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Mit einer überzeichneten Seed-Runde über 5 Millionen Euro startet Amplifold den Übergang von der Laborforschung zur marktfähigen Schnelltest-Diagnostik. Das Start-up setzt auf DNA-Origami-Nanotechnologie, um Lateral-Flow-Assays deutlich empfindlicher zu machen. Die Finanzierung soll den Umzug ins IZB Martinsried, die Produktentwicklung und die regulatorische Zulassung in Europa ermöglichen.Amplifold will damit auf einen global stark wachsenden Markt reagieren: Der Bereich diagnostischer Schnelltests soll laut Unternehmen bis 2030 ein Volumen von über 80 Mrd. USD erreichen. Von Urs Moesenfechtel
DNA-Origami als Verstärker für ein bekanntes Testformat
Schnelltests funktionieren einfach, sind preiswert und längst Teil der Alltagsdiagnostik. Ihre größte Schwäche bleibt jedoch bestehen: Sie liefern nur dann ein zuverlässiges Ergebnis, wenn genügend Zielmoleküle – etwa Viren, Proteine oder Antikörper – in der Probe vorhanden sind. Amplifold will diese Grenze verschieben. Dazu nutzt das Start-up winzige, aus DNA gefaltete Nanostrukturen als eine Art molekularen Verstärker für Schnelltests. Diese DNA-Origami-Strukturen können an die gleichen Zielmoleküle binden wie ein herkömmlicher Lateral-Flow-Test (LFA), tragen dabei jedoch viele Signalsubstanzen gleichzeitig. Dadurch verstärkt ein einziges gebundenes Zielmolekül das sichtbare Testsignal deutlich stärker als bisher. Auf diese Weise wird ein schwach vorhandener Biomarker – etwa ein Virusprotein oder ein Antikörper – früher und zuverlässiger erkannt. Das Grundprinzip des Schnelltests bleibt dabei unverändert, wird aber um eine nanoskalige Signalverstärkung ergänzt, die die Sensitivität um bis zu zwei Größenordnungen erhöhen kann. In einer Publikation in Nature Communications zeigte das Team aus dem LMU-Labor von Prof. Tim Liedl, dass sich die Sensitivität eines Standardtests so „um bis zu zwei Größenordnungen“ steigern lässt. Damit rückt erstmals die Möglichkeit in Reichweite, diagnostische Ergebnisse mit PCR-ähnlicher Genauigkeit direkt am Point-of-Care und innerhalb von Minuten zu erzielen.
Mitgründer Dr. Maximilian Urban beschreibt die Lücke im bestehenden System: „Lateral-Flow-Tests haben den Zugang zur Diagnostik revolutioniert, aber ihre Sensitivität blieb traditionell hinter den zentralen Laborsystemen zurück. Die DNA-Origami-Signalverstärkung ermöglicht es kostengünstigen Schnelltests, eine Sensitivität auf Instrumentenniveau zu erreichen, ohne das Grundformat zu verändern.”
Mitgründer Dr. Enzo Kopperger betont die industrielle Anschlussfähigkeit: „Was Amplifold einzigartig macht, ist, dass wir eine bis zu 100-fach höhere analytische Sensitivität bieten können – bei nahezu unveränderten Herstellungskosten im Vergleich zu herkömmlichen LFAs. Unsere Architektur ist so konzipiert, dass sie sich in bestehende Fertigungsabläufe einbinden lässt, sodass Partner ihre Assays schnell aufrüsten können, anstatt ihre Produktlinien von Grund auf neu zu entwickeln.“
Überzeichnete Seed-Runde
Die Startkapitalrunde über 5 Mio. EUR wurde von Matterwave Ventures und XISTA Science Ventures angeführt, begleitet von Bayern Kapital, b2venture und Becker Ventures. Mit dem neuen Kapital plant Amplifold drei zentrale Schritte: Zunächst soll das Unternehmen in das IZB Martinsried umziehen, um näher an Laboren, Kliniken und akademischen Partnern arbeiten zu können. Parallel dazu soll die Produktentwicklung skaliert werden, damit die bislang akademisch demonstrierte Technologie in eine industriell belastbare Plattform überführt werden kann. Einschließlich stabiler Produktionsprozesse, Qualitätskontrollen und Belastungstests. Schließlich sollen regulatorische Strukturen aufgebaut und die IVDR-Zulassung des ersten Produkts vorbereitet werden, ein anspruchsvoller Prozess, der valide klinische Leistungsdaten und ein vollständig dokumentiertes Qualitätsmanagementsystem erfordert. Zudem plant Amplifold, sein Produktentwicklungs- und Regulatory-Team weiter auszubauen, um die Plattform schneller in verschiedene diagnostische Anwendungen überführen zu können.
Seltene Kombination aus Marktgröße und technologischem Hebel
Benedikt Kronberger, Partner bei Matterwave Ventures, beschreibt den Investmentcase „Amplifold ist genau die Art von industriellem Deep-Tech-Unternehmen, nach dem wir suchen: ein grundlegender Durchbruch, der auf einen riesigen, bestehenden Markt angewendet wird.“ Dr. Stephan Huber von XISTA Science Ventures blickt auf die Schwächen der Pandemie-Tests zurück: „Die mangelnde Sensitivität ist das einzige Problem, das die Technologie bisher zurückgehalten hat. Amplifold geht genau diesen Punkt mit einem DNA-Nanotechnologie-Ansatz an, der die Sensitivität erhöht und gleichzeitig das einfache Format beibehält, das Schnelltests so praktisch und skalierbar macht.“ Kronberger und Dr. Huber treten dem Vorstand des Unternehmens bei. Auch Bayern Kapital betont das Potenzial der Technologie. „Die DNA-Origami-Technologie von Amplifold hat das Potenzial, diagnostische Schnelltests grundlegend zu verändern – hin zu Laborgenauigkeit in wenigen Minuten, bis zu 100-fach höherer analytischer Empfindlichkeit und direkt am Point-of-Care“, sagt Monika Steger, Geschäftsführerin von Bayern Kapital.
Wo steht Amplifold derzeit?
Amplifold positioniert sich an der Schnittstelle zwischen Nanotechnologie und Diagnostik – einer Kombination, die seit Jahren als vielversprechend gilt, aber nur selten den Sprung in marktfähige Produkte schafft. Entscheidend wird nun, ob sich die im akademischen Umfeld gezeigte hohe Sensitivität auch in industriell gefertigten Tests reproduzieren lässt. Ebenso offen ist, wie zügig das Unternehmen den IVDR-Prozess für ein erstes Produkt durchläuft und ob sich Amplifold langfristig als Technologieanbieter für bestehende Diagnostikunternehmen etabliert oder eigene Schnelltests auf den Markt bringt. Die Vision des Start-ups „Affordability meets Accuracy“ bleibt ambitioniert, ihre Umsetzung hängt jedoch maßgeblich davon ab, wie gut die Plattform skaliert und welchen regulatorischen Belastungstests sie standhält. Anfang 2026 soll IVD-Manager Dr. Federico Bürsgens als CEO das Unternehmen durch diese kritische Phase des Markteintritts und der Skalierung führen – ein Signal dafür, dass Amplifold sich organisatorisch bereits auf die nächste Entwicklungsstufe vorbereitet. Sollte die Technologie wie geplant industrialisiert werden können, eröffnen sich Anwendungsmöglichkeiten weit über Infektionsdiagnostik hinaus – etwa in der Kardiologie oder der neurologischen Frühdiagnostik von Schlaganfällen.
Autor/Autorin
Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.





