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Die Wirtschaft steht einmal mehr am Beginn einer grundlegenden Transformation. Anders als in den vorangegangen Transformationsphasen der Industrie ist dieses Mal jedoch nicht das Streben nach mehr Wohlstand oder der technologische Fortschritt die zentrale Antriebskraft des Wandels, sondern das Bestreben, einen lebenswerten Planeten für zukünftige Generationen zu sichern.

Unternehmen sehen sich in Sachen Nachhaltigkeit seit einigen Jahren mit immer höheren Ansprüchen von allen Seiten konfrontiert. ESG-Kriterien spielen sowohl für Regulatoren, Investoren, Kunden, Mitarbeiter als auch die ­Gesellschaft insgesamt eine immer wichtigere Rolle. Diese Kriterien zu erfüllen kostet Unternehmen Geld. Gleichzeitig können diese Kosten aber als sinnvolle und wertsteigernde Investition gesehen werden – denn nachhaltige Geschäftsmodelle sind gefragter denn je.

ESG: Die „grüne“ Transformation kann sich lohnen

Für Unternehmen und Investoren stellt sich darum unweigerlich die Frage, in welcher Form und in welchem Ausmaß sich die „grüne“ Transformation und eine gesteigerte ESG-Performance auszahlen werden. Wie genau wirkt sich ein nachhaltiges Geschäftsmodell auf den Unternehmenswert aus? Wie verändern sich die Investitionskriterien der Anleger? Und was bedeutet das für den Kapitalmarkt?

Die Antwort auf die Frage, was für eine nachhaltige Zukunft getan werden muss, ist relativ klar. Die Fragen der Finanzierung und des Returns für Investoren sind dagegen nicht ganz so leicht zu beantworten. Hierfür muss zunächst grundlegend geklärt werden: Wie definieren wir eine nachhaltige Geldanlage überhaupt? Entlang dieser Frage könnte es zu einer Zweiteilung der Kapitalmärkte kommen, denn es gibt hierbei zwei komplett unterschiedliche Beantwortungsansätze.

Beim Ansatz des ESG Investing setzt ein Investor aus einem Risikogedanken heraus auf ein nachhaltiges Asset. Ein ESG-Investor geht davon aus, dass nachhaltige Unternehmen besser performen werden, weil das Geschäftsmodell kompatibel mit regulatorischen Anforderungen wie jenen des EU Green Deal ist. Dabei ist es unerheblich, ob der Investor sich das Erreichen der Ziele des EU Green Deal wünscht oder nur darauf spekuliert. Geht die Wette auf, spiegelt sich dies jedenfalls in der finanziellen Performance des Unternehmens und damit dem Investment Return wider.

Beim zweiten Ansatz, dem sogenannten Impact Investing, möchte hingegen ein Investor die Hebel des Kapitalmarkts nutzen, um zum Erreichen eines Nachhaltigkeitsziels beizutragen, und nicht in erster Linie, um die finanzielle Rendite zu steigern – das ist eine grundlegend andere Motivation.

ESG Investing und Impact Investing unterscheiden sich nicht nur in ihrer Definition einer Rendite: ein rein finanzieller Gewinn oder ein Gewinn, der auch nicht-finanzielle Komponenten umfasst. Beiden Ansätzen liegen natürlich auch unterschiedliche Erwartungen hinsichtlich der Höhe der ­finanziellen Rendite zugrunde.

Strategien für Investoren

Welche Anlagestrategien können Inves­toren also mit Blick auf ESG anwenden? Hier lässt sich zwischen vier Archetypen an ­Investments unterscheiden:

  1. Unternehmen mit einem typischerweise spitzen Geschäftsmodell, die transformatorische Produkte wie z.B. grünen Wasserstoff anbiete Da sie von anderen Playern im Markt für deren eigene Transformation gebraucht werden oder aber Kundengruppen ansprechen, die schon heute bereit sind, mehr für nachhaltige Produkte zu zahlen, sind diese Investments „grün“ und profitabel.
  2. Unternehmen mit über Jahre gewachsenen Portfolios, die im Wesentlichen durch Forschungs- und Entwicklungs­arbeit sowie M&A-Aktivitäten nachhaltiger aufgestellt werden. Verbleibende nicht-nachhaltige Anteile werden möglichst reduziert oder gemanagt, sodass das Portfolio in der Summe aktuellen Anforderungen entspricht und investierbar bleibt.
  3. Gänzlich neue Geschäftsmodelle und Technologien, die einen messbaren positiven Effekt in einer der ESG-Dimensionen haben, wie z.B. eine CO2-Reduzierung oder eine Verbesserung von Bildungschancen. Diese mittel- bis langfristigen Investments sind eine tendenziell riskante Wette auf die Zukunft, die bei Erfolg jedoch hervorragende Exitaussichten versprechen.
  4. Eine nachhaltige, aber zumindest kurzfristig rationale Anlage. Hier geht es um Unternehmen mit einem langfristig nicht zukunftsfähigen Geschäftsmodell, das mittelfristig aber noch hohe Gewinne bei einem geringen Risiko abwirft. Dieser Typus darf nicht übersehen werden, denn es wird weiter Geld geben, das die klassische finanzielle Rendite sucht, schon allein, weil viele der nicht-nachhaltigen Assets, wie z.B. Erdöl, noch lange gebraucht werden.

So weit die Perspektive der Investoren. Für Unternehmen auf der Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten bedeutet dies, dass sie sich genau überlegen müssen, gegenüber welchen Investoren sie sich mit welcher Equity Story positionieren wollen. Auf den ersten Blick mag es einfach erscheinen, Investoren eine entsprechend den vier beschriebenen Archetypen klar fokussierte Equity Story zu präsentieren. Tatsächlich ist es aber nur so einfach, wenn die These hält, dass es zu einer Aufspaltung der Kapitalmärkte kommen wird.

Dies wird nur dann passieren, wenn es auf den Kapitalmärkten genug Impact-Investoren gibt, die bereit sind, auf finanzielle Rendite zu verzichten. Nachhaltige Unternehmen hätten dann bessere Finanzierungsbedingungen und somit niedrigere Kapitalkosten. Für die anderen Unternehmen entstünde ein Anreiz, ebenfalls nachhaltiger zu werden, um bessere Finanzierungsbedingungen zu erhalten. Nachhaltige Investments würden in diesem Fall zu einer nachhaltigeren Welt führen.

Fazit

Aus unserer Sicht ist es keine Frage, ob es zu einer Spaltung der Kapitalmärkte kommt, sondern wann. Wir sehen hierfür bereits erste Anzeichen. Unternehmen sollten sich darum rechtzeitig darauf vorbereiten – und zwar besser heute als morgen. Das beginnt mit dem Festlegen von Non-Financial KPIs, dem Hinterfragen von Produktionsprozessen und Lieferketten und reicht bis hin zum Benchmarking mit den Wettbewerbern. Unternehmen müssen sich klar darüber werden, wofür sie mit Blick auf ESG stehen wollen – denn nicht nur Investoren, sondern auch Mitarbeiter, Kunden und andere Stakeholdergruppen wollen wissen, woran sie sind. Nichtstun ist aus unserer Sicht jedenfalls keine Option.

Autor/Autorin

Prof. Dr. Christian Klein

Prof. Dr. Christian Klein ist Fachgebietsleiter für Nachhaltige Finanzwirtschaft bei der Universität Kassel und Autor zahlreicher Fach­veröffentlichungen.

Florian Huber

Florian Huber verantwortet als Partner die Unternehmensentwicklung von EY DACH. Zudem ist er der Co-Lead von EYCarbon.