Peter Staab, Director Corporate Affairs MEDION AG
Peter Staab, Director Corporate Affairs MEDION AG

Dafür wird jedoch der unabhängige Aufsichtsrat wortreich gefordert. Dem Aufsichtsrat soll eine nach seiner Einschätzung angemessene Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören. Ein Aufsichtsratsmitglied ist im Sinn dieser Empfehlung insbesondere dann nicht als unabhängig anzusehen, wenn es in einer persönlichen oder einer geschäftlichen Beziehung zu der Gesellschaft, deren Organen, einem kontrollierenden Aktionär oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen steht, die einen wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt begründen kann, so sagt es die Kodex Ziffer 5.4.2. Die §§ 312 ff AktG und 30 Jahre deutsches Konzernrecht mit seinen Errungenschaften und die Rechtsfigur des faktischen Konzerns werden damit negiert. Der Unternehmensvertrag und damit auch der Beherrschungsvertrag sind anerkannte Mittel zur Durchsetzung der Interessen des Mehrheitsaktionärs. Die nicht dem Mehrheitsaktionär zuzurechnenden Aktionäre werden in einem intelligenten und erprobten Verbund aus Garantiedividende, Abfindungsangebot und gerichtlicher Überprüfungsmöglichkeit geschützt. Warum  eine derart beherrschte Gesellschaft dann plötzlich einen oder mehrere unabhängige Aufsichtsratsmitglieder haben soll, versteht der in- und ausländische Investor wohl nicht mehr.

Ob die Anforderungen des Kodex erfüllt werden, stellen die betroffenen Gremien von Aufsichtsrat und Vorstand selbst fest. Der Aufsichtsrat soll – so verlangt es der Kodex in Ziffer 7.2.3. – vereinbaren, dass der Abschlussprüfer ihn informiert bzw. im Prüfungsbericht vermerkt, wenn er bei Durchführung der Abschlussprüfung Tatsachen feststellt, die eine Unrichtigkeit der von Vorstand und Aufsichtsrat abgegebenen Erklärung gemäß § 161 AktG zum Kodex ergeben.

Im Unternehmen selbst ändert sich sonst aber nichts. Das ist in der deutschen Unternehmenslandschaft aber längst nicht überall so. Wenn zum Beispiel statt der guten Unternehmensführung der innerbetriebliche Datenschutz vernachlässigt oder verletzt wäre, greift ein ganz anderes System von Vorschriften. Jeder betriebliche Datenschutzbeauftragte in den deutschen börsennotierten Konzernen hat mittlerweile mehr Rechte im Unternehmen, wenn es um Weisungsfreiheit und Schutz vor Kündigung geht, als sein Compliance Kollege. Bereits vor der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes war der interne Datenschutzbeauftragte nicht als gewöhnlicher Arbeitnehmer zu sehen. Vielmehr hatte er als privilegierter Funktionsträger die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften zu überwachen und die dahingehend nötigen Kontrollen durchzuführen. Das Gesetz formulierte hier ein klares Benachteiligungsverbot für den betrieblichen Datenschutzbeauftragten, um die Sicherheit personenbezogener Daten im Unternehmen zu gewährleisten. Heute gilt sogar  ein Sonderkündigungsschutz im BDSG, mit der die unabhängige Position des betrieblichen Datenschutzbeauftragten im Unternehmen nochmals gestärkt wurde.

Wo ist der Corporate Governance oder Compliance Beauftragte, der einen ähnlichen Schutz vorweisen kann? Der Deutsche Corporate Governance Kodex jedenfalls schützt niemandem im Unternehmen. Wie soll man im Spannungsfeld von Vorstand und Aufsichtsrat effektive Compliance ausüben oder gute Unternehmensführung einfordern, wenn es diesen Schutz nicht gibt. Welche Unternehmenskrise der vergangenen Jahre wäre vielleicht zu verhindern gewesen, wenn es im betroffenen Unternehmen mehr Mut bei der Aufdeckung offenkundiger und teilweise schon langer bekannter Missstände gegeben hätte? Wer riskiert schon seinen Job, wenn er nicht einmal die Rückendeckung des Corporate Governance Kodex hat.

Gute Corporate Governance ist ein elementarer Bestandteil des Vertrauens der Eigentümer in ihre Gesellschaft und hilft nach innen und außen Grundsätze guter Unternehmensführung aufzustellen und zu leben. Damit der Kodex dies jedoch in Zukunft mehr als bisher leisten kann, muß er moderner und anspruchsvoller werden und auch einmal Forderungen aufstellen, die in der Komfortzone des Unternehmens zum akademischen Nachdenken und Handeln nicht nur anregen, sondern eine konkrete Umsetzung auch verlangen und bedingen.

Wenn der Kodex präventiv vor Fehlentwicklungen bei börsennotierten Gesellschaften schützt, hat er eine seiner vornehmsten Aufgabe erfüllt.  Anregungen dazu gibt es.

So sollten Investor Relations im Kodex definiert werden. Unverträglichkeiten mit dem deutschen Konzernrecht müssen beseitigt werden. Und der über eine Soll-Vorschrift im Kodex festgeschriebene, diesbezüglich weisungsfreie und ausreichend vor Benachteiligung geschützte, im Unternehmen angestellte betriebliche Corporate Governance oder Compliance Beauftragte wäre  ein erster wirksamer, richtiger und zukunftsweisender Schritt

Peter  Staab ist seit 2005 bei der MEDION AG.  Zuvor war er über 10 Jahre in der CE Branche und der Industrie-Logistik als Syndikus und Leiter Investor Relations tätig. Staab ist Bankkaufmann, Rechtsanwalt und Autor zahlreicher Veröffentlichungen zum Kapitalmarkt. In der Vergangenheit war er auch Mitglied im Vorstand des DIRK.

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