„Wir sind Geburtshelfer – mit einem langen Atem“

Interview mit Dr. Aristotelis Nastos, Geschäftsfeldleiter für Life Sciences & Cleantech bei der NRW.BANK

Bildnachweis: NRW.BANK.

 

Plattform Life Sciences: Herr Dr. Nastos, Anfang Juli verkündeten NRW-Wirtschafts- und Digitalminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart und NRW.BANK-Vorstand Michael Stölting eine Umstrukturierung der Venture-Capital-Aktivitäten der NRW.BANK. Was ändert sich genau?

Dr. Nastos: Unter der neuen Marke „NRW.Venture“ stellen wir uns künftig noch marktkonformer auf als bisher, indem wir sowohl die internen Prozesse verschlanken, um schneller agieren zu können, als auch unseren Marktauftritt neu gestalten. Zusätzlich lassen wir uns durch ein neues Fachgremium beraten, den „Venture Circle“. Unser Ziel ist, das Gründungsgeschehen noch stärker zu unterstützen und Investoren weiterhin zu motivieren, sich in NRW zu engagieren.

Uns interessieren hierbei durchaus auch die Personalia – wer ist in dem neuen „Venture Circle“ vertreten?

Wir haben im Venture Circle eine außergewöhnliche und ausgewiesene Expertise aus unterschiedlichen Bereichen. Wir wollen dieses Markt-Know-how einsetzen und bei der VC-Strategie stärker mit einbeziehen und Netzwerke nutzen. Der ehemalige Chef des High-Tech Gründerfonds (HTGF), Dr. Michael Brandkamp, ist z.B. der Experte für das nationale Start-up-Ökosystem, oder Dr. Rainer Christine, der als amaxa-Gründer und heutiger Life-Sciences-Investor mehrere Perspektiven einbringen kann. Frau Dr. Irina Staatz-Granzer ist eine hoch angesehene Expertin in allen Fragen zur Zulassung beim Drug Development.

Warum diese Umstrukturierung?

Wir geben mit unseren optimierten Prozessen den Unternehmen ein Stück mehr Planungssicherheit. Gleichzeitig sind die Nachfrage sowie unser Portfolio stetig gewachsen, sodass wir auch unsere eigenen Arbeitsabläufe darauf besser abstimmen mussten. Damit gewinnen wir nun schlicht Zeit und Ressourcen, um die Innovationsregionen in NRW noch genauer durchforsten und unser existierendes Portfolio noch intensiver betreuen zu können.

Ist die NRW.BANK als lokale Anlaufstelle für Finanzierungen überall bekannt?

Wir sind gut sichtbar und werden offensichtlich auch gerne empfohlen, da auch immer wieder Personen, die noch keinen direkten Kontakt zu uns hatten, an uns herantreten. Auch aus dem Bereich der Co-Investoren, also beispielsweise von VCs, werden wir häufig angesprochen, weil deren Erfahrungen mit uns positiv sind. Manchmal kommen so auch Projekte zu uns, die ursprünglich nicht in NRW angesiedelt sind, bei denen wir aber gemeinsam den Mehrwert des Standorts NRW erarbeiten. Wir – ein Team von naturwissenschaftlichen Fachleuten mit langjähriger Verwurzelung in der Szene – agieren in einem Netzwerk der Forschungseinrichtungen, von Investoren, diversen Gründerorganisationen und auch etablierten Unternehmen und können so wirklich frühzeitig als „Geburtshelfer“ auf den Plan treten.

Lassen Sie uns auf die Inhalte blicken, die spannendsten Entwicklungen und aktuellen Trends in den Life Sciences – wie bleiben Sie da am „Puls der Zeit“?

Wir beteiligen uns aktiv an diversen Start-up-Wettbewerben in NRW oder auch überregional, wie etwa an „Science4Life“. Besonders erwähnen will ich den Wett­bewerb „BioRiver Boost!“. Dieser ist stark unternehmergetrieben mit „gestandenen“ Persönlichkeiten etwa von Miltenyi oder QIAGEN in der Jury, die dort hohe Fachkompetenz, Markterfahrungen und die Anwenderperspektive einbringen. Es kommen auch Spin-outs aus den großen Firmen, die dann noch mal eine besonders hohe Qualität mitbringen. Trends bekommen wir so sehr gut mit und nehmen spannende technologische Neuerungen in NRW sehr früh wahr.

