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Die ersten Monate der HV-Saison 2025 sind geschafft. Mit Blick auf die DAX-40-Unternehmen zeigt sich, dass sich die virtuelle Hauptversammlung ungebrochener Beliebtheit erfreut; zudem holen sich mehrere Konzerne die Ermächtigung für künftige digitale Veranstaltungen ein. Auf der anderen Seite wechseln einige Unternehmen zum physischen Format zurück bzw. haben für 2026 eine Präsenz­veranstaltung angekündigt. Und schließlich ist da noch der Ruf nach hybriden Aktionärstreffen, der lauter wird. Von Thorsten Schüller

HV Magazin: Herr Schmidt, die Hälfte der HV-Saison 2025 ist bereits vorbei – wie lautet Ihr Zwischenfazit?

Klaus Schmidt, Geschäftsführer, ADEUS Aktienregister-Service-GmbH, Allianz Gruppe

Schmidt: Die HV-Saison ist 2025 bisher sehr gut verlaufen. Wir sehen bei den DAX-40-Gesellschaften auch in diesem Jahr überwiegend virtuelle Veranstaltungen, sodass sich statistisch kaum Veränderungen ergeben. Etwa zwei Drittel der Unternehmen in diesem Segment nutzen auch 2025 das virtuelle Format. Damit hat sich in Summe nicht so viel gegenüber 2024 verändert. Es gibt Veränderungen im ­Detail: So haben einige Häuser das Format gewechselt. BASF und SAP haben entschieden, nachdem nach der COVID-19-Pandemie zunächst wieder Präsenzveranstaltungen durchgeführt wurden, nun ins virtuelle Format zu gehen. Auf der anderen Seite haben Deutsche Börse, Commerzbank und BMW, die im letzten Jahr noch virtuelle HVs hatten, 2025 das Präsenzformat gewählt.

Was sind die Gründe für diese Gesellschaften, das Format zu wechseln?

Zum einen haben BASF und SAP nach ­erfolgreich durchgeführten Präsenz-HVs angekündigt, das virtuelle Format aus­zuprobieren, um eigene Erfahrungen zu sammeln. Auch rückläufige Teilnehmerzahlen bei Präsenzveranstaltungen sind ein Motiv. Für die weitere Entwicklung der HV-Durchführung in der Zukunft werden offensichtlich eigene Erfahrungen mit dem virtuellen Format, insbesondere mit den Livezuschaltungen der Aktionäre, als wichtig angesehen. Erinnert sei daran, dass der Gesetzgeber die Rechteausübung in virtuellen HVs vollständig an die Präsenz-HV angeglichen hat. Aktionäre sind nicht schlechtergestellt. Sie können auf eine persönliche Anreise verzichten. Gerade bei großen Publikumsgesellschaften hat das von einer weitgehend regionalen zu einer überregionalen Beteiligung, auch aus dem Ausland, geführt. Die Entscheidung zur Durchführung von Präsenz-HVs spiegelt wider, dass viele Aktionäre persönliche Treffen als Form der Wertschätzung betrachten. Dementsprechend haben bereits in diesem Jahr einige Häuser wichtige Abstimmpunkte oder personelle Wechsel an der Spitze als Grund für ein Präsenztreffen genannt.

👉 📲 Der Artikel ist im aktuellen HV-Magzin 2/2025 erschienen. Hier geht’s direkt zum E-Magazin.


2025 ist das Jahr der Erneuerung der Satzungsermächtigungen für die ­Abhaltung von virtuellen HVs? Wie sind die Erfahrungen?

Richtig. Im Jahr 2025 haben die meisten DAX-Gesellschaften diesen Punkt auf der Agenda. Das liegt daran, dass nach Inkrafttreten des Gesetzes zur neuen virtuellen HV viele Gesellschaften lediglich für zwei Jahre diese Ermächtigung eingeholt hatten, sodass nun die Erneuerung ansteht. Viele Investoren und Stimmrechtsberater sehen die ausschließliche Fokussierung auf das virtuelle Format kritisch und verlangen, dass in regelmäßigen Abständen oder beim Vorliegen bestimmter Gründe zur Präsenz-HV eingeladen wird. Das wird dazu führen, dass 2026 eine größere Anzahl von Gesellschaften ins Präsenzformat wechselt. Das betrifft z.B. Allianz, Deutsche Bank, Infineon und Siemens Energy, die das im Rahmen der HV-Einberufung bereits angekündigt haben. Zum Saisonstart hatte sich bei Siemens und TUI zwar die deutliche Aktienmehrheit für die virtuelle HV ausgesprochen, dennoch ­wurde die in diesen Fällen notwendige Dreiviertelmehrheit leicht verfehlt, sodass auch hier ein Formatwechsel ansteht. ­Welche Mehrheiten im Einzelfall benötigt werden (ein­fache, Zweidrittel- oder Dreiviertelmehrheit), ist unternehmens- bzw. satzungs­spezifisch. Andere Häuser haben auf der Hauptversammlung 2025 eine ­Präsenz-HV für das kommende Jahr angekündigt, so z.B. die Deutsche Lufthansa, die dann einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden vorstellen wird und 2026 den 100. Jahrestag ihrer erstmaligen Gründung feiert.

