M&A, China und neue Therapien als Treiber für Healthcare 2020

Ein Marktkommentar von Cyrill Zimmermann, Head Healthcare Funds & Mandates, Bellevue Asset Management

Bildnachweis: BB Bellevue.

Die aktuellen politischen und makroökonomischen Rahmenbedingungen lassen ein gutes Börsenjahr für Gesundheitsinvestments erwarten. Das gilt vor allem für den aktuell größten Gesundheitsmarkt, die USA. Im Präsidentschaftswahlkampf könnten zwar wieder Diskussionen um eine Deckelung der Medikamentenpreise aufkommen. Nach unserer Einschätzung werden diese Debatten aber nur kurzzeitige Kursschwankungen auslösen. Daneben gibt es weitere Themen, die die Kurse der Healthcare-Unternehmen 2020 befeuern könnten, allen voran M&A-Themen und die Entwicklung des Gesundheitsmarktes in China.

Healthcare: Big Pharma kauft sich Wachstumstreiber ein

Nach einer ruhigen Jahresmitte hat das Übernahmekarussell Ende 2019 wieder Fahrt aufgenommen. The Medicines Company wurde von Novartis angegangen, Arqule von Merck & Co. und Synthorx von Sanofi. Mit der 74 Mrd. USD schweren Akquisition von Celgene durch Bristol-Myers Squibb gleich zu Jahresbeginn steht 2019 für eine neue Rekordsumme bei Übernahmen in der biopharmazeutischen Industrie. Wir erwarten, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird. Grund hierfür ist das moderate Wachstum von Pharma-Unternehmen. Konsolidiert wachsen die 19 Unternehmen, welche als „Big Pharma“ bezeichnet werden können, mit rund 3 bis 4% jährlich. Damit liegen die Branchengrößen unter dem Durchschnitt von 5% für die gesamte Gesundheitsbranche.

Gleichzeitig generiert Pharma einen hohen Cashflow und glänzt mit starken Bilanzen. Als Konsequenz dürfte auch 2020 Wachstum zugekauft werden. Bei der Art von Deals erwarten wir ähnliche Szenarien wie zuletzt: Objekte der Begierde sind mittelgroße Biotechfirmen mit Produkten, welche bereits nahe am Markt sind, oder kleinere Gesellschaften, deren Wert in innovativen Technologien liegt.

Die dritte wahrscheinliche Transaktionsart dürfte das „Reshuffling“ innerhalb der Pharmakonzerne sein, also das Veräußern einzelner Geschäftsfelder, die nicht mehr zur Neufokussierung auf Kerngebiete passen. Jüngstes Beispiel ist die Übernahme der Augenheilkundesparte von Takeda Pharma durch Novartis. Als weniger wahrscheinlich erachten wir weitere Mega-Fusionen von großen Pharmafirmen, weil die operativen Herausforderungen bei solchen Deals beträchtlich sind.

China auf der Überholspur

Das chinesische Gesundheitswesen ist auf dem besten Weg, eine hochmoderne, technologiegetriebene Industrie zu werden. Unter dem Motto „Better innovation and better care“ werden Reformschritte in hoher Kadenz durchgepeitscht. Zentralisierte Einkäufe von Generika, die 2020 auf alle Provinzen ausgeweitet werden, sorgen dafür, dass die Preise stark unter Druck kommen. Bereits in den USA zugelassene Generika bestehen nun leicht die geforderten Qualitätstests. Dies wird dazu führen, dass sich der chinesische Generikamarkt erstmalig für internationale Anbieter wie Dr. Reddy’s öffnen wird. Wir erwarten, dass in vier bis fünf Jahren praktisch alle Generika über dieses Verfahren verkauft werden. Dies wird zu einer massiven Konsolidierung von über 5.000 auf mehrere hundert Firmen führen. Gewinner sind die großen lokalen Anbieter, deren Marktanteile sich vervielfachen werden.

Die freiwerdenden Finanzmittel fließen in eigene Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Allein 2020 werden in China rund 150 neue klinische Studien starten. Bereits auf der Hämatologie-Konferenz ASH im Dezember 2019 war ersichtlich, dass China hinter den USA die zweitmeisten Publikationen präsentierte. So zeigte Legend Biotech bei seinem CAR-T Projekt mit veränderten humanen Immunzellen in der Indikation multiples Myelom in einer zweiten Studie Ansprechraten von bislang unerreichten 100%. Wir sind überzeugt, dass dies erst der Anfang ist und einige chinesische Biotechfirmen in den nächsten Jahren international für Furore sorgen werden.

Schlüsseljahr für neue Therapien

Mit 48 Neuzulassungen, die von der FDA genehmigt wurden, war auch 2019 ein starkes Jahr für die Medikamentenhersteller, das deutlich über dem zehnjährigen Schnitt von 36 Medikamenten lag. Viele dieser Arzneien werden 2020 für neues Umsatzwachstum sorgen. Der im Dezember vereidigte neue FDA-Kommissar Stephen Hahn möchte die Zulassung neuer Medikamente weiter beschleunigen. Aus regulatorischer Sicht stehen die Zeichen damit weiter auf Grün.

Die Politik wiederum