Bildnachweis: Viromed, Quelle: The Lancet: https://www.thelancet.com/series-do/AMR-and-digital-approaches.

Antibiotikaresistenzen zählen zu den größten Gesundheitsrisiken unserer Zeit – besonders in der Intensivmedizin. Ein neuer Ansatz macht nun Hoffnung: Kaltplasma zerstört Erreger zuverlässig, ohne dass Resistenzen entstehen können. Könnte diese Technologie die Infektionsmedizin grundlegend verändern? Von Uwe Perbandt

Antibiotikaresistenzen zählen laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den größten Gesundheitsrisiken unserer Zeit.[1] Weltweit sterben jährlich Millionen Menschen an antibiotikaresistenten Infektionen – Lancet-Schätzungen zufolge etwa eine Million direkt, und fast fünf Millionen Todesfälle stehen damit im Zusammenhang.[2] Besonders betroffen sind Krankenhäuser, wo solche Infektionen allein in Europa pro Jahr Millionen zusätzliche Krankheitstage und zweistellige Milliardenkosten verursachen. Bleiben durchschlagende Gegenmaßnahmen aus, droht die Lage sich dramatisch zu verschärfen: Lancet-Prognosen zufolge könnten bis 2050 weltweit mehr als zehn Millionen Menschen pro Jahr an multiresistenten Infektionen sterben, was in etwa der heutigen Krebssterblichkeit entspricht.[3]

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Ein Brennpunkt der AMR-Problematik liegt in der Intensivmedizin. Durch die dort häufig notwendige invasive Beatmung kann es zu Lungenentzündungen kommen – sogenannten beatmungsassoziierten Pneumonien (VAP). Diese Infektion betrifft viele Intensivpatienten: In Deutschland werden jährlich über 480.000 Patienten invasiv beatmet, und bis zu 40 % davon entwickeln eine VAP.[4] Dies führt zu längeren Intensivaufenthalten und deutlich erhöhter Sterblichkeit (bis zu 50 % in schweren Fällen), was Personal und Budgets enorm belastet.[5] Innovative, nicht-antibiotische Therapien sind hier dringend gefragt, was sich auch wirtschaftlich widerspiegelt: Der globale Markt der Intensivmedizin wächst um etwa 6 % pro Jahr und könnte bis 2030 ein Volumen von über 35  Mrd. USD erreichen.[6]

Quelle: The Lancet: https://www.thelancet.com/series-do/AMR-and-digital-approaches
Quelle: The Lancet: https://www.thelancet.com/series-do/AMR-and-digital-approaches

Kaltplasma als neuer Therapieansatz

Kaltes atmosphärisches Plasma (Kaltplasma) ist ein innovativer Ansatz im Kampf gegen resistente Erreger. Ein ionisiertes Gas erzeugt reaktive Teilchen, die Krankheitserreger durch Zerstörung ihrer Zellstrukturen abtöten – selbst multiresistente Bakterien wie MRSA. Dieser physikalische Effekt wirkt gegen alle Keime gleichermaßen, sodass[1] keine Resistenzentwicklung möglich ist. Anders als bei Antibiotika besteht also kein Risiko, dass Erreger unempfindlich werden.[2]

Kaltplasma kann Infektionen nicht nur behandeln, sondern sogar verhindern – ein Novum in der Infektionsmedizin. So könnte es etwa in den Atemwegen frühzeitig eingesetzt werden, um Keime bei ersten Anzeichen einer VAP zu eliminieren, oder zur prophylaktischen Desinfektion von Kathetern und Wunden dienen. Die Anwendung ist schmerzfrei und schädigt kein gesundes Gewebe, da das Plasma in Umgebungstemperatur arbeitet. Die Kombination aus Wirksamkeit, Tempo und nichtexistentem Resistenzrisiko macht Kaltplasma zu einem potenziellen „Gamechanger“.[3]

Derzeit wird Kaltplasma in einer klinischen Studie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Kooperation mit Viromed Medical getestet. Erste Ergebnisse sind vielversprechend: In Zellkulturexperimenten wurden sämtliche MRSA-Bakterien abgetötet, ohne menschliche Lungenzellen zu beeinträchtigen.[4]

Die Wirkung von Kaltplasma auf MRSA-Bakterien. 1:107 Kontrolle (links) vs. 1:107 3 min höchste Stufe (rechts). Copyright: Viromed
Die Wirkung von Kaltplasma auf MRSA-Bakterien. 1:107 Kontrolle (links) vs. 1:107 3 min höchste Stufe (rechts). Copyright: Viromed

Von der Forschung in die Praxis

In der Intensivmedizin befindet sich die Kaltplasmatechnologie noch in der Erprobungsphase. Die ersten Anwendungen konzentrieren sich auf die Pneumologie, insbesondere auf die Prävention und Behandlung von VAP. Sollte eine Zulassung erfolgen, würde Kaltplasma als erste Therapie dieser Art in der Pneumologie eine völlig neue Behandlungsoption eröffnen. Fachleute und Branchenanalysten erwarten, dass ein erfolgreiches Plasmatherapiesystem aufgrund des hohen Bedarfs rasch weite Verbreitung finden und mittelfristig zur Standardausstattung in Krankenhäusern werden könnte – vergleichbar mit Beatmungsgeräten oder Defibrillatoren.

