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Die Hamburger Evotec SE erhält eine Meilensteinzahlung in Höhe von 2 Mio. EUR vom Bayer-Konzern. Die Zahlung wird durch die erste Verabreichung einer Prüfsubstanz an den ersten Patienten im Rahmen einer Phase-I-Studie im Bereich Nierenerkrankungen ausgelöst, das aus der Evotec-Bayer Multi-Target-Forschungszusammenarbeit im Bereich Nierenerkrankungen stammt. Bei der Prüfsubstanz handelt es sich um einen monoklonalen Antikörper (mAb), der auf das Protein Semaphorin-3A (Sema3A) abzielt, und der als potenzielle first-to-market-Behandlung gegen das Alport-Syndrom, eine seltene genetische Nierenerkrankung, entwickelt wird.

Die klinische Phase-I-Studie des Sema3A mAb, inklusive der Verabreichung an den ersten gesunden Studienteilnehmer, wurde im Juni 2023 initiiert.

Evotec: Strategische Zusammenarbeit mit Bayer seit 2016

Das Programm geht aus einer strategischen Kollaboration hervor, die Evotec und Bayer im September 2016 eingegangen sind. Im Rahmen der Vereinbarung hat Evotec Anspruch auf klinische und kommerzielle Meilensteinzahlungen sowie gestaffelte Lizenzgebühren vom Nettoumsatz, abhängig von dem zukünftigen Fortschritt während der klinischen Entwicklung und der möglichen Kommerzialisierung des Wirkstoffes.

Dr. Cord Dohrmann, Chief Scientific Officer von Evotec, kommentierte: „Neuartige klinische Kandidaten, die auf einem verbesserten Verständnis chronischer Nierenerkrankungen aufbauen, werden dringend benötigt, um das breite Spektrum an Krankheitsphänotypen, die wir in diesem Bereich beobachten, wirksam zu behandeln. Der gemeinsam entwickelte monoklonale Antikörper, der auf Sema3A abzielt, stellt als neuartiger klinischer Kandidat nach weiterer klinischer Prüfung potenziell eine dringend benötigte Therapieoption für Patienten mit dem Alport-Syndrom dar.“

Semaphorin-3A (Sema3A) ist ein extrazelluläres Leitprotein und ein Regulator des Aktinzytoskeletts. Veränderungen des Aktinzytoskeletts, insbesondere der Podozyten, sind zentrales pathophysiologisches Merkmal des Alport-Syndroms, einer seltenen genetischen Nierenerkrankung mit progressivem Verlust der Filtrationskapazität, der zu terminaler Niereninsuffizienz, progressivem Hörverlust und variabler Beeinträchtigung des Sehvermögens führt. Sema3A wird in verletzten menschlichen Nieren hochreguliert und ist an der Entstehung und Progression akuter und chronischer Nierenerkrankungen beteiligt.

Der von Bayer in Zusammenarbeit mit Evotec entwickelte monoklonale Antikörper (mAb) blockiert die Sema3A-Aktivität und stellt eine potentielle first-to-market-Behandlung gegen das Alport-Syndrom dar. Ihr Hauptziel besteht darin, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und das Auftreten einer terminalen Niereninsuffizienz hinauszuzögern. Darüber hinaus könnte sie möglicherweise auch einen positiven Einfluss auf den Hörverlust haben.

Das Alport-Syndrom ist eine genetische Erkrankung, die durch Nierenerkrankungen, Hörverlust und Augenabnormalitäten gekennzeichnet ist. Die meisten betroffenen Personen erleben einen fortschreitenden Verlust der Nierenfunktion, der zu einer Niereninsuffizienz im Endstadium führen kann. Menschen mit Alport-Syndrom entwickeln auch häufig einen sensorineuralen Hörverlust im späten Kindesalter oder frühen Jugendalter. Die für diese Erkrankung charakteristischen Augenabnormalitäten führen selten zu Sehverlust.

In 80% der Fälle wird das Alport-Syndrom X-chromosomal vererbt und durch genetische Veränderungen im COL4A5-Gen verursacht. In den verbleibenden Fällen kann es entweder autosomal rezessiv oder selten autosomal dominant vererbt werden. In diesen Fällen wird die Erkrankung durch genetische Veränderungen in den Genen COL4A3 oder COL4A4 verursacht. Die Diagnose der Erkrankung basiert auf der Familienanamnese der Erkrankung, klinischen Symptomen und spezifischen Tests wie einer Nierenbiopsie. Die Diagnose kann durch genetische Tests bestätigt werden.

Autor/Autorin

Holger Garbs ist seit 2008 als Redakteur für die GoingPublic Media AG tätig. Er schreibt für die Plattform Life Sciences und die Unternehmeredition.