Folgen für Sachverständige und Unternehmen

Die BGH Entscheidung stellt die Praxis vor einige Herausforderungen. Während für die Beurteilung bestimmter Fragestellungen ohnehin nur eine begrenzte Anzahl ausgewiesener Experten zur Verfügung steht, müssen Unternehmen jetzt noch sorgfältiger als bisher abwägen, ob und in welchem Umfang sie vorgerichtlich einen Sachverständigen beauftragen. Sie müssen bereits weit vor einem möglichen Gerichtsprozess – insbesondere, wenn eine Vielzahl gleich gelagerter Verfahren drohen – in ihren strategischen Überlegungen berücksichtigen, dass ein mit einem bestimmten Sachverhalt in ihrem Auftrag befasster Sachverständiger in einem potentiellen späteren Gerichtsverfahren nicht mehr zur Verfügung steht. Das nämlich dann, wenn die zu begutachtende Angelegenheit hinreichend vergleichbar ist.

Ihre dahingehenden Überlegungen werden noch wesentlicher, weil nach der BGH-Entscheidung auch alle Sachverständige wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden können, die sich für Dritte, (zum Beispiel für Versicherungen) bereits mit einem vergleichbaren Sachverhalt befasst haben. Das gilt auch dann, wenn diese Begutachtung dem beauftragenden Unternehmen nicht bekannt ist.

Überspitzt gesagt könnte das zu einem Mangel an gerichtlichen Sachverständigen oder zu schlechteren Begutachtungsergebnissen führen. Ob dies tatsächlich der Fall sein wird, bleibt abzuwarten, dürfte aber die Ausnahme bleiben. Denn Gerichte bleiben auch weiterhin gehalten, einen fachkundigen und neutralen Sachverständigen mit der Begutachtung zu betrauen. Die aus der BGH-Entscheidung wahrscheinlich resultierenden erhöhten Auswahlanstrengungen des Gerichts sind im Interesse objektiver Begutachtung zur Wahrheitsermittlung vor Gericht hinzunehmen.

Fazit

Auch Sachverständige müssen sich auf diese neue Entscheidung des BGH einstellen. Sie werden sich eher als bisher entscheiden müssen, ob sie als öffentlich beeidigte Sachverständige in Gerichtsverfahren oder als Gutachter in privatem Auftrag tätig werden wollen. Sie sind zudem gehalten, das Gericht vor Übernahme der Begutachtung auf ihre Vorbefassung mit jeder hinreichend vergleichbaren Sache hinzuweisen. Wird ein solcher Hinweis unterlassen, kann dies – ungeachtet der Frage einer tatsächlich bestehenden oder nicht bestehenden Befangenheit – zum Verlust des Vergütungsanspruches führen.

Die Autoren, Dr. Christian Hinz und Dr. Ashkan Rahmani, sind Rechtsanwälte der Wirtschaftskanzlei CMS in Hamburg mit Beratungsschwerpunkt im Bereich Produkthaftungsrecht.

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