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Für die Mitarbeiterbeteiligung war 2021 ein ausgesprochen positives Jahr. Die Erhöhung des Freibetrags auf 1.440 EUR zum 1. Juli 2021 ist die weitreichendste Reform der steuerlichen Förderung überhaupt und eine echte Verbesserung für die Beschäftigten und die Unternehmen – aber es besteht nach wie vor Handlungsbedarf. Was ist von der Politik (noch) zu erwarten? 

Für alle, die sich mit dem Thema Mitarbeiterbeteiligung beschäftigen, war es sicherlich die Nachricht des Jahres 2021: Finanzminister Olaf Scholz gab die nochmalige Verdopplung des Freibetrags für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen bekannt. Bereits 2019 hatte sich der Koalitionsausschuss auf die Verdopplung der seit 2009 geltenden Förderung nach § 3 Nr. 39 EStG von 360 auf 720 EUR verständigt. Wenngleich die Mitarbeiterbeteiligung dabei gewissermaßen Teil der Verhandlungsmasse im Zusammenhang mit der Einführung der Grundrente war, konnte dies allein schon als deutlicher Fortschritt gewertet werden.

Verschlungene Pfade

Die nochmalige Verdoppelung von 720 auf 1.440 EUR kam dann völlig überraschend, ist aber wohl maßgeblich auf den nach wie vor hohen Druck vonseiten der Fachverbände und der Start-up-Szene zurückzuführen. Man wollte in erster Linie den Start-ups entgegenkommen, hat dabei aber völlig ignoriert, dass dieser Typus eine andere Förderung der Mitarbeiterbeteiligung benötigt – stattdessen hat man für alle anderen Unternehmen in Deutschland wirklich attraktive Rahmenbedingungen geschaffen. Politik geht manchmal verschlungene Pfade.

Die neue Förderung

Am 22. April 2021 beschloss der Deutsche Bundestag sodann das Fondsstandortgesetz (FoStoG) – darin unter anderem enthalten: die Erhöhung des Freibetrags für Kapitalbeteiligungen auf 1.440 EUR.
Der Freibetrag kann zunächst für die „Zuwendung von Vermögensbeteiligungen“ durch den Arbeitgeber, also für die kostenlose oder vergünstigte Übertragung von Aktien, Genussrechten oder stillen Beteiligungen an die Mitarbeitenden, genutzt werden. Die Zuwendung ist steuer- und sozialabgabenfrei.
Wird der Freibetrag für die Zuwendung vom Arbeitgeber nicht genutzt beziehungsweise nicht vollständig ausgeschöpft, so können die Beschäftigten selbst im Wege einer Entgeltumwandlung die verbleibende Differenz steuerfrei (dann aber nicht sozialabgabenfrei) als Vermögensbeteiligung einbringen.

Die nachgelagerte Besteuerung

Die nachgelagerte Besteuerung (neuer § 19a EStG) ist ein weiteres wichtiges Element der Neuregelung, das für alle jungen KMU gilt und auch auf die Bedürfnisse der Start-ups zielt.
Die Regelung sieht vor, dass die unentgeltliche oder verbilligte Übertragung von Kapitalanteilen zunächst nicht als (geldwerter) Vorteil einkommensteuerpflichtig ist. Die Vermögensbeteiligung ist erst zu versteuern, wenn der oder die begünstigte Mitarbeitende Anteile verkauft beziehungsweise zurückgibt.
Die Beschäftigten müssen also nur dann Steuern zahlen, wenn die Beteiligung bei Verkauf auch werthaltig ist. Scheitert das Unternehmen, fallen keine Steuern an. Damit will der Gesetzgeber dem besonderen unternehmerischen Risiko der Start-ups Rechnung tragen.
Insgesamt bringt die nachgelagerte Besteuerung massive Vorteile, wenn es darum geht, einzelnen Mitarbeitenden oder Führungskräften gesellschaftsrechtliche Beteiligungen in maßgeblichem Umfang zu ermöglichen oder die Unternehmensnachfolge durch Mitarbeiterbeteiligung zu gestalten.
Für die Start-ups ist diese Regelung aber ebenso wenig attraktiv wie die Erhöhung des Freibetrags, weil sie als GmbH firmieren, bei der die Fungibilität der Anteile deutlich eingeschränkt ist.

