Robo Advice ist derzeit in aller Munde: In Europa gibt es laut der FinTech-Beratungsboutigue TechFluence 64 Robo Advisor – Angebote von Banken nicht mitgerechnet (Stand: Dezember 2016). In den kommenden Jahren wird eine Erhöhung auf 500 Markteilnehmer erwartet.  Die Prognosen in Sachen Assets under Management bewegen sich zwischen 489 Mrd. USD bis 2020 (Cerulli) und 16 Bio. USD bis 2025 (Financial Times). Von Michael Mellinghoff

Michael Mellinghoff, Managing Direcor bei TechFluence und Senior Advisor des FinTech Forums.
Michael Mellinghoff, Managing Direcor bei TechFluence und Senior Advisor des FinTech Forums.

Großes Wachstum scheint hier vorgezeichnet, auch wenn die aktuell verwalteten Volumina von etwa 100 Mrd. USD weltweit nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Traditionelle Marktteilnehmer in diesem Segment positionieren sich: BlackRock und Goldman Sachs haben sich in den USA früh an FinTech-Startups beteiligt und später übernommen, Broker Charles Schwab und ETF-Anbieter Vanguard sind mit eigenen Lösungen die amerikanischen Vorreiter. Im deutschsprachigen Raum haben ebase, die Deutsche Bank, Santander, UBS oder Union Investment automatisierte Lösungen in Vorbereitung bzw. sind bereits am Markt.

Treiber und Chancen

Treiber der Entwicklung sind u.a. das niedrige Zinsniveau, das hohe Vermögensverwaltungsgebühren leichter transparent werden lässt, eine generelle Kundenunzufriedenheit mit Banken und eine größere gesellschaftliche Akzeptanz digitaler Geschäftsmodelle ausgelöst durch Amazon & Co. sowie das Vorhandensein agiler Startups, die in der Lage sind, kostengünstiger bessere Lösungen anzubieten.

Digitale Vermögensverwalter zielen vornehmlich auf die Klientel, die durch die Überregulierung der vergangenen Jahre von Banken keine individuelle Beratung mehr erhält, da diese wirtschaftlich nicht mehr darstellbar ist, sowie die große Gruppe der Nicht-Anleger, die bisher nicht in Produktivkapital investiert sind („financial inclusion“) – in Deutschland immerhin ungefähr 90% der Bevölkerung. Insbesondere darin liegt die volkswirtschaftliche Chance dieser Marktentwicklung.

Risiko Robo Adviser?

Für einige Beobachter stellt sich die Frage, ob die digitale Vermögensverwaltung eine Gefahr für den Kapitalmarkt darstellen könnte. Hier wird insbesondere die Gefahr des „Herdings“ genannt, nämlich dann, wenn algorithmusgesteuerte Anlagevolumina ähnlich bzw. zu ähnlichen Zeitpunkten allokiert werden. Gedanken in diese Richtung wurden nicht zuletzt kürzlich von den Zentralbank-Präsidenten Dr. Wolfgang Weidmann von der Bundesbank und Mark Carney (Bank of England) im Rahmen eines G20-Treffens geäußert.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt dürfen solche Bedenken als zumindest verfrüht bezeichnet werden. Zum einen sind die Volumina in Robo-Advice-Modellen – wie oben beschrieben – noch verschwindend gering, sodass ein nennenswerter Markteinfluss derzeit auszuschließen ist. Zum anderen ist die Anbietervielfalt schon jetzt hoch und sollte weiter zunehmen, sodass viele unterschiedliche Algorithmen zum Einsatz kommen dürften, insbesondere dann, wenn sich die Anzahl der Anbieter für individuelle Vermögensverwaltung relativ erhöhen sollte. Die Gefahr einer Gleichschaltung wäre damit – auch bei deutlich höheren Anlagevolumina – nochmal erheblich geringer.

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