Die Gewinnziele für das Jahr 1999 werden verfehlt, so drastisch, daß Mitgründer und Vorstandsvorsitzender Manfred Nerb sich gezwungen sah, seinen Hut zu nehmen.
Dabei ist es noch keine zwei Monate her, daß das Unternehmen in einer ad hoc-Mitteilung am Zielkorridor für das laufende Jahr festgehalten hat. Am 2. November gab NSE bekannt, die Gesamtziele für 1999 seien trotz eines geplatzten 5 Millionen-Auftrags noch immer erreichbar. Weit gefehlt! Ursprünglich rechnete NSE mit einer Umsatzsteigerung auf 81 Mio. DM (Vorjahr 58,5 Mio. DM) und einer Gewinnsteigerung (EBIT) auf 11,2 Mio. DM (Vorjahr: 6,4 Mio. DM). Tatsächlich werde das EBIT auf Vorjahresniveau und der Umsatz wahrscheinlich leicht darüber liegen.
Bei einer solchen Entwicklung sehen Aktionäre selbstverständlich nicht tatenlos zu. Die Emission fand am 20.April 1999 zu 19 Euro am oberen Ende der Bookbuilding-Spanne statt. Lag der erste Kurs bei 22 Euro, so verlor das Papier kontinuierlich an Boden und notierte Gestern nur noch knapp im zweistelligen Bereich bei 10,30 Euro. Wer NSE-Aktien zum ersten Kurs einkaufte, konnte bis Gestern einen Buchverlust von 53 % ausweisen. Alle Achtung!
Dabei hatte doch alles so gut angefangen! NSE hatte sich beim Börsengang Offenheit und Transparenz auf die Fahnen geschrieben. Das reine Familienunternehmen sollte sich zur offenen Publikumsgesellschaft wandeln und damit das Vertrauen der Anleger gewinnen. Im Markt für integrierte Software im Finanzdienstleistungssektor dominierte NSE schon zu Zeiten des Börsengangs und setzte sich das Ziel, von dieser Basis aus international zu expandieren. Noch ist nicht aller Tage Abend, aber der Vorsatz von Offenheit und Transparenz hat sich denkbar schlecht in der Unternehmenskommunikation und –praxis niedergeschlagen. Es wird einige Zeit brauchen, bis NSE sich von dieser Schlappe wieder erholen kann.
Damit kann sich NSE – zumindest für die nächste Zeit – in den ruhmlosen Club der GoingPublic Sorgenkinder einreihen. Darin enthalten sind jene Unternehmen des Neuen Marktes, die sich durch ungenügende Finanzkommunikation, verfehlte Prognosen oder Mißmanagement selbst um das Vertrauen der Anleger gebracht haben. In der nächsten Zeit darf man NSE also in einem Atemzug mit Unternehmen wie DataDesign, FortuneCity, Gigabell, Netlife oder auch TelDaFax nennen. Wenn es wahr ist, daß Vertrauen der Anfang von allem ist, dann ist wohl auch nicht abzustreiten, daß Vertrauensverluste oft das Ende bedeuten. Bleibt zu hoffen, daß NSE fit für einen Neuanfang ist.
Informationen zu einzelnen Unternehmen stellen keine Aufforderung zum Kauf bzw. Verkauf von Aktien dar. Die Kolumne erscheint in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.