Viele Aktionäre schätzen die Flexibilität virtueller Formate und den Komfort, auch ohne Anreise zur HV ­einen Wortbeitrag leisten zu können, ­vermissen jedoch den direkten Austausch untereinander vor Ort.

Was gibt es darüber hinaus zu diesem TOP zu sagen?

Von vielen Investoren und Stimmrechtsberatern wird die explizite Zustimmung des Aufsichtsrats für die Ausübung der Satzungsermächtigungen zur virtuellen HV eingefordert. Dieser Sachverhalt soll am besten aus der Beschlussvorlage für eine solche Satzungsermächtigung oder die veröffentlichte Geschäftsordnung klar hervorgehen – sonst droht eine Negativempfehlung.

Kommen auch Forderungen nach einer hybriden HV?

Ja, der Ruf nach hybriden Hauptversammlungen wird lauter. Viele Aktionäre schätzen die Flexibilität virtueller Formate und den Komfort, auch ohne Anreise zur HV ­einen Wortbeitrag leisten zu können, ­vermissen jedoch den direkten Austausch untereinander vor Ort. Diese Optionen möchte man im hybriden Format kombinieren. Aktionäre sollen selbst entscheiden können, ob sie zur HV anreisen. Von Gesellschaften und Dienstleistern wird erwartet, dass sie die zusätzliche Komplexität beherrschbar und sinnvoll gestalten. Die sicherlich zu erwartenden Mehrkosten einer hybriden HV spielen offensichtlich für viele Aktionäre keine Rolle.

Welche Themen sind darüber hinaus in diesem Jahr interessant?

Seit dem 1. Mai 2025 gibt es eine neue Kostenverordnung für Intermediärsaufwendungen. Das beruht im Wesentlichen auf angepassten Prozessen aufgrund der Zweiten EU-Aktionärsrechterichtlinie bzw. ARUG II. Die letzte Verordnung datiert von 2003 und lief im September dieses Jahres aus. Für Gesellschaften, die Namensaktien ausgegeben haben, ändert sich nicht allzu viel. Die Eintragung ins Aktienregister wird wie bisher abgegolten. Die HV-Abwicklung beruht auf dem Aktienregister, sodass diese Gesellschaften sehr gut den direkten Kontakt zu den Aktionären nutzen können. Bei Inhaberaktiengesellschaften liegt es in der Natur der Sache, dass hier Intermediäre notwendig werden. Für ihre Leistungen können sie Gebühren verlangen, insbesondere – nun geregelt – beim Letztintermediär, der ein Depot für den Aktionär führt. Die Budget­planung in der aktuellen Saison wird für diese Häuser im Zweifel beeinflusst, da in der früheren Kostenverordnung eine Fokussierung auf den Versandprozess bestand.

👉 📲 Der Artikel ist im aktuellen HV-Magzin 2/2025 erschienen. Hier geht’s direkt zum E-Magazin.

Außerdem ist noch erwähnenswert, dass aufgrund des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes auf eine Inkludierung von Vergütungsbericht und eventuell die Darstellung des Vergütungssystems in der HV-Einberufung verzichtet werden konnte. Es ist ausreichend, wenn diese Unterlagen auf der Website zugänglich gemacht werden. Diese Maßnahme hat bei den Gesellschaften und sicher auch beim Bundesanzeiger deutlich entlastend gewirkt.

Und wie ist der Stand beim Prüfer für die Nachhaltigkeitsberichterstattung?

Einige Gesellschaften nehmen diesen Punkt mit auf die Agenda, um die Bestellung des Prüfers dafür vorsorglich einzuholen.

Das Interview führte Thorsten Schüller.

Gesellschaften mit Formatwechsel farblich markiert; Quelle ADEUS

Zum Interviewpartner

Klaus Schmidt

Geschäftsführer,
ADEUS Aktienregister-Service-GmbH,
Allianz Gruppe

klaus.schmidt@adeus.com

Autor/Autorin

Herr Thorsten Schüller
Thorsten Schüller
Freier Wirtschafts- und Finanzjournalist

Freier Wirtschafts- und Finanzjournalist. Für GoingPublic Media betreut er das viermal jährlich erscheinende HV Magazin.