GoingPublic: Welche Trends sind hier zu beobachten?
Scheidler: Ich denke, dass die Bereiche Seltene Krankheiten und Lebererkrankungen, in denen wir gerade unsere Kollaboration mit der Alnylam Pharmaceuticals gestartet haben, schon als Erfolg versprechend angesehen werden können. Doch die Produkte befinden sich noch in der Entwicklung. Ob sie am Ende zugelassen werden, lässt sich natürlich nicht vorhersagen.
Maas: Ehrlicherweise muss man sagen, dass ein Einsatz von Nukleinsäure-Therapeutika im Bereich der großen Volkskrankheiten sicherlich noch Jahrzehnte entfernt ist. Das liegt vor allem daran, dass die Technik noch sehr jung ist. Die Antikörper hingegen haben die großen Volkskrankheiten bereits erreicht, wie die Beispiele aus der Rheumatoiden Arthritis und der Onkologie zeigen.

GoingPublic: Dennoch wirkt es in der Presse so, als würden große Unternehmen Abstand von den Therapeutika nehmen.
Maas: In der Tat können wir hier einen Trend beobachten: Einige große Pharma-Unternehmen haben angekündigt, sich aus dem Bereich Nukleinsäure-Therapeutika zurückzuziehen. Doch das heißt nicht, dass in diesem Feld nicht weiter sehr intensiv geforscht wird. Alle großen Pharma-Unternehmen – auch wir – arbeiten mit externen Partnern zusammen. Diese haben oft eine extrem gute Expertise, die sich komplementär zu unserer internen Expertise verhält. Gerade im Bereich Nukleinsäure-Therapeutika sehe ich dieses Prinzip der externen Innovation, das im Moment alle großen Pharma-Unternehmen fahren, optimal umgesetzt.
Scheidler: Viele andere Pharma-Unternehmen fahren ihre Abteilungen für RNA-Wirkstoffe etwas zurück, bleiben aber trotzdem in dem Bereich aktiv. Niemand möchte ein Feld komplett aufgeben, es kann ja am Ende doch Erfolg versprechend sein.

GoingPublic: Sie fahren also zweigleisig? Sie haben eine eigene Entwicklung und kooperieren mit kleineren Unternehmen?
Maas: Wir fahren sogar dreigleisig. Erstens ist da unsere interne Entwicklung, zweitens haben wir kleine Biotechunternehmen als Kooperationspartner wie zum Beispiel Alnylam Pharmaceuticals und Regulus Therapeutics. Das dritte Gleis, das ich in diesem Bereich für mindestens genauso wichtig halte, sind Konsortien und Partnerschaften, in deren Mitte die grundlegenden Fragen zur Anwendung von Nukleinsäure-Therapeutika behandelt werden. So komplexe Themen wie das Delivery können wir gar nicht alleine lösen. Deshalb ist es gut, solche präkompetitiven Problemstellungen gemeinsam anzugehen. Da sind wir stark in der Innovative Medicines Initiative (IMI) engagiert, in der EU-weit zusammen mit anderen Pharma-Unternehmen und gemeinsam mit akademischen und außerakademischen Einrichtungen geforscht wird. Dieser Trend wird sich fortsetzen und mit Sicherheit noch verstärken.

GoingPublic: Frau Dr. Scheidler, Herr Prof. Maas, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führten Dr. Tilmann Laufs und Anne Hachmann.

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