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Seit der Gesetzgeber im letzten Sommer den börsen­notierten Unternehmen die Möglichkeit gegeben hat, statt der Präsenzversammlung auch nach Beendigung der Coronapandemie ein ­Aktionärstreffen rein digital durchzuführen, sind die Anteilseigner klar benachteiligt. Die rein virtuelle HV brachte weitreichende Einschnitte bei den Mitwirkungs- und Kontrollrechten der Eigentümerschaft mit sich und sorgt für mangelnde Transparenz.

In der laufenden HV-Saison hat sich die Mehrheit der DAX-Unternehmen für die virtuelle Version nach dem neuen Gesetz zur virtuellen HV entschieden, was für reichlich Kritik bei den Aktionärsvertretern gesorgt hat. Selbst in führenden Wirtschaftsmedien waren kritische Kommentare zu vernehmen – zu Recht, denn die Aktionärsdemokratie lebt ohne Zweifel vom Austausch zwischen den Organen der Gesellschaft und der Eigentümerschaft. Und sie lebt davon, dass spontane Fragen ad hoc beantwortet werden müssen; nur das schafft echte Transparenz. Im virtuellen Format ist dies aber nicht uneingeschränkt gegeben.

Doch es gäbe eine gesetzliche Variante, die beiden Seiten gerecht würde: Während der Sachverständigenanhörung im Bundestag zum Gesetzentwurf hat der Jura­professor Prof. Dr. Heribert Hirte vorgeschlagen, für die Zukunft im Rahmen einer Evaluationsklausel eine hybride Hauptversammlung als einzige Alternative zur Präsenz-HV zu erwägen. Diese Mischung aus Präsenzversammlung und online zugeschalteten Aktionären mit Frage- und Rederecht würde die Möglichkeit des persönlichen und physischen Austauschs für Kleinaktionäre mit der Option einer hohen Teilnehmerzahl verknüpfen – und somit auch die Transparenz deutlich erhöhen.

Leider wurde dieser Vorschlag nicht im Gesetz aufgenommen, dafür aber den Unternehmen die rein virtuelle HV ermöglicht.

Eine um eine Onlinekomponente mit allen technischen Möglichkeiten etwa des virtuellen Wortmeldetischs erweiterte Präsenzversammlung ermöglicht den dringend nötigen kritischen Dialog mit dem Management – sowie für die in Präsenz teilnehmenden Aktionäre auch den Diskurs zwischen den Anteilseignern –, der eben bei rein virtuellen Aktionärsversammlungen nicht stattfindet. Wer aus zeitlichen oder räumlichen Gründen nicht persönlich bei einer Hauptversammlung dabei sein kann, könnte dann über das Internet partizipieren.

Die Mischung macht´s

Bei der hybriden Versammlung handelt es sich um eine Mischform aus virtueller und Präsenzversammlung, bei der ein Teil der Teilnehmer physisch an der Versammlung teilnimmt, während andere Teilnehmer digital zugeschaltet sind und so ihre Rechte voll ausüben. Das Hybridmodell, zwingend als solches eingeführt, verbunden mit dem Verbot oder einer rein virtuellen HV nur mit Ausnahmegenehmigung (wie zu Zeiten der Pandemie) würde auch bei Aktiengesellschaften den Aktionären eine Wahlmöglichkeit lassen, Rechte nicht unnötig einschränken. Für die Unternehmen würde dies eine „Flucht ins Internet“ vor kritischen Aktionären ausschließen.

Autor/Autorin

Robert Peres

Robert Peres ist Rechtsanwalt und Vorsitzender der
Initiative Minderheitsaktionäre e.V.