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Appetit auf Wachstum, attraktive Bewertungen, Konsolidierungsdruck in der Branche oder Sondersituationen – die Beweggründe für die Übernahme einer börsennotierten Gesellschaft durch ein ebenfalls börsennotiertes Unternehmen sind vielfältig. Während bei derartigen Transaktionen der Fokus oft auf der Hauptversammlung der Zielgesellschaft liegt, kommt auch der HV des Bieters eine wichtige Funktion zu, die nachstehend beleuchtet wird. Von Marc-Oliver Kurth und Dr. Oliver Rothley

Dass Übernahmen derzeit attraktiv sind, zeigt die Ankündigung der börsennotierten BioNTech SE aus dem Juni 2025, die ebenfalls börsennotierte CureVac N.V. durch ein öffentliches Umtauschangebot übernehmen zu wollen. Gegenüber Finanzinvestoren verfügen börsennotierte Unternehmen als Bieter in einem Übernahmeszenario über einen wichtigen Vorteil: Sie können in Geld bezahlen, müssen es aber nicht. Stattdessen können sie ihre Aktien als Akquisitionswährung einsetzen oder den Aktionären der Zielgesellschaft eine Kombination aus Aktien und Geld als Gegenleistung an­bieten. Bei Umtauschangeboten werden die Aktien des Zielunternehmens in Ak­tien des Bieterunternehmens „umgetauscht“. Wird zusätzlich Geld angeboten, spricht man von kombinierten Bar- und Umtauschangeboten. Weitere bekannte Beispiele für Übernahmen durch börsennotierte Bieter der letzten Jahre sind Vonovia/Deutsche Wohnen, Linde/Praxair oder Aroundtown/TLG.

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Fallen Strukturmaßnahmen in der Folge einer Übernahme oft in die Zuständigkeit der Hauptversammlung der Zielgesellschaft (z.B. Beherrschungs- oder Ergebnisabführungsverträge oder Squeeze-out), kann je nach Art der Transaktion auch die HV des Bieters für wichtige Maßnahmen der Übernahme zuständig sein.

Keine allgemeine Zustimmungskompetenz

Es besteht keine allgemeine Zustimmungskompetenz der HV des börsennotierten Bieterunternehmens bei einer Übernahme. Dies gilt auch, wenn zwischen Bieter- und Zielgesellschaft, wie bei Übernahmen üblich, ein sogenanntes Business Combination Agreement (BCA) abgeschlossen wird – denn weder handelt es sich bei einem BCA um einen verdeckten Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrag, noch greift eine Übernahme per se so schwerwiegend in die Mitgliedsrechte der Aktionäre des Bieters und deren Vermögensinteressen ein, dass sich stets die Hauptversammlung damit zu befassen hätte. Anders wäre dies, wenn die Übernahme nicht durch den Satzungszweck des Bieters gedeckt ist. In diesem Fall muss die HV als Satzungsgeber befasst werden. Derartige Konstellationen dürften allerdings die Ausnahme darstellen.

„Bei Umtauschangeboten werden die Aktien des Zielunternehmens in Aktien des Bieterunternehmens umgetauscht. Wird zusätzlich Geld angeboten, spricht man von kombinierten Bar- und Umtausch­angeboten.“

Bieter-HV bei Finanzierung

In die Zuständigkeit der Hauptversammlung des Bieters fallen aber Maßnahmen zur Finanzierung der Übernahme. Ist für die Aufnahme von Krediten der Vorstand des Bieters verantwortlich, muss bei der Beschaffung von Eigenkapital oder der Ausgabe von Equity-linked-Instrumenten wie Wandelanleihen regelmäßig die HV des Bieters den Rahmen setzen oder die Finanzierung selbst beschließen.

