Bildnachweis: GoingPublic Media.

Plattform Life Sciences: Der European Circular Bioeconomy Fund (ECBF) widmet sich einem sehr breiten Themenbereich. In welchen Schwerpunktfeldern soll der erste Fonds aktiv werden?

Dr. Brandkamp: Wir beim ECBF konzentrieren uns bei der Auswahl unserer Investments auf das Potenzial von drei Kernfeldern der Bioökonomie: Ernährung/Futtermittel sowie die dazugehörenden Technologien im Agtechbereich zur Produktion von Biomasse; nachhaltige Verpackungen/(Bau-)Materialien, weil Konsumenten immer stärker eine nachhaltige Alternative zu Plastikverpackungen und fossilen Baustoffen wünschen; „special biochemicals“ und Spezialanwendungen wie neue Textilien und Textilrecycling.

Sehen Sie bei knapp unter 200 Mio. EUR im derzeitigen Fundraising noch Luft nach oben?

Sicher – unser angestrebtes Ziel liegt bei 250 Mio. EUR. Damit können wir unser geplantes Businessmodell gut umsetzen. Wir werden Unternehmen mit Wachstumskapital zwischen 5 Mio. und 10 Mio. EUR finanzieren und bei größerem Bedarf mithilfe unserer starken Investorennetzwerke Konsortien zusammenführen. Mit dem zweiten Closing am 15. Dezember 2020 konnten wir bisher neun Investoren aus fünf europäischen Ländern überzeugen, ihr Kapital bereitzustellen – darunter die vier großen Unternehmen Neste (Finnland), Nestlé (Schweiz), Corbion (Niederlande) PreZero (Deutschland) sowie eine Versicherung und zwei Family Offices. Zudem haben wir mit unserem größten Investor, der Europäischen Investitionsbank (EIB), und der NRW.BANK zwei wichtige Finanzinstitute gewinnen können. Wir erwarten, dass noch einige große Unternehmen, Family Offices und Pensionsfonds dazukommen.

Der ECBF ist schon während des Fundraisings aktiv mit Investments. Wie ist der aktuelle Status?

In der Tat. Wir haben bis heute zwei Investments getätigt: in die niederländische PeelPioneers BV und die deutsche Prolupin GmbH. Wir haben aber schon viele spannende Themen mit hohem Potenzial in unserer Pipeline. Unser Ziel ist es, fünf Investments pro Jahr zu machen. Um in den einzelnen europäischen Ländern das Scouting und Screening zu verstärken, bauen wir dazu das ECBF-Team kontinuierlich in ganz Europa aus.

Der ECBF ist etwas ganz Neues, eigentlich selbst ein Start-up. Können Sie auch wie eines agieren oder hängt da viel EU-Bürokratie mit dran?

Ganz richtig, wir sehen uns als Start-up, das wie alle anderen mit der Coronapandemie zu kämpfen hatte. Das europäische Geld kommt nämlich nur, wenn sich auch privates Kapital begeistern lässt, und dazu haben wir den Aufbau aus eigenen privaten Mitteln vorfinanziert. Wir wissen seitdem nur zu gut, wie sich die Gründer fühlen. Von der EU-Bürokratie bleiben wir verschont, da wir als private Investmentgesellschaft aufgestellt sind. Aber wir erfahren große Unterstützung durch die europäischen Institutionen. Daher möchte ich nicht in das übliche Bashing einstimmen, denn wir können vom Green Deal profitieren, werden dort mitgenommen und erleben große Synergien.

Nun kommen Sie vom deutschen High-Tech Gründerfonds (HTGF), sodass sich die Frage aufdrängt: Was nehmen Sie von dort als Best Practice mit?

Der HTGF will in seinem Bereich führender Anbieter sein. Diese Vision teilen wir! Wir streben an, die Nummer eins für Wachstumsfinanzierung im Bereich Bioökonomie/Kreislaufwirtschaft in Europa zu werden. Damit wollen wir Unternehmen auf dem europäischen Markt helfen, nachhaltige Technologie zum Markterfolg zu führen und global erfolgreich zu machen.

Wie sieht dabei Ihre Roadmap aus?

Dafür ist eines ganz wichtig: Expertise! Ein gutes Technologie- und Marktverständnis, um die Potenziale in der Bioökonomie beurteilen und entwickeln zu können. Diese Potenziale sind erheblich. Das haben Unternehmen wie Oatly mit einer Unternehmensbewertung von 2 Mrd. EUR oder Renewcell mit einer Bewertung von 800 Mio. EUR deutlich gezeigt. Zudem benötigt es ein gutes Netzwerk zu Experten in der Bioökonomie, die den Unternehmen bei ihrem Wachstum helfen können; ferner auch ein Verständnis für ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance). Dieses Thema treibt gerade alle um, und wer das verschläft, wird sich plötzlich sehr wundern, dass Investoren sich abwenden. Bioökonomie und Nachhaltigkeit liegen im Trend, was die Akquise von Kapital für attraktive Unternehmen der Bioökonomie erleichtert.

Was wünschen Sie sich noch für den ersten Fonds?

Mit dem ersten Fonds haben wir die Chance, eine Duftmarke zu setzen. Wir werden zeigen, dass die Transformation von der linearen fossilbasierten zu einer biobasierten Kreislaufwirtschaft mit exzellenten Investmentopportunitäten verbunden ist. Unser Team wächst europaweit auf hohem Niveau. Ein gutes Miteinander und die Leidenschaft, unseren Planeten etwas „enkelgerechter“ zu machen, verbinden uns. Heute sind wir ein Start-up, das agil und flexibel agieren kann. Ich wünsche mir, dass wir diesen Geist erhalten und nutzen, um Europa ein kleines Stück zukunftsfähiger zu machen.

Herr Dr. Brandkamp, vielen Dank für das ­Gespräch.

Das Interview führte Dr. Georg Kääb.

 

ZUM INTERVIEWPARTNER

Dr. Michael Brandkamp ist General Partner des European Circular Bioeconomy Fund.

Autor/Autorin