Bildnachweis: Athos.

Im Frühjahr 2025 ging Araris Biotech für bis zu 1,14 Milliarden US-Dollar an den japanischen Onkologie-Spezialisten Taiho. Die Übernahme wurde als Meilenstein für den ADC-Sektor gefeiert. Was hat sich seither getan? Wir sprachen mit dem Gründerteam. Urs Moesenfechtel

 

Taiho, ein japanisches Pharmaunternehmen mit Fokus auf Onkologie, ließ früh wissen, dass Araris als eigenständige Tochtergesellschaft weitergeführt wird. Die operative Leitung blieb beim bisherigen Führungsteam, ebenso der Forschungsstandort Au im Kanton Zürich. Doch wie lässt sich ein Biotech-Geschäftsmodell mit der strategischen Ausrichtung eines Mutterkonzerns in Einklang bringen?

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Wir sprachen dazu mit dem Gründerteam von Araris, Dragan Grabulovski (CEO), Philipp Spycher (CSO) und Isabella Attinger-Toller (CTO):

Plattform Life Sciences: Was bedeutet „Eigenständigkeit“ konkret im Alltag von Araris unter Taiho?

Araris: Durch die Übernahme hat sich „lediglich“ die Anteilseigner-Struktur der Araris Biotech AG geändert. Wir führen Araris operativ wie ein eigenständiges Biotech-Unternehmen weiter, in Zusammenarbeit mit Taiho. Unser Team, unsere Projekte und unser Tempo bleiben unverändert, wir expandieren vielmehr in Bezug auf die Pipeline.

Wie zeigt sich diese im Vergleich zu Ihrer Situation vor der Übernahme?

Der größte Unterschied ist: Früher mussten wir aktiv Fundraising betreiben – heute haben wir Zugang zu einer starken Infrastruktur und Expertise.

Gibt es inzwischen Situationen, in denen Sie spüren, dass Entscheidungsfreiheiten enger geworden sind – und wenn ja, wie gehen Sie damit um?

Alle strategischen Entscheide wurden schon immer in enger Zusammenarbeit mit dem Aufsichtsrat (in der Schweiz: Verwaltungsrat) gefällt, das war schon vor der Übernahme so und hat sich jetzt auch nach der Übernahme nicht geändert. Es sind einfach neue Personen im Aufsichtsrat, das ist der einzige Unterschied. 

Inwieweit kann Araris heute noch selbst über die Entwicklungspipeline entscheiden – etwa bei der Wahl von Targets, Wirkstoffkombinationen oder Kooperationspartnern? Viele Start-ups berichten, dass mit dem Einzug eines Konzerns der Spielraum für solche Entscheidungen merklich schrumpft. Wie handhaben Sie diesen Balanceakt, und wo hat Taiho eventuell die letzte Entscheidungsinstanz?

Wir erleben das Zusammenspiel mit Taiho nicht als ein „Wir hier, sie dort“, sondern vielmehr wie ein Zusammenschluss mit einem Partner, der unsere Vision teilt. Entscheidungen über die Pipeline – seien es neue Targets, Technologien oder Kooperationen – entstehen im engen Austausch. Wir sind sehr dankbar dafür, dass Taiho seine Expertise einbringt, besonders wenn es um globale Entwicklungsstrategien geht. Das Ziel ist, auf Augenhöhe, gemeinsam die beste Entscheidung zu treffen, um die besten Therapien für Patienten in Not zu entwickeln.

Nach Übernahmen wird häufig über eine Abnahme der Innovationsgeschwindigkeit und einen Verlust des Unternehmergeists geklagt. Wie beurteilen Sie Ihre Situation im Vergleich zu solchen Fällen? Gibt es konkrete Maßnahmen oder Strukturen, mit denen Sie gezielt dagegensteuern?

Es gibt in der Tat viele Beispiele dafür, dass die Innovationsgeschwindigkeit abnimmt nach einer Übernahme, und es gibt auch einige Paradebeispiele, wo die Innovationskraft massiv zugelegt hat und die übernommene Firma sich zu einem globalen „Center of Excellence“ entwickelt hat. Und genau diesem Beispiel wollen wir zusammen mit Taiho folgen.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Taiho konkret in Bezug auf Entscheidungsprozesse, Unternehmenskultur und Tempo? Gibt es Situationen, in denen sich die Konzernstrukturen als Bremse erwiesen haben? Und wo hat der Austausch neue Impulse gebracht, die ohne Taiho nicht möglich gewesen wären?

Taiho und Araris sind nicht zwei getrennte Welten, sondern eine Einheit mit unterschiedlichen Stärken, die sich ergänzen. Wir profitieren von Taihos Wissen und Netzwerk, Taiho wiederum schätzt unsere tiefgreifende ADC-Expertise, den unternehmerischen Spirit und die schnelle Umsetzung. Das ist ein lebendiger Dialog, in dem beide Seiten voneinander lernen und sich weiterentwickeln.

