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Es hat viele Jahre gedauert bis frauenspezifische Gesundheitsthemen (FemTech) im Gesundheitswesen sowie in der breiten Öffentlichkeit mehr Aufmerksamkeit bekommen haben. Dabei ist es ein rasant wachsender Markt entstanden. Innerhalb dieser Gruppe existieren mehr als 1.000 Start-ups, von denen eine beträchtliche Anzahl von Frauen geführt wird. Von Marcel Wijma

Definition und Eingrenzung

Als „FemTech“ (Female Technology) werden Technologien und Anwendungen bezeichnet, die das Wohlbefinden von Frauen unterstützen und fördern. Dieser Begriff wird häufig mit Dienstleistungen, Anwendungen und Software, medizinischen Geräten, Telemedizin, Wearables, therapeutischen Arzneimitteln, Vitaminen und Nahrungsergänzungsmittel in Verbindung gebracht, die die Gesundheit und Wohlbefinden von Frauen verbessern oder unterstützen sollen.

„FemTech“ ist aber auch eine Bewegung, die mehr Bewusstsein, Sichtbarkeit und Selbstbestimmung für weibliche Körper fordert und gleichzeitig Innovationen vorantreibt, konzentriert auf technische Lösungen in Bezug auf die Gesundheitsbedürfnisse von Frauen. Entstanden ist die Bewegung und Entwicklung, weil die Gesundheitsbranche die Bedürfnisse von Frauen sowie die Forschung und Daten über den weiblichen Körper nicht genügend im Fokus hatte.

Die bespielten Gesundheitsbereiche umfassen eine Reihe frauenspezifischer Themen wie die Schwangerschaft, Menstruation, Becken- und Sexualgesundheit, Fruchtbarkeit, psychische Gesundheit und Menopause sowie Krankheiten, von denen Frauen überproportional betroffen sind, wie z. B. Osteoporose oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Darüber hinaus haben FemTech-Unternehmen Möglichkeiten entwickelt, um geschlechtsspezifische psychische Probleme zu untersuchen und zu überwachen und digitale Interventionen anzubieten.

Marktvolumen

Im Jahr 2019 wuchs der FemTech-Markt laut einer Studie von McKinsey bereits auf 18,7 Mrd. USD. Fortschritte bei den Technologien zur Entwicklung von Dienstleistungen haben dabei das Potenzial in der Grundlagenforschung und bei klinischen Anwendungen weiter verbessert. 2020 konstatierte man bereits 40,2 Mrd. USD Marktvolumen. Von 2020 bis 2025 rechnet man mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 13,3 %, so dass der Markt dann bei 75,1 Mrd. USD läge.

In der kurzen Historie der offiziellen FemTech-Bewegung ist es gelungen, auch auf kulturelle Tabus und stigmatisierte Sichtweisen in Bezug auf den weiblichen Körper hinzuweisen. FemTech ist jedoch ein neuer Begriff im Bereich der Frauengesundheit. Die Technik hatte sich in den letzten Jahrzehnten stark entwickelt, die Wissenschaft rund um die Körper von Frauen hingegen kaum Fortschritte gemacht hatte. Ida Tin, Gründerin der Fruchtbarkeits-Tracking-App „Clue“, prägte 2016 den Begriff „FemTech“, weil sie Schwierigkeiten hatte, mit männlichen Investoren über weibliche Gesundheitsprodukte zu diskutieren. Also schuf sie diese ganz eigene Kategorie, um die Aufmerksamkeit auf eine Branche zu lenken.

Breites Feld für Start-ups

Kein Einzelfall: Insgesamt hat die Finanzierung von FemTech-Startups stetig zugenommen, und die Prognosen für Investitionen in die Branche reichen laut McKinsey bis 2030 bei bis zu 9 Mrd. USD. Allein in den USA wurden im ersten Halbjahr 2023 über 500 Mio. USD investiert. Darüber hinaus legte zum Beispiel Recharge Capital mit Sitz in New York einen Fonds für Women Healthcare Investments auf und sammelte in kurzer Zeit 200 Mio USD ein. Weltweit soll es inzwischen über 100 Venture-Capital-Gesellschaften geben, die über eine Mrd. USD in junge FemTech Unternehmen zur Weiterentwicklung ihrer Produkte und Technologien investieren wollen.

Selbst wenn der Wert der gesundheitlichen Verbesserung des Lebens von Frauen nicht überzeugend genug gewesen ist – das Marktpotenzial wird es sein. Die Akzeptanz von Femtech ist parallel zur Einführung von hybriden und virtuellen Versorgungsmodellen während der Pandemie gestiegen, da Patienten und Anbieter mit digitalen Gesundheitstechnologien vertrauter geworden sind.