Welche besonders spannenden Beispiele aus dem Portfolio fallen Ihnen dazu ein?

Wir haben da konkrete Beispiele, etwa Resolve BioSciences GmbH, eine Unternehmensgründung, die aus QIAGEN entstanden ist. Peer Schatz ist Chairman des Beirats dieser Einzelzellanalytikfirma. Die können eine funktionelle Einzelzellgenregulation in hoher Auflösung abbilden, bis in die jeweiligen Subkompartimente der Zelle. Spannend ist, so eine absolut revolutionäre Technologie am eigenen Standort aus der Nähe zu sehen und verfolgen zu können. Dank Vorarbeiten innerhalb von QIAGEN hat diese Plattform eine hohe Anwendungsreife und der akademische Markt wird damit schon bedient. Natürlich kann man sich dann weitere Märkte vorstellen, in Richtung Diagnostik oder auch einmal bei der Validierung von Drug-Kandidaten.

Ein anderes Beispiel ist die Firma CEVEC Pharmaceuticals GmbH in Köln. Dort ist die NRW.BANK mehr als zehn Jahre investiert und auch schwierige Phasen haben wir gemeinsam durchgestanden. Aber jetzt zahlt sich der lange Atem aus: Mit der proprietären Zelllinie hat CEVEC eine besondere Plattform etabliert und für die ganze Validierung sowie das „In-den-Markt-Bringen“ eben viel Zeit und Mühe aufwenden müssen. Heute sind sie – als einziges Unternehmen weltweit – in der Lage, eine stabile Expression für die industrielle Produktion der für die Gentherapie wichtigen AAV-Vektoren darzustellen. Alle Firmen mit solchen Vektoren als Vehikel für ein bestimmtes gentherapeutisches Produkt rennen den Leuten von CEVEC die Türen ein.

Ist dann bei „zu großem Erfolg“ der Exit über einen Verkauf nicht auch eine Gefahr für den Technologiestandort?

Das ist ein bekanntes Phänomen und gehört wie die beiden Seiten einer Medaille zur Innovationsfinanzierung dazu. Aber auch nur durch solche Erfolge und Rückflüsse von Erlösen kann man die nächste Investition angehen, und für den Privatinvestor, der mit dabei ist, ist das einfach das gängige Geschäftsmodell. Nicht alle werden sich wie BioNTech raketengleich und – wie es zumindest derzeit aussieht – ganz eigenständig zu einem Big Player entwickeln.

Was würden Sie sich wünschen, um das Start-up-Ökosystem in NRW noch besser aufzustellen?

Wir brauchen vor allem noch mehr Initiativen, um den Technologietransfer aus den Universitäten heraus anzukurbeln, und dann auch Platz, Flächen für die ­Entwicklung neuer Laborgebäude. Zum Glück fangen nun einige Büroimmobilienentwickler an, auch in diese Richtung zu denken – denn wir befinden uns in einem ansonsten von der Infrastruktur, den Verkehrswegen, den internationalen Anschlüssen optimal zugänglichen Innovationsknotenpunkt mit einer gigantischen Dichte und Qualität an Hightechforschungs- und Ausbildungsstätten. Ganz NRW ist ein Innovations-Hotspot!

Herr Dr. Nastos, wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Dr. Georg Kääb.

 

ZUM INTERVIEWPARTNER

Dr. Aristotelis Nastos ist promovierter Biologe und war nach seiner Zeit als Stipendiat des Wellcome Trust und Postdoc am King’s College London als Forschungsleiter im Deutschen Diabetes Forschungsinstitut in Düsseldorf tätig. Er verfügt über eine mehr als 20-jährige Investmenterfahrung, die er durch seine Tätigkeit für mehrere europäische und deutsche Venture-Capital-Gesellschaften erworben hat. Für die NRW.BANK ist Dr. Nastos insgesamt 15 Jahre tätig und hat wesentlich zum Aufbau der Venture-Capital-Aktivitäten und insbesondere des Life-Sciences-Portfolios beigetragen. Er leitet das Team Life Sciences & Cleantech der NRW.BANK.

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