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Pentixapharm war eine der „Billion-Dollar-Bets“, die der Vorstand der Eckert und Ziegler SE (EZAG) 2019 mit dem Ziel einging, das Unternehmen umsatz- und ertragstechnisch auf eine neue Stufe zu heben. Im Juni 2024 wurde nun die Abspaltung des Unternehmens beschlossen. Wir sprachen mit Dr. Andreas Eckert, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Eckert & Ziegler SE, über die entscheidenden Lehren für Eckert & Ziegler aus diesem Carve-out-Prozess und dessen Bedeutung für die langfristige Strategie der Unternehmensgruppe EZAG.
Plattform Life Sciences: War es von Anfang an geplant, Pentixapharm auszugründen, oder hat sich diese Idee erst im Laufe der Entwicklung ergeben?
Dr. Eckert: Wir hatten uns zunächst darauf eingestellt, erst einmal ein paar Jahre lang Daten in frühen klinischen Prüfungen sammeln zu müssen. Als die Europäische Arzneimittelbehörde jedoch Pentixapharm, kurz PTX, bereits 2023 erlaubte, mit dem Leitkandidaten PentixaFor sofort in eine Zulassungsstudie zu gehen, unter Auslassung verschiedener Zwischenschritte, kam die Strategie auf den Prüfstand. Der Vorstand der Eckert & Ziegler SE, kurz EZAG, wollte nicht in die Verlegenheit geraten, plötzlich mit seinen Kunden aus der pharmazeutischen Industrie zu konkurrieren, die selbst Medikamente entwickeln. So fiel die Entscheidung zur Abspaltung. Die Ausgliederung ermöglicht es uns, Pentixapharm als eigenständiges Unternehmen mit einem fokussierten Geschäftsmodell zu positionieren und gezielt Investoren anzusprechen, die am enormen Potenzial unserer Radiopharmazeutika interessiert sind.
Ist der Carve-out-Prozess ein fester, grundsätzlicher Teil der langfristigen Strategie von Eckert & Ziegler?
Der Vorstand der EZAG evaluiert ständig sein Produktportfolio. Wenn eine Sparte nicht mehr passt, weil Kernkompetenzen für Wachstum fehlen, Wettbewerber zu stark geworden sind, der Kapitalbedarf die EZAG überfordern würde oder aber einfach nur ein attraktives Angebot vorliegt, kann der Ausstieg sinnvoll werden. Zuletzt haben wir das im größeren Stil beim Verkauf der Tumorbestrahlungsgeräte nach China praktiziert. Bei PTX handelt es sich allerdings nicht um einen klassischen Carve-out, denn das Unternehmen war von Anfang an eine eigenständige Gesellschaft. Sie wurde als Beteiligung erworben und gehalten.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Faktoren für den Erfolg eines solchen Carve-outs?
Unternehmensgründungen im Bereich der pharmazeutischen Wirkstoffentwicklung sind immer mit Wagnissen behaftet. Das größte Risiko liegt darin, dass die Technologie nicht funktioniert. Bei PTX setzen wir darauf, dass die Fehlschlagquote in der Nuklearmedizin wesentlich niedriger als bei anderen Substanzklassen ausfällt. Das liegt daran, dass es sich bei der Radioligandentherapie um ein gut verstandenes und erforschtes Wirkprinzip handelt. Für den diagnostischen Leitkandidaten PentixaFor liegen bereits klinische Daten aus der Behandlung von mehr als 2.000 Patienten vor – ein riesiger Datenpool! Das Diagnostikum scheint in vielen Indikationen den bisherigen Standards hinsichtlich der Sensitivität und Spezifität überlegen und es lassen sich damit höchst spannende Anwendungen auch außerhalb der Onkologie erschließen.
Im therapeutischen Bereich berichten Ärzte in einzelnen Indikationen zum Teil von fabelhaften Ergebnissen: Mit unserem Leitkandidaten PentixaTher konnte die Würzburger Uniklinik unter der Leitung von Prof. Dr. med. Andreas Buck bei mehreren Patienten, die schwer kontrollierbare T-Zell-Lymphome aufwiesen und auf Standardtherapien nicht mehr ansprachen, Komplettremissionen erzielen.
Welche Lehren hat Eckert & Ziegler aus dem Aufbau und der Ausgründung von Pentixapharm gezogen? Gibt es Aspekte, die Sie in Zukunft anders handhaben würden?