HV bei Barangeboten

Der naheliegendste Fall ist die Beschaffung von Eigenkapital durch eine Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen mit Bezugsrecht der Aktionäre, wenn die Aktien der Zielgesellschaft mittels eines Barangebots erworben werden sollen. Je nach Umfang der Kapitalerhöhung kann dafür eine vorab erteilte Ermächtigung der HV in Form eines genehmigten Kapitals gemäß §§ 202 f. Aktiengesetz genutzt werden. Auf diese Weise finanzierte etwa die Vonovia SE 2021 die Übernahme der Deutsche Wohnen SE. Möglich ist aber auch die Beschlussfassung der Kapitalerhöhung durch die Hauptversammlung selbst, etwa weil der Umfang eines bestehenden genehmigten Kapitals nicht ausreicht. Das Gleiche gilt für die Finanzierung der Übernahme durch Ausgabe von Equity-linked-Instrumenten, deren Ausgabe in die Zuständigkeit der HV gemäß § 221 Aktiengesetz fällt.

Beteiligung bei Umtauschangeboten

Anders als beim Barangebot werden die Aktien der Zielgesellschaft beim Umtauschangebot mit Aktien des börsennotierten Bieters bezahlt. Dabei werden die Aktien der Zielgesellschaft als Sacheinlage in den Bieter eingebracht und als Gegenleistung neue Aktien des Bieters aus einer Kapitalerhöhung ausgegeben. Auch hier kann wieder die HV des Bieters die Kapitalerhöhung gegen Sacheinlagen selbst beschließen – oder aber den Vorstand im Wege des genehmigten Kapitals ermächtigen, die Sachkapitalerhöhung zu einem späteren Zeitpunkt zu beschließen. In beiden Fällen bedarf es des Ausschlusses des Bezugsrechts der bisherigen Aktionäre des Bieters.

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Gesetzgeber und Rechtsprechung haben in den vergangenen Jahren die ­Anforderungen für Anfechtungen von Kapitalmaßnahmen erheblich erhöht. So können Anfechtungen nicht mehr darauf gestützt werden, der Wert der eingebrachten Anteile sei zu niedrig. Auch bei der Frage, welche Detailtiefe der Vorstandsbericht zum Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital ­haben muss, hält es der Bundesgerichtshof für ausreichend, wenn die Maßnahme nur allgemein umschrieben wird. Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn der Vorstand bei der Beschluss­fassung über das genehmigte Kapital bereits konkrete Pläne über die Verwendung für ein Umtauschangebot hat. Hier ist er, vorbehaltlich etwaiger Geheimhaltungsinteressen, verpflichtet, die HV, die die Ermächtigung beschließen soll, und ggf. den Kapitalmarkt über den Verwendungszweck zu informieren.

Eigene Aktien als Akquisitionswährung

Kleinere Umtauschangebote, für die nicht mehr als 10 % der Aktien benötigt werden, kann der börsennotierte Bieter auch mit Aktien bezahlen, die infolge eines Aktienrückkaufs erworben wurden. Voraussetzung ist eine entsprechende Ermächtigung der HV des Bieters. Die Nutzung eigener Aktien ist einfacher als die Sachkapitalerhöhung, es bedarf weder der Eintragung in das Handelsregister noch einer Börsenzulassung.

Fazit

Übernahmen durch börsennotierte Unternehmen sind in verschiedenen Fallkonstellationen möglich. Bieter können Übernahmen in Geld bezahlen oder ihre Aktien als Akquisitionswährung einsetzen. Die HV des Bieters ist dabei für die Finanzierung des Übernahmeangebots zuständig. Um die Vorteile der Börsennotierung kurzfristig nutzen zu können, empfiehlt es sich, die gängigen Vorratsermächtigungen zu Kapitalerhöhungen, Equity-linked-Instrumenten und zum Erwerb und zur Verwendung eigener Aktien regelmäßig zu erneuern.

Autor/Autorin

Marc-Oliver Kurth

LL.M (University of Sydney)
Rechtsanwalt und Partner,
Taylor Wessing Partnerschaftsgesellschaft mbB

Dr. Oliver Rothley

Rechtsanwalt und Partner,
Taylor Wessing Partnerschaftsgesellschaft mbB