Bild_Gesch.ber.2014_Thomas NorgallDer Leser eines Geschäftsberichts ist ein nahezu unbekanntes Wesen. Was will er von „seinem“ Unternehmen wissen? Was fehlt ihm? Und was hält er für überflüssig? Im Rahmen einer empirischen Untersuchung hat die wirDesign communications AG vier Zielgruppen genau danach befragt – Analysten, Finanz- und Wirtschaftsjournalisten, institutionelle Investoren und Privataktionäre. Aus dieser im Frühjahr durchgeführten Studie lassen sich zahlreiche Rückschlüsse zur Nutzung und Wirkung dieses Kommunikationsinstruments ziehen.

Bei der Frage, welche Themen von grundsätzlichem Interesse sind und welche Inhalte als relevant betrachtet werden, herrscht Übereinstimmung: Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen – in dieser Reihenfolge – der Lagebericht mit dem Wirtschaftsbericht und der Abschluss mit der Gewinn-und-Verlust-Rechnung sowie die Grundlagen des Konzerns, der Prognose-, Chancen- und Risikobericht und die Bilanz. Es folgen die Gesamtergebnisrechnung, das Vorwort des Vorstands und die Kapitalflussrechnung. Das Resultat könnte eindeutiger nicht sein: Die Zielgruppen konzentrieren sich vor allem auf Lagebericht und Abschluss.

Strategie, Chancen und Risiken kommen zu kurz

Rund 90% der Analysten, institutionellen Investoren und Privataktionäre stützen sich bei Empfehlungen oder Kauf- bzw. Verkaufsentscheidungen auf den Geschäftsbericht. Aber finden sie darin auch alle Informationen, die sie benötigen, um sich ein fundiertes Urteil bilden zu können? Die Antwort ist so eindeutig wie einhellig: 55% der Studienteilnehmer stoßen nicht auf alle für sie relevanten Informationen. Innerhalb des Lageberichts wünscht sich die Mehrheit eine intensivere Berichterstattung über die Strategie sowie zu Chancen und Risiken. Vor allem der Vergleich mit Wettbewerbern (97%) und die Gegenüberstellung von Prognosen und tatsächlicher Geschäftsentwicklung (87%) kommen zu kurz oder sind gar nicht erst vorhanden.

Die Bedeutung des Lageberichts korreliert mit dem Ergebnis, dass sich alle Zielgruppen am wenigsten für das Image-Kapitel und den Corporate-Governance-Bericht interessieren. Nicht einmal ein Fünftel der Studienteilnehmer liest sie, hingegen befasst sich fast die Hälfte mit dem Vorwort des Vorstands und knapp ein Drittel mit dem Bericht des Aufsichtsrats. Das könnte Wasser auf die Mühlen derer sein, die mittlerweile ganz auf die „Kür“ verzichten oder ihren Umfang reduziert haben. Aber ist das die logische Konsequenz? Könnte es nicht genauso gut daran liegen, dass viele Imageseiten austauschbar sind? Dass sie beliebig und belanglos erscheinen und den Kapitalmarkt gar nicht im Visier haben?

Geschäftsberichte wirken positiv auf die Reputation

Grafik_Gesch.ber.2014_Thomas NorgallWird etwas nicht gelesen, muss das nicht zwangsläufig heißen, dass die Themen uninteressant sind. Es kann auch bedeuten, dass sie zu schwach aufbereitet und zu unspezifisch sind. Da sich – wie die Studienergebnisse dokumentieren – alle Zielgruppen anhand des Geschäftsberichts ein Bild vom Unternehmen machen und daraufhin ihre Entscheidungen fällen, ist das Image-Kapitel der geeignete Platz, das Profil zu schärfen. Wem es gelingt, seine Marke, seine Strategie und seine Perspektiven nicht nur mit Fakten zu dokumentieren, sondern die Rezipienten auch emotional zu erreichen, gewinnt mit dem Geschäftsbericht ein wirkungsvolles Kommunikationsinstrument. Dass ihm die Mehrheit der Befragten einen signifikanten Einfluss auf die Unternehmensreputation bescheinigt, sollte die Herausgeber ermutigen.

Vermuteten bislang viele, der Geschäftsbericht würde direkt nach seinem Erscheinen einmal gelesen und dann zur Seite gelegt, ergibt die Studie ein völlig anderes Bild. Die Befragten arbeiten das ganze Jahr über damit. Am häufigsten nutzen die Fachjournalisten die Geschäftsberichte, meistens sogar häufiger als sechsmal im Jahr. Analysten greifen drei- bis viermal jährlich zu den Publikationen. Investoren lesen direkt nach dem Erscheinen ausführlich und dann noch ein- bis zweimal binnen Jahresfrist. Privataktionäre nutzen am liebsten den gedruckten Geschäftsbericht und meistens direkt nach dem Erscheinen. Die Vorliebe für das Druckexemplar teilen die anderen Zielgruppen. Die Print-Ausgabe bevorzugen 64%, gefolgt vom PDF (24%) und der Online-Fassung (12%).

Es ist an der Zeit, die Perspektive zu wechseln

In der kritischen Betrachtung der Ergebnisse zeigt sich, dass die traditionellen Reportingmodelle an ihre Grenzen stoßen. Ob steigender regulatorischer Anforderungen gewinnt der Geschäftsbericht weiterhin an Komplexität, die gewollte Transparenz aber schwindet. Wir brauchen einen Perspektivenwechsel. Weg von der bloßen Darlegung des Geschäftsverlaufs hin zu einer symmetrischen Kommunikation mit den Zielgruppen. Sei es separiert oder integriert, gedruckt oder digital: Die Rezipienten sollen die Inhalte auswählen können, die sie wirklich brauchen. Wie im Supermarktregal. „Smart Reporting2“, so die Definition dieses Modells, beantwortet die Fragen an das Unternehmen. Besser lässt sich Vertrauen nicht aufbauen.

Die Studie in 10 Thesen: www.wirdesign.de/service/exposes/

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