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Es war die Ausgründung des Jahres: Für vier Aktien der A1 Telekom Austria bekamen die Anteilseigner eine Aktie des abge­spaltenen Funkturmgeschäfts, welches seit 22. September als EuroTeleSites AG (ETS) am prime market der Wiener Börse ­notiert. Nun geht es darum, sich gut zu behaupten im Wettbewerb im rasant wachsenden Markt der mobilen Datenkommunikation. Ein Gespräch über Aussichten, Unsicherheiten und das Streben nach Agilität und Unabhängigkeit.

GoingPublic: ETS ist nun seit fast einem Monat an der Börse und das Funkturm­geschäft ist angesichts steigender Datenvolumina rund um den Globus prinzipiell ein wachstumsstarker Bereich. Dennoch sinkt der Börsenkurs seit der Erstnotiz der EuroTeleSites-Aktien; zuletzt lag die Notierung um bis zu 30% unter dem Referenzpreis zum Handelsstart von 4,95 EUR. Wie erklären Sie sich das?

Lars Mosdorf, Finanzvorstand und stellv. Generaldirektor der EuroTeleSiites AG

Lars Mosdorf: Den Erfolg der Abspaltung der Funktürme von der Telekom bemessen wir unter anderem über die erfolgte Wertaufdeckung: Seit Bekanntgabe im Frühjahr ist die Marktkapitalisierung der Telekom um rund 1 Mrd. EUR gestiegen. Diesen Zuwachs haben wir zum Börsengang nicht nur gemeinsam gehalten, sondern unsere ETS-Aktie hat sogar im Schlusskurs mehr als 11% über dem Ausgabepreis geschlossen. Die Aktie der ­Telekom entwickelt sich seit dem Spin-off weiter solide. Eine höhere Volatilität in den ersten Wochen nach dem Börsengang erachten wir als normal. Unser Geschäft ist auf langjährige Umsatzentwicklung und hohe Margen ausgerichtet – deswegen sehen wir kurzfristige Schwankungen aktuell gelassen; insbesondere da einige institutionelle Anleger, die auf die reine Telekommunikation und nicht auf Unternehmen der passiven Infrastruktur spezialisiert sind, quasi automatisch verkauft haben. Vielmehr signalisieren uns unterschiedliche Experten ein hervorragendes Potenzial.

Das Marktumfeld ist zurzeit zudem insgesamt unbeständig. Eine Unsicherheit an den Märkten ist deutlich spürbar. Die Konjunktur entwickelt sich nicht nur zögerlich, sondern Anfang Oktober wurde vom WIFO für Österreich sogar eine leichte Rezession prognostiziert. Die aktuellen Krisenherde in der unmittelbaren Nähe Europas tragen ebenfalls nicht zur Stärkung des Aktienumfelds bei. Insgesamt haben wir also ein schwieriges Marktumfeld.

Hört sich jedenfalls so an, als gehöre auch eine gewisse Schwindelfreiheit zu den Managementqualitäten in diesem Geschäftsfeld. Waren Sie mal auf einem der Funktürme?

Um den Betrieb bestmöglich zu verstehen, ist es mir wichtig, die Verhältnisse vor Ort selbst zu kennen. So bin ich als CFO von Flughäfen beispielsweise regelmäßig auf dem Vorfeld gewesen oder habe auch mal beim Kofferschleppen im Flugzeugrumpf angepackt. Ähnlich geht es mir nun in der passiven Infrastruktur: Ich habe mir sowohl ein Bild von einem Rooftop- als auch von einem Greenfield-Masten gemacht. Selbst in schwindelerregende Höhen zu klettern überlasse ich mit großem Respekt unseren speziell ausgebildeten Profis – immerhin bringen es unsere höchsten Funkmasten auf rund 50 Meter.

Der Börsengang von ETS erfolgte im Zuge einer Abspaltung von der A1 ­Telekom Austria. Für je vier Aktien von A1 erhielten Aktionäre eine ETS-Aktie. Zunächst wurde ETS im prime market der Wiener Börse gelistet, zusätzliche Emissionser­löse generierten Sie mit dem Börsengang erst einmal nicht. Ist eine Kapitalerhöhung oder ein öffentliches Aktienangebot noch auf absehbare Zeit geplant?

Unser Unternehmen ist solide finanziert. Auch für das angestrebte Umsatzwachstum, das auf stetigen Investitionen in Modernisierungen und organischer Erweiterung basiert, sind wir gut aufgestellt. Deswegen haben unsere Mehrheitseigentümer América Móvil und OeBAG mit dem Spin-off keine Kapitalerhöhungen angestrebt. Welchen Finanzierungsbedarf wir mittelfristig sehen und über welche Finanzierungsinstrumente wir diesen dann realisieren, entscheiden wir zu gegebener Zeit.

Die Telekom Austria hat sich mit dem Börsengang auf einen Schlag von Schulden über 1 Mrd. EUR befreit, entsprechend zog auch die Aktie von A1 an der Börse an – aber was hat EuroTeleSites selbst eigentlich von diesem Börsengang?