Wie bewerten Sie die längerfristige Perspektive der Eigenständigkeit von Araris?
Geht Ihre Erfahrung in die Richtung, dass diese Form der Zusammenarbeit eine dauerhafte Lösung darstellt? Oder sehen Sie die Gefahr, dass die Eigenständigkeit mit fortschreitender klinischer Entwicklung und Kommerzialisierung zunehmend eingeschränkt wird?

Unsere Zusammenarbeit mit Taiho ist ein fortlaufender, dynamischer Prozess, bei dem wir gemeinsam gestalten. Es ist partnerschaftliches Miteinander, das sich mit den Anforderungen der klinischen Entwicklung und Kommerzialisierung weiterentwickelt. Wichtig ist, dass wir als ein Team zusammenarbeiten, auf Augenhöhe kommunizieren und Vertrauen schaffen. Dabei steht für uns eines immer im Mittelpunkt: nicht die Frage, wie eigenständig Araris bleibt, sondern wie wir gemeinsam die beste Therapie für die Patienten entwickeln können. Nur das zählt.

Wie erleben Sie die Stimmung im Team? Gibt es Anzeichen, dass sich Mitarbeitende in der neuen Struktur anders verhalten oder dass Talente abwandern?

Die Stimmung im Team war schon immer sehr gut, wir hatten in den 6 Jahren seit der Gründung keinen einzigen Abgang, und wir geben uns Mühe, dass dies weiterhin so bleibt. Wir spüren vielmehr, ein positives Momentum auch mit Hinblick auf den baldigen Eintritt unseres ersten Kandidaten in die Klinik. Wir schätzen den Austausch mit Taiho sehr und das gesamte 16-köpfige Team freut sich über einen Business Trip nach Japan im Herbst 2025, bei welchem wir die Gelegenheit haben werden, die japanische Kultur, Landschaft, Innovationskraft und vieles mehr noch besser kennenzulernen.

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Auszeichnung mit dem Strüngmann Award

Für ihre herausragenden wissenschaftlichen und unternehmerischen Leistungen wurde das Gründerteam von Araris Biotech gestern, am 3. Juli, in München mit dem Strüngmann Award 2025 ausgezeichnet. Insgesamt waren über 25 Life-Sciences-Start-ups (richtig?) aus der DACH-Region nominiert. Dragan Grabulovski, Philipp Spycher und Isabella Attinger-Toller nahmen die mit 100.000 Euro dotierte Auszeichnung entgegen – als Anerkennung für ihren Beitrag zur Entwicklung einer neuen Generation zielgerichteter Krebstherapien.

Die Jury würdigte insbesondere die proprietäre AraLinQ™-Technologie, mit der Araris die Herstellung von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADCs) vereinfacht und beschleunigt: Die Plattform ermöglicht es, unmodifizierte Antikörper in nur einem Schritt mit Wirkstoffen zu koppeln – ein technologischer Durchbruch, der neue therapeutische Möglichkeiten eröffnet und bereits zu strategischen Partnerschaften mit Chugai (Roche) und Johnson & Johnson sowie zur Übernahme durch Taiho Pharmaceutical geführt hat.

Araris setzte sich im Finale gegen NovaGo Therapeutics und TOLREMO therapeutics durch – zwei weitere herausragende Unternehmen, die von der Jury für ihr hohes wissenschaftliches Niveau und ihr translationales Potenzial gewürdigt wurden.

NovaGo Therapeutics verfolgt das Ziel, regenerative Therapien bei Rückenmarksverletzungen zu ermöglichen. Das Schweizer Unternehmen wurde 2015 von Prof. Martin E. Schwab, einem Pionier der Neuroregeneration und Entdecker des Proteins Nogo-A, gegründet. Aufbauend auf jahrzehntelanger Forschung an der Universität Zürich und der ETH Zürich entwickelt NovaGo antikörperbasierte Therapien zur Förderung von Nervenwachstum. Unter der Leitung von Dr. Stefan Moese wurde 2024 das erste klinische Programm für akut querschnittsgelähmte Patient:innen gestartet – ein bedeutender Meilenstein für das Unternehmen.

TOLREMO therapeutics, gegründet von Dr. Stefanie Flückiger-Mangual, adressiert das zentrale Problem der Arzneimittelresistenz in der Krebsbehandlung. Das Zürcher Biotech-Unternehmen entwickelt selektive Inhibitoren gegen epigenetische Regulatoren, die frühe transkriptionelle Resistenzmechanismen blockieren. Der klinische Leitkandidat TT125-802, ein CBP/p300-Inhibitor, zeigt ein vielversprechendes Sicherheitsprofil und überzeugende Monotherapie-Aktivität bei soliden Tumoren. Die Plattform basiert auf Erkenntnissen aus der Forschung an der ETH Zürich und gilt als wegweisend für eine neue Klasse resistenzüberwindender Onkologietherapien.

Der Preis. Copyright: Athos

Der Strüngmann Award, ins Leben gerufen 2024, würdigt exzellente wissenschaftliche Innovationen mit klarem Anwendungspotenzial und versteht sich als Plattform zur Sichtbarmachung forschungsnaher Start-ups mit internationaler Strahlkraft. Die Finalisten des Jahres 2025 stehen exemplarisch für das wachstumsstarke Innovationsökosystem der DACH-Region.

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at  | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.