HV-Erfahrung
Ein zweiter nicht zu unterschätzender Vorteil eines externen Versammlungsleiters: Die Versammlung wird durch eine HV-erfahrene Person geleitet. Formalia, Rechte und Pflichten des Versammlungsleiters, Fragen- und Antwortenhandling, Zeitmanagement, Umgang mit Aktionärsanträgen sowie Abstimmungsverfahren sind einige Punkte, die ein Versammlungsleiter beherrschen muss. Ein Aufsichtsratsvorsitzender wird hiermit – in der Regel – neben seinen sonstigen vielfältigen Aufgaben nur einmal im Jahr konfrontiert. Der Leitfaden ist bei aller gebotenen Sorgfalt seiner Vorbereitung nur ein unvollkommenes Hilfsmittel. Eine in der HV-Organisation erfahrene Person kann auf der Klaviatur o.g. Aufgaben spielen, auch ohne dass es des Notenblatts des Leitfadens oder zugereichter Sprechzettel bedürfte. Eine sachgerechte Reaktion auf Ausfälligkeiten eines Aktionärs kann auch der beste Leitfaden nicht vorschreiben. Hierauf einen unerfahrenen Versammlungsleiter vorzubereiten bedarf ausgiebigster Trainingseinheiten.

Konzentration auf Inhalte
Gerade in schwierigen Versammlungen wird eine Vielzahl an Corporate-Governance-Fragen auch an den Aufsichtsratsvorsitzenden gerichtet, das Verweisen auf den schriftlichen Bericht des Aufsichtsrats bzw. das Verlesen desselben reicht dann längst nicht mehr aus. Vielmehr hinterfragen Aktionäre, ob der Aufsichtsrat seiner Überwachungspflicht auch nachkommt. Eine externe Versammlungsleitung entlastet den Vorsitzenden und gibt ihm Gelegenheit, Antwortvorschläge zu prüfen, bevor die tatsächliche Beantwortung erfolgt. Auch in der Vorbereitung der HV kann sich der Aufsichtsratsvorsitzende auf Sachfragen fokussieren – er muss nicht länger den Leitfaden durcharbeiten, sich mit den Abstimmungsverfahren und den Räumlichkeiten und weiteren organisatorischen Details vertraut machen.

Vorbereitungsarbeiten werden verschlankt – im Idealfall ist der externe Versammlungsleiter mit den allgemeinen HV-Usancen derart vertraut, dass er nach kurzer Ortsbegehung und Besprechung des Abstimmungsverfahrens die Leitung unmittelbar übernehmen kann. Aufwändige Abstimmungen bzgl. Leitfaden, Verständnisfragen, Erläuterungen, Generalproben und dgl. können auf ein Minimum reduziert werden bzw. entfallen komplett.

Für wen kommt es infrage?
Es bestehen (neben der grundsätzlichen Bereitschaft) lediglich zwei Voraussetzungen für die externe Versammlungsleitung: Die Satzung der Gesellschaft sollte eine Öffnung dahingehend enthalten, dass für den Fall, dass der Aufsichtsratsvorsitzende die Versammlung nicht leiten kann oder will, der Aufsichtsratsvorsitzende selbst oder auch der Aufsichtsrat bzw. die anwesenden Anteilseignervertreter einen externen Versammlungsleiter für die HV bestimmen können. Ohne eine solche Regelung müsste der externe Versammlungsleiter zu Beginn durch die HV gewählt werden.

Der externe Versammlungsleiter sollte nicht nur mit der HV-Organisation vertraut sein, sondern auch vertrauensvoll mit den Gremien, Dienstleistern und Beratern zusammenarbeiten. Auch wenn Spontanität gewünscht ist, müssen doch ein zuvor besprochener Ablauf und der Leitfaden als Richtschnur befolgt werden. Erwartungen, dass z.B. zuvor nicht besprochene Wechsel des Abstimmungsverfahrens durch einen HV-Dienstleister binnen Sekunden, quasi auf Zuruf, vollzogen werden könnten, dürften sich nicht nur als überzogen, sondern auch als gefährlich erweisen. Doch ein erfahrener externer Versammlungsleiter sollte Limitierungen erkennen, die sich aus den zuvor abgestimmten organisatorischen Gegebenheiten ergeben, und diese in seine Überlegungen, auch zum Zeitmanagement, einbeziehen. Dass die HV-Organisation den Versammlungsleiter umfassend über die HV-relevanten Details informieren muss, versteht sich von selbst.

Fazit
Gerade in kritischen Versammlungen kann ein externer Versammlungsleiter sinnvoll sein, er glättet die Wogen durch eine gewisse Neutralität und ist mit seinen Rechten und Pflichten sowie der HV-Organisation vertraut. Ein Blick in die Satzung zeigt, ob eine Öffnungsklausel den Einsatz ohne Weiteres ermöglicht. Sollte dies nicht der Fall sein, könnte eine entsprechende Satzungsänderung sinnvoll sein.

Der Gastautor Matthias Höreth ist Senior Berater bei HCE Haubrok AG

Der Artikel ist zuerst im HV-Magazin 3-2016 erschienen.

Autor/Autorin