Mit dem Börsengang läuten wir eine neue Ära in unserer Funkturmsparte ein: Damit wurde das neue Unternehmen EuroTeleSites AG geboren und ist nach Cellnex und INWIT die in Europa dritte börsennotierte TowerCo. Unser Geschäftszweck ändert sich von einem internen zu einem am Markt agierenden Kostencenter, das neutraler und unabhängiger ist. Es ist ein kleines, aber schlagkräftiges Unternehmen, das aufgrund seines Kerngeschäfts auf den Bau und den Betrieb von über 13.000 strategisch gelegenen Standorten spezialisiert ist. Wir sind führender Anbieter von Telekommunikationsinfrastruktur und -lösungen in der CEE-Region und als europäischer Player unter den weltweit Top-30-Tower-Unternehmen ist es unser Ziel, unsere Position als verlässlicher Partner in der Telekommunikationsbranche weiter zu stärken. Zu den Kunden zählen neben A1 als Anchor Tenant auch weitere Mobilfunkbetreiber, Internet Service Provider, Unternehmen und Behörden. Wir liefern zuverlässige und innovative In­frastrukturlösungen, um dem ständig wachsenden Bedarf an Konnektivität in einer globalen Welt gerecht zu werden. Wachstums­potenzial sehen wir in den ländlichen ­Gebieten in Österreich und wir profitieren, wie schon erwähnt, vom starken Wachstum des Datenvolumens und der Notwendigkeit, die Mobilfunknetze zu verdichten.

Sie erzielen Ihre Umsätze zu 95% mit Ihrem ehemaligen Schwesterunternehmen A1 Telekom Austria Group. Wann und wie soll sich das ändern?

Die lang laufenden Verträge mit unserem Schwesterunternehmen A1 geben uns eine verlässliche Basis für unsere Geschäftsentwicklung und für einen Teil unseres Wachstumsvorhabens. Darüber hinaus werden wir unsere Infrastruktur verstärkt sowohl anderen Telekommunikationsanbietern als auch sogenannten Non-MNOs anbieten. Messbar wird das an der sogenannten ­Tenancy Ratio, d.h. an der Anzahl unterschiedlicher Anbieter an einem Mast. Aktuell haben wir eine Tenancy Ratio von 1,22x und planen, diese sukzessive auf 1,44x zu entwickeln. Der Marktdurchschnitt liegt heute bereits bei etwa 2x. Diese Lücke zu füllen ist für uns ein Potenzial.

Sie betreiben Funktürme in ganz Europa. Fast die Hälfte Ihrer Masten mit 4G/5G-Funktechnologie steht in Österreich, rund 6.000 von 13.000 Türmen. Der Rest ist über Osteuropa verteilt. Worin genau besteht die Wachstumsfantasie bei ETS?

Als führender Betreiber von Mobilfunkmasten entwickeln wir die digitale Infrastruktur vom Bodensee bis zum Schwarzen Meer, ­einer Region, in der 31 Millionen Menschen leben. Unsere zuverlässigen und innovativen Infrastrukturlösungen stellen wir neben unserem Kernmarkt Österreich auch in den wachstumsstarken zentraleuropäischen Staaten Slowenien, Kroatien, Bulgarien, ­Republik Serbien und Nordmazedonien bereit. In rund 88% unserer Märkte sind wir bereits heute Marktführer oder auf Platz zwei.

Die starke Nachfrage nach mobiler Kommunikation wird zu einer Verdopplung des heutigen Datenvolumens in nur zwei bis drei Jahren führen (Ericsson Mobility ­Report 2023): Denken Sie an die Art, wie wir mobil arbeiten und in immer smarteren ­Citys leben, an unsere Fortbewegung mit ­einer autonomeren Mobilität oder die Art, wie wir Behördengänge erledigen oder Ärzte konsultieren. Darüber hinaus sprechen wir über moderne Industriestandorte – Stichwort Campusnetze –, wo Unternehmen und andere Organisationen unabhängig von der öffentlichen Mobilfunkinfrastruktur ihre Netzwerke privat zur eigenen Nutzung betreiben können.

Je engmaschiger unser Netz an Funktürmen ist, desto höher sind die Qualität und die Geschwindigkeit der Datenübertragung. Folglich basieren unsere Entwicklungsvorhaben auf robustem Wachstum, hoher Rentabilität und starker Visibilität der Cashflows. Wir haben eine hervorragende Ausgangssituation und die besten Locations, um von diesem Wachstum zu profitieren.

Wagen Sie abschließend noch einen Ausblick: Welche Umsatz-, Ertrags- und Wachstumsziele hat sich ETS vorgenommen?

Wir streben ein jährliches Umsatzwachstum von 4% bis 6% an. Unsere EBITDAaL*-Marge liegt bei 55% und wir erwarten über die Zeit eine zusätzliche, behutsame Entwicklung in den Margen. Zudem investieren wir weiter in unsere Infrastruktur und damit in zusätzliche Umsätze in der Zukunft. Auf einen konkreten Ausblick legen wir uns aktuell nicht fest, wir planen jedoch, transparent und regelmäßig über unsere Geschäftsentwicklung zu berichten.

Herr Mosdorf, besten Dank für Ihre Zeit und die Einblicke ins Unternehmen.

Das Interview führte Simone Boehringer.

Autor/Autorin

Simone Boehringer

Simone Boehringer ist die Redaktionsleiterin "Kapitalmarktmedien" der GoingPublic Media AG.