögen von 370 Mrd. EUR stehen, sprach sich trotzdem dafür aus, Aufsichtsrat und Vorstand zu entlasten. Seine einzige Begründung: Es dürfe keine abermalige Führungsdebatte geben.


„Investoren unterstützen, ihr Stimmrecht informiert wahrzunehmen“
Frage an Anke Zschorn, Director of Research, IVOX Glass Lewis

Was sind die Aufgaben der Stimmrechtsberater?

Zschorn: Wir unterstützen institutionelle Investoren, ihrer treuhänderischen Pflicht nachzukommen, informiert ihr Stimmrecht auf HVs wahrzunehmen. Technisch bedeutet das im Wesentlichen, eine Plattform für die Durchführung des weisungsgebundenen Abstimmungsprozesses bereitzustellen. Inhaltlich werden Analysen anhand von Richtlinien angeboten, die der Entscheidungsfindung zu den Abstimmungspunkten dienen. Glass Lewis hat zu diesem Zweck eigene, länderspezifische Richtlinien entwickelt. IVOX Glass Lewis nutzt allerdings ausschließlich die Richtlinien Dritter – die Standardrichtlinie ist die des Bundesverbands Investment und Asset Management. Sowohl Glass Lewis als auch IVOX Glass Lewis bieten zudem an, kundeneigene Richtlinien anzuwenden.


Deutsche Börse: Druck auf Aufsichtsratschef

Bei der Deutschen Börse führte die scharfe Kritik der Stimmrechtsberater an Carsten Kengeter zu dessen Entlassung. Der Vorstandschef stand unter dem Verdacht des Insiderhandels, weil er Aktien gekauft ­haben soll, obwohl er schon von der ­zunächst geplanten, dann aber geplatzten Fusion mit der London Stock Exchange wusste. Wichtige Investoren hatten danach Aufsichtsratschef Joachim Faber mit schnöden Worten unter Druck gesetzt.