In seinem Bericht „Femtech Landscape 2021“ stellt der Podcast „Femtech Focus“ fest, dass Femtech die Bereiche Fortpflanzung, Menstruation, Sexualität, Beckenboden, Vagina, Onkologie, Knochen, Gehirn, Autoimmunerkrankungen und Herzgesundheit umfasst. Femtech-Produkte fallen in der Regel in eine der folgenden sechs Kategorien: Medizinprodukte, Software, therapeutische Arzneimittel, Verbraucherprodukte, Verbraucherdienstleistungen oder -anwendungen. Unabhängig von der Modalität verändern Femtech-Unternehmen die Art und Weise, wie Gesundheitsdienstleister ihre Patienten erreichen.

Beispiele erfolgreicher FemTech Unternehmen

Der erste von der US-Gesundheitsbehörde zugelassene Fruchtbarkeits-Tracker war ein Armband von AvaWomen. Es wird nachts getragen und am Morgen mit der dazugehörigen App synchronisiert. Diese zeigt dann anhand der durch das Armband gewonnenen Daten den Menstruationszyklus auf und hilft den Nutzerinnen, die fruchtbaren Tage zu erkennen. Kürzlich wurde das Schweizer Start-up an die US-Firma Femtec Health verkauft. Gemäß Co-Gründerin Lea von Bidder ist der Verkauf eine Chance, um schneller wachsen zu können. Der Gründerin zufolge werde das Ava-Armband nun Teil einer größeren Gesundheitsvision, die Frauen vom Kinderwunsch bis weit über die Schwangerschaft hinaus begleiten kann.

Die Gründerin Eirini Rapti und ihr Team von Inne entwickelten ein Hormon-Labor, das in jedem Badezimmer Platz findet. Es misst anhand einer Speichelprobe täglich den Progesteronspiegel der Nutzerinnen, der für eine mögliche Schwangerschaft eine wichtige Rolle spielt. Die Daten werden an die dazugehörige App übermittelt, in kürzester Zeit ausgewertet und die Nutzerin erhält Infos zu ihrer aktuellen Zyklusphase und den hormonellen Veränderungen. Mit ihrem Produkt will Eirini Rapti Frauen nicht nur ein natürliches Verhütungsmittel zur Verfügung stellen, sondern ihnen helfen, ihren Körper und hormonbedingte Symptome wie Akne oder Stimmungsschwankungen zu verstehen. In Zukunft möchte das Unternehmen personalisierte Hormontracker auf den Markt bringen, die auf Themen wie Endometriose oder die Wechseljahre spezialisiert sind. Und quasi im Wochenrythmus werden es mehr. Beispielhaft berichtet Kathrin Folkendt in ihrem newsletter FemTech Insider wöchentlich über Entwicklungen, Innovationen, Neugründungen und Finanzierungsrunden aus dem Women’s Health Spektrum: Von HerMD, einem weltweit tätigen Women’s Health Klinik Network über Start-ups wie Eureka Health, die sich mit chronischen Frauenerkrankungen beschäftigen bis hin zum israelischen Medtech Unternehmen InMode, die innovative Treatments für Frauen entwickeln.

Wachsendes Netzwerk

Darüber hinaus gewinnt die Women’s Health Entwicklung eine weitere Dynamik. Diese ist auf die Initiative von Rachel Bartholomew, Gründerin der kanadischen FemTech Organisation, zurückzuführen. Sie baut gerade ein internationales Women’s Health Netzwerk auf, das es sich zum Ziel gesetzt hat, für noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit für frauenspezifische Erkrankungen und deren Lösungsansätze zu sorgen. Aus Europa sind bis jetzt neben Frankreich und UK eher die skandinavischen Regionen vertreten.

Weitere Informationen zum Thema FemTech finden Sie auch hier.

Autor/Autorin

Marcel Wijma
CEO & Co-Founder at Freya Pharma Solutions B.V.

Marcel Wijma ist studierter Finanzökonom und war über 20 Jahre im Bereich Healthcare und Biotech Equity Research in Den Haag, Amsterdam und New York tätig. In New York gründete er die Gesellschaft Van Leeuwenhoeck Research Inc. Im Rahmen eines Research-Auftrags durch die amerikanische Investmentbank Raymond James beschäftigte sich Marcel Wijma mit dem Themenbereich Female Sexual Interest/Arousal Disorder (FSIAD). Er erkannte das Potenzial und gründete 2020 mit Kollegen das Unternehmen Freya Pharma Solutions. Seitdem fungiert er dort als Investor und CEO.