Rückblickend hätte man Dinge immer besser machen können. Wir sind mit der Entwicklung der PTX und ihrem schnellen Sprung in fortgeschrittene klinische Phasen jedoch sehr zufrieden. Zudem begeistern uns die neuen Anwendungsfelder. PTX ist weltweit das erste Unternehmen, das Radiopharmaka zur Behandlung von Bluthochdruck entwickelt. Wenn sich die Ergebnisse bestätigen, die in ersten Tests gesammelt wurden, werden Millionen von Patienten davon profitieren.
Wie sehen Sie die Zukunft von Pentixapharm nach dem Carve-out? Gibt es bestimmte Partnerschaften oder Wachstumsstrategien, die jetzt in den Vordergrund rücken?
An vielen anderen Stellen setzen wir auf Bewährtes. Den Vertrieb werden wir mit strategischen Partnern organisieren und nur in ausgesuchten Regionen, unter anderem vermutlich in Deutschland, selbst aufbauen. Alles andere wäre zu teuer. Bei den radioaktiven Wirkstoffen wird Pentixapharm das Rad nicht neu erfinden und Isotope nutzen, die bereits im Markt und in den Arbeitsroutinen der Nuklearmediziner eingeführt sind. Damit reduzieren sich die Sorgen um sichere Lieferketten. Die Konzentration auf das Wesentliche erlaubt es zudem, mit einem übersichtlichen Budget zu beginnen. Wenn die klinischen Daten das halten, was die wissenschaftlichen Berichte unserer akademischen Partner schon heute versprechen, wird man den Wert der Firma peu à peu aufbauen und über Kapitalerhöhungen schrittweise die notwendigen Mittel akquirieren können.
Was würden Sie Unternehmen raten, die überlegen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen, also Start-ups aufzubauen und später auszugliedern?
Fokussieren und alles, was nicht zu den Kernkompetenzen zählt, ausgliedern. Oder wie der amerikanische Investor Peter Thiel sagen würde: Lieber bescheiden in einer Nische beginnen als gleich ins große Rampenlicht springen. Aus diesem Grund lassen wir bei Pentixapharm populäre, aber letztlich bereits von anderen Radiopharmakaentwicklern ins Visier genommene Indikationen wie Prostatakrebs und neuroendokrine Tumore links liegen. Wir konzentrieren uns auf Anwendungen, in denen in den nächsten Jahren kaum Wettbewerb zu erwarten ist. Dazu zählt die Feindiagnose von Bluthochdruck. Unser Produkt muss und wird hier einen deutlichen Mehrwert bringen, für Ärzte und für die Patienten.
Gibt es spezielle Trends in der Radiopharma- oder Nuklearmedizinbranche, die Sie besonders spannend finden und die möglicherweise den nächsten Carve-out vorantreiben könnten?
Wir sind begeistert von den technischen Entwicklungen bei nuklearmedizinischen Kameras und Sonden. Die Zukunft der Diagnose liegt in der Bildgebung. Hier wachsen Biologie und Informationsverarbeitung zusammen. Deshalb werden wir uns bei PTX auf weitere Radiodiagnostika fokussieren. In diesen Bereich sehen wir eine große Zukunft. Daher hat PTX jüngst sofort zugegriffen, als bei Glycotope eine eingespielte Entwicklertruppe übernommen werden konnte. Sie wird sich mit Entdeckung und Validierung neuer Zielstrukturen beschäftigen.
Welche Art von Unterstützung hat Pentixapharm in den frühen Entwicklungsphasen von Eckert & Ziegler erhalten? War dies nur finanzielle Unterstützung oder gab es auch operative, technische und strategische Hilfe?
Ein Großteil der Mitarbeiter und der gesamte Führungskreis der PTX kommen aus dem Ökosystem der Eckert & Ziegler Gruppe. Die Hilfestellung war insofern umfassend. Über den Hauptaktionär, die Lieferketten und die räumliche Nähe werden die beiden Gruppen weiterhin verbunden bleiben.
Herzlichen Dank für das Interview.
Das Gespräch führte Urs Moesenfechtel.
ZUR PERSON:
Dr. Andreas Eckert ist Vorsitzender des Aufsichtsrats und Hauptaktionär der Eckert & Ziegler SE. Er gründete 1992 zusammen mit Jürgen Ziegler die Keimzelle der Gruppe, die BEBIG Isotopentechnik und Umweltdiagnostik GmbH, und entwickelte das Unternehmen als Vorstandsvorsitzender bis 2023 zu einem Weltmarktführer im Bereich der Isotopentechnik mit über 1.000 Mitarbeitern und Standorten in Europa, Amerika und Asien. Zugleich ist er Gründer und Geschäftsführer des Frühphasenfinanzierers Eckert Life Science Accelerator GmbH sowie zahlreicher Technologieunternehmen.
Autor/Autorin
Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.