Florian Weber, Vorstandsvorsitzender, Schnigge Wertpapierhandelsbank AG

GoingPublic im Gespräch mit Florian Weber über Lokalkolorit, Sparrings-Partner und Klumpenrisiken.

GoingPublic: Herr Weber, sehen Sie bei Emittenten so etwas wie einen „Home Bias“?

Weber: Wir als Dienstleister müssen uns über unsere Rolle klar sein: An erster Stelle vertreten wir den Emittenten, nicht eine spezielle Regionalbörse. Meine Aufgabe ist es, für den Emittenten das Beste, Sinnvollste und – sofern vereinbar – das Günstigste herauszufinden. Dazu sind wir sogar verpflichtet. Die letztlich Entscheidung trifft der Emittent aus den zwei oder drei Optionen, die wir ihm präsentieren. Unsere Vorschläge an ihn sind ja bereits eine gefilterte Recherche.

GoingPublic: Bringen eventuell Emittenten selbst diese Art Home Bias mit?

Weber: Das kann in einigen Fällen so sein. Zeichnungsaufträge aus dem Großraum Düsseldorf oder Hamburg beispielsweise kommen aber sowieso herein, unabhängig von der Wahl der Regionalbörse. Das geschieht alles online – Heimatbörse oder Lokalkolorit gelten heute so nicht mehr. Innerhalb Deutschlands fließt Geld wirklich „barrierefrei“. Wir haben für unsere Kunden keine spezielle Börsenbrille auf.

GoingPublic: Welche Börse sehen Sie vorne?

Weber: Hier gebührt der Stuttgarter Börse das größte Lob, weil sie als erste diesen Markt für Mittelstandsanleihen erkannt und entsprechend gehandelt hat. Damit war sie anderen voraus und konnte sich das Label „Mittelstandsanleihe“ für eine Weile auf die Fahnen schreiben. Schnigge hatte schon seit 2006 entsprechende Unternehmensanleihen, die wir heute Mittelstandsanleihen nennen würden, im Düsseldorfer Freiverkehr listen lassen, ganz ohne großes Tamtam. Die letzten dieser Art waren Schneekoppe 2010 und Helma 2011.

GoingPublic: Hätte es da nicht nahe gelegen, die Düsseldorfer in die Pole Position zu bringen?

Weber: Durchaus. Aber eine Institution, die öffentlich-rechtlich unterwegs ist, schaut zu aller erst, ob ihr nicht ein möglicher Rohrkrepierer später auf die Füße fallen könnte. Einen Reputationsverlust gilt es zu verhindern, das kommt noch vor dem Sammeln von Lorbeeren. Diese etwas moderate Entscheidungsfreude wurde den einzelnen Regionalbörsen insofern abgenommen, als die erste dann doch erfolgreich gestartet war – prompt, aber vorhersehbar zogen die anderen nach.

GoingPublic: Wo genau war Schnigge bei Mittelstandsanleihen aktiv?

Weber: An erster Stelle bei der Schneekoppe-Emission, die eine der ersten unter diesem neuen Label war. Dann Helma Eigenheimbau, Ariston Real Estate und bei AVW Grund. Klappern gehört zwar zum Handwerk, Schnigge hat sich aber bisher mit einer Rolle im Hintergrund recht wohl gefühlt. Aktuell sind wir z.B. mit der Seidensticker-Anleihe beschäftigt.

GoingPublic: Die Börse Düsseldorf scheint kursmäßig am stabilsten.

Weber: Der Vergleich der Mittelstandssegmente untereinander hinkt teilweise. Bei den Kursentwicklungen hängt der überwiegende Teil an der jeweiligen Branche. So kommt Bondm unvorteilhaft weg, weil in Stuttgart viele der Cleantech-Unternehmen gelistet sind. Bondm schließt Immobilientitel aus, Düsseldorf hat hingegen keinen einzigen Solartitel.

GoingPublic: Also doch ein wenig Lokalkolorit in Bezug auf die Heimatbörse?

Weber: Ich halte Düsseldorf strukturell schon für recht weit vorne, vielleicht sogar ein Stück weit ganz vorne. Zum einen weil sie eine flexible Struktur haben, was die Kapitalmarktpartner angeht. Andere betreiben das ein wenig als Closed Shop. Zum anderen hat die Düsseldorfer Börse von Anfang an gewisse Mindeststandards eingeführt, u.a. was das Rating und die Transparenz angeht. Ob diese Messlatte jeweils hoch genug ist, ist eine andere Frage. Jedes der Mittelstandssegmente hat irgendwo irgendeine Krücke.

Börse Stuttgart

GoingPublic: Was halten Sie von einem Branchenausschluss, wie in Stuttgart, wo Finanz- und Immobilientitel nicht zugelassen sind?

Weber: Da bin ich kein Freund von. So hat Stuttgart als eine Folge davon nun ein Klumpenrisiko im Cleantech- und inzwischen auch Luftfahrtindustrie-Bereich. Branchenausschlüsse können früher oder später ganz heftig auf einen zurückfallen. Wir finden, dass jeder Emittent einzeln auf seine Kapitalmarktfähigkeit hin untersucht werden sollte, unabhängig von seiner jeweiligen Branche. Fällt die negativ aus und der Dienstleister muss Reputationsverluste befürchten, darf man die Emission nicht begleiten.

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