Der börsennotierte deutsche Immobiliensektor zeichnete sich in den letzten ein bis zwei Jahren nicht nur durch großvolumige IPOs (LEG, Deutsche Annington) und Secondary Offerings (LEG, Gagfah, Deutsche Annington) aus, sondern auch durch umfangreiche kapitalmarktgestützte M&A-Aktivitäten. Zu nennen sind hier zum einen im Wohnimmobiliensektor insbesondere die Übernahme der GSW Immobilien AG durch die Deutsche Wohnen AG sowie die Übernahme der VITUS-Gruppe und des DeWAG-Portfolios durch die Deutsche Annington. Zum anderen im Büroimmobiliensektor der Merger von OCM German Real Estate Holding/German Acorn und der Prime Office REIT AG.

Deutsche Wohnen nutzte in der zweiten Jahreshälfte 2013 ihre relativ hohe Prämie auf den NAV dazu, die nur am bzw. leicht über dem NAV notierende, fast ebenso große GSW Immobilien AG über eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage zu übernehmen. Der Deal war zu diesem Zeitpunkt die größte Akquisition in der Immobilienbranche seit Jahren. Für 20 GSW-Aktien wurde als Gegenleistung mit 51 jungen Aktien der Deutsche Wohnen AG „gezahlt“. Damit setzte Deutsche Wohnen die eigene Aktie effizient als „Akquisitionswährung“ ein. Insgesamt wurde auf diese Weise die Transaktion mit 117,3 Mio. Aktien der Deutsche Wohnen „finanziert“. Bereits in der ersten Jahreshälfte hatte die Deutsche Wohnen ihre Aktie als Akquisitionswährung beim Kauf eines Blackstone-Portfolios eingesetzt, indem der Verkäufer neben einer Barkomponente 8,2 Mio. junge Aktien des Unternehmens akzeptiert hatte.

Dr. Wilhelm Breuer
Dr. Wilhelm Breuer

Zudem begab Deutsche Wohnen eine Wandelanleihe in Höhe von 250 Mio. EUR, um die zu diesem Zeitpunkt ausstehende GSW-Wandelanleihe vorzeitig zurückzukaufen. Im Vergleich zu einem Bond bieten Wandelanleihen wesentliche Vorteile: Die Kupons sind deutlich niedriger als bei herkömmlichen Bonds. Zudem besteht die Chance, dass die Zeichner am Ende der Laufzeit bei einer entsprechend positiven Aktienkursentwicklung ihre Anleihe in Aktien und damit Eigenkapital wandeln. In diesem Fall wird aus Fremdkapital, das bedient und getilgt werden muss, Eigenkapital, das dem Unternehmen dauerhaft zur Verfügung steht und als Basis für zusätzliche Fremdfinanzierungen genutzt werden kann.

Deutsche Annington ebenfalls aktiv
Auch die Deutsche Annington nutzte und nutzt den Kapitalmarkt bei den rund 2,5 Mrd. EUR schweren Übernahmen von VITUS und des DeWAG-Portfolios in vielfältiger Weise. Neben der Übernahme bestehender Verbindlichkeiten von rund 400 Mio. EUR und einer gut 300 Mio. EUR umfassenden Barkapitalerhöhung emittierte das Unternehmen eine 700 Mio. EUR schwere Hybrid-Anleihe als nachrangiges Kapital. Zudem bedient sich das Unternehmen – ähnlich wie die Deutsche Wohnen bei GSW – seiner Aktie als Akquisitionswährung über eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage in Höhe von 250 Mio. EUR. Die Verkäufer erhalten rund 12 Mio. neue Aktien als Gegenleistung. Basis dafür ist der 2013er NAV von 21,33 EUR je Aktie. Der Rest des Akquisitionsbetrages wird über Cash sowie Bond-Finanzierung dargestellt.

Prime Office REIT übernommen
Auch im Büroimmobiliensektor waren kapitalmarktbasierte M&A-Aktivitäten zu verzeichnen. Dabei entsprach der Zusammenschluss der Prime Office REIT AG und des unter dem Namen OCM German Real Estate Holding/German Acorn („OCM“) bekannten deutschen Büroimmobilienportfolios des Private-Equity-Investors Oaktree Capital Management einer de-facto-Übernahme der Prime Office REIT AG („PO“) durch OCM. An der Prime Office REIT AG war Oaktree zu diesem Zeitpunkt bereits mit 7,9% (und später mit 8,4%) als Großaktionär beteiligt. Der Aufbau dieser Beteiligung wurde dabei durch einen relativ hohen NAV-Discount von über 50% bei der PO begünstigt. Der Zusammenschluss erfolgte auf Basis eines Aktientausches. Die Aktionäre der PO REIT AG erhielten für eine Aktie eine der OCM.

Dies basierte auf einer vertraglich fixierten Wertrelation von 38,78% für die Prime Office REIT-AG zu 61,22% für die OCM German Real Estate Holding AG. Zwar ergaben die von beiden Parteien in Auftrag gegebenen und von der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft durchgeführten Unternehmensbewertungen ein für die Aktionäre der Prime Office REIT-AG ungünstigeres Wertverhältnis von 37,99% (Prime Office REIT-AG) zu 62,01% (OCM German Real Estate Holding AG), was die Vorteilhaftigkeit der im Vertrag fixierten Relation für die Prime-Office-Aktionäre dokumentieren sollte. Einige Kapitalmarktteilnehmer und Finanzanalysten kamen aber auf Basis von NAV-Bewertungen und aus ihrer Sicht angemessenen, aus Peer Group-Vergleichen abgeleiteten NAV-Discounts eher zu einer Vorteilhaftigkeit für die Eigentümer von OCM.

Für Oaktree bzw. OCM war dies auch deshalb vorteilhaft, da ein mögliches IPO von OCM aufgrund des hohen Verschuldungsgrades und anderer Unternehmensmerkmale wohl nur zu einem sehr deutlichen NAV-Abschlag möglich gewesen wäre. Mit dem Merger ergab sich ein eleganterer Weg an die Börse ohne IPO.

Fazit
Bei den M&A-Aktivitäten im Immobiliensektor wurde und wird in hohem Maße auf Kapitalmarktprodukte zurückgegriffen. Die gute Aktienmarktsituation wird speziell im Wege von Sachkapitalerhöhungen („Aktie als Akquisitionswährung“) sowie der Begebung von Wandelanleihen effizient genutzt. Damit zeigt sich der deutsche Immobilienaktiensektor nicht nur auf der Höhe der Zeit, sondern demonstriert, wie in Cash-schonender Weise mit Hilfe des Kapitalmarktes auch große M&A-Transaktionen geschultert werden können.

 

 

 

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