Der nächste Schritt sind nun klinische Studien am Menschen. Sie sollen im realen Einsatz zeigen, dass die Plasmatherapie Infektionsraten senkt und Krankheitsverläufe verbessert. Die Studienleiter streben für 2025/26 zügige Zulassungsverfahren und ggf. Sondergenehmigungen an, um die Methode so schnell wie möglich für Patienten verfügbar zu machen.[1]

Medizinischer und ökonomischer Nutzen

Die Einführung einer Kaltplasmatherapie hätte weitreichende Effekte. Medizinisch könnte sie Infektionszahlen deutlich verringern und die Sterblichkeit senken, insbesondere bei kritisch kranken Intensivpatienten. Hochrechnungen legen nahe, dass pro 100 VAP-Patienten durch frühzeitigen Plasmaeinsatz etwa zwei bis drei Todesfälle verhindert werden könnten. Zudem eröffnet sich eine Option, wenn Antibiotika versagen – etwa bei multiresistenten Keimen oder wenn Erreger nur langsam auf Medikamente ansprechen. Kaltplasma wirkt unabhängig von klassischen Resistenzmustern und könnte in rund einem Drittel der VAP-Fälle jene Lücke schließen, in denen die initiale Antibiotikatherapie nicht greift.[2]

Gleichzeitig würden Patienten, Angehörige und Pflegekräfte profitieren. Weniger Infektionen bedeuten weniger Komplikationen, kürzere Intensivaufenthalte und insgesamt eine schnellere Erholung. Auch Gesundheitssysteme könnten enorme Kosten einsparen: Jeder vermiedene Intensivtag (Kosten: 1.500 bis 3.000 EUR)[3] summiert sich über Tausende Fälle zu Einsparungen im Milliardenbereich.

Fazit

Antibiotikaresistenzen sind eine der größten Herausforderungen für die globale Gesundheit und drohen Errungenschaften der modernen Medizin zunichtezumachen. Kaltplasma ist ein vielversprechender Ansatz, um diese Bedrohung innovativ anzugehen. Es zerstört Erreger physikalisch, ohne Resistenzbildung zu provozieren, und könnte sogar präventiv eingesetzt werden, um Infektionen zu verhindern, bevor sie entstehen. Die laufende Studie ist ein erster Schritt auf dem Weg zur breiten klinischen Anwendung. Klar ist: Gelingt es, Kaltplasma sicher und wirksam in die Praxis zu überführen, wäre dies ein entscheidender Fortschritt in der Infektionsmedizin – mit positiven Effekten für Patienten, Gesundheitssysteme und die medizinische Infrastruktur. Die Vision einer infektionsfreien Intensivstation rückt damit ein Stück näher.

Quellen:

[1] https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/antimicrobial-resistance#:~:text=,and%20middle
[2] https://www.thelancet.com/series-do/AMR-and-digital-approaches
[3] https://www.thelancet.com/series-do/AMR-and-digital-approaches
[4] https://www.viromed-medical-ag.de/wp-content/uploads/2025/06/2026-06-23_Kaltplasma-Technologie-zeigt-Potenzial.pdf
[5] https://www.viromed.de/viromed-medical-ag-revolutionaere-kaltplasmatherapie-fuer-vap-ventilatorassoziierte-pneumonie-zeigt-100-wirksamkeit-in-einer-in-vitro-studie-mit-mrsa-und-humanen-lungenzellen-alveolen/#:~:text=Studien%20zeigen%2C%20dass%20VAP%20bei
[6] https://sites.google.com/view/comprehensiveinsightsresearchl/reports/intensive-care-product-market
[7] https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7164895/#:~:text=with%20the%20contaminated%20material und https://www.viromed.de/viromed-medical-ag-revolutionaere-kaltplasmatherapie-fuer-vap-ventilatorassoziierte-pneumonie-zeigt-100-wirksamkeit-in-einer-in-vitro-studie-mit-mrsa-und-humanen-lungenzellen-alveolen/#:~:text=Kaltes%20atmosph%C3%A4risches%20Plasma
[8] https://www.nature.com/articles/s41598-020-59652-6?error=cookies_not_supported&code=5c050424-dc6b-403f-b6dd-66184adb5a04#:~:text=to%20consistently%20produce%2090,resistant%20bacterial%20infections
[9] https://www.viromed-medical-ag.de/wp-content/uploads/2025/06/2026-06-23_Kaltplasma-Technologie-zeigt-Potenzial.pdf
[10] https://www.viromed.de/viromed-medical-ag-revolutionaere-kaltplasmatherapie-fuer-vap-ventilatorassoziierte-pneumonie-zeigt-100-wirksamkeit-in-einer-in-vitro-studie-mit-mrsa-und-humanen-lungenzellen-alveolen/#:~:text=Die%20Studie%20unter%20Leitung%20von,A
[11] https://www.viromed-medical-ag.de/wp-content/uploads/2025/06/2026-06-23_Kaltplasma-Technologie-zeigt-Potenzial.pdf
[12] https://www.viromed-medical-ag.de/wp-content/uploads/2025/06/2026-06-23_Kaltplasma-Technologie-zeigt-Potenzial.pdf
[13] https://downloads.research-hub.de/2024%2010%2010%20Viromed%20Roundtable%20update___3o6aw1kz.pdf#:~:text=average%20length%20of%20stay%20in,upper%20end%20of%20this%20range

Autor/Autorin

Uwe Perbandt
Uwe Perbandt
Mitgründer und Geschäftsführer at  | Website

Uwe Perbandt ist Mitgründer und Geschäftsführer der Viromed Medical GmbH sowie erfahrener Unternehmer mit langjähriger Expertise in der Medizintechnik und Gesundheitswirtschaft. Er verfügt über umfassende Erfahrung im Unternehmensaufbau und in der Internationalisierung und bringt besondere Kompetenz in Börsengängen und Kapitalmarktstrategien mit, unter anderem durch ein erfolgreiches SPAC-Listing im Jahr 2022. Sein Schwerpunkt liegt auf Innovation und nachhaltigem Wachstum.