Auch weiterhin politischer Handlungsbedarf

Mit der neuen Förderung hat der Gesetzgeber die Bedeutung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung im Hinblick auf mehr Vermögensbildung und Teilhabe der Beschäftigten anerkannt und gestärkt. Gleichwohl besteht noch erheblicher politischer Handlungsbedarf, wenn die Mitarbeiterbeteiligung als „Brücke zwischen Kapital und Arbeit“ ausgebaut werden soll. Wie sehen das die vier maßgeblichen Parteien des neuen Deutschen Bundestages?

Die Union hat sich zu diesem Themenfeld am ausführlichsten geäußert und die Mitarbeiterbeteiligung als einen Eckpfeiler ihres wirtschafts- und sozialpolitischen Credos herausgestellt. „‚Wohlstand für alle‘ im 21. Jahrhundert heißt für uns: Vermögensaufbau für alle Menschen attraktiv gestalten. Unser Ziel ist es, die Mitarbeiterkapitalbeteiligung weiter zu verbessern“.

Der Freibetrag soll auf 3.500 EUR erhöht und die vermögenswirksamen Leistungen sollen gestärkt werden. Beteiligungen an Start-ups sollen mit der Schaffung einer eigenen Anteilsklasse erleichtert werden.

„Mit der neuen Förderung hat der Gesetzgeber die Bedeutung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung im Hinblick auf mehr Vermögensbildung und Teilhabe der Beschäftigten anerkannt und gestärkt.“

Neue Regierungsparteien eher zurückhaltend

Die SPD ist zurückhaltender: Grundlage für eine erfolgreiche Vermögensbildung seien zunächst einmal gute Löhne und Gehälter. Mit Blick auf die ungleiche Verteilung der Einkommen und Vermögen sieht man in Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen gleichwohl einen Ansatz zum Gegensteuern. Weitere Verbesserungen für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung sollen aber erst nach einer Evaluation der gerade erst in Kraft getretenen Maßnahmen geprüft werden.

Die Grünen sehen Handlungsbedarf, die Beteiligung der Mitarbeitenden am Produktvermögen auszubauen und neue Formen der Kapitalbeteiligung an Start-up-Unternehmen zu ermöglichen. In einem ersten Schritt sollte der Steuerfreibetrag für Start-ups und KMU auf 5.000 EUR im Jahr angehoben werden. Die nachgelagerte Besteuerung sollte nicht nur jungen, sondern allen Unternehmen ermöglicht werden.

Die FDP bezeichnet die Mitarbeiterkapitalbeteiligung generell als „Eigentumsturbo“, als Chance für den langfristigen Vermögensaufbau für alle Arbeitnehmer. Speziell für Start-ups seien Beteiligungsprogramme zudem unerlässlich, um gut qualifizierte Fachkräfte im internationalen Wettbewerb zu gewinnen. Die nachgelagerte Besteuerung und eine neue Anteilsklassesollen geschaffen werden.

FAZIT

Trotz dieser Bekenntnisse spielt das Thema Mitarbeiterbeteiligung in den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich im Hinblick auf Start-ups will man „Mitarbeiterbeteiligungen im Steuerrecht weiter verbessern“. Dies ist zweifellos eine bislang vernachlässigte beziehungsweise übersehene Aufgabe, die für die Szene und damit für das weitere Gedeihen dieser zukunftsorientierten Unternehmensformen von besonderer Bedeutung ist. Allein weitere steuerliche Anreize oder Vergünstigungen werden nicht zielführend sein, wenn das generelle Problem – die für Mitarbeiterbeteiligung ungünstige Gesellschaftsform der GmbH – nicht angegangen wird.

Zugleich ist die Beschränkung auf „Nachbesserungen bei Start-ups“ bedauerlich, weil die Mitarbeiterbeteiligung insgesamt im Hinblick auf die großen Defizite bei der Vermögensbildung und Vermögensverteilung in Deutschland eine wichtige Rolle spielen kann. Der Freibetrag von 1.440 EUR ist gut; besser wären eine Überarbeitung und eine weitere Ausweitung der Förderung im Kontext einer aktiven Vermögensbildungspolitik. Dies war einstmals, in den 1970er-Jahren, auch ein sozialdemokratisches Kernthema. Vielleicht tut sich da ja noch etwas.

 


Der Beitrag ist Teil des Spezials „Mitarbeiterbeteiligung 2021“.

Autor/Autorin

Dr. Heinrich Beyer

Dr. Heinrich Beyer ist seit 2006 Geschäftsführer des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung – AGP in Kassel. Er berät Unternehmen und ist Autor vielfältiger Publikationen zu den Themen Unternehmensführung und Mitarbeiterbeteiligung.
www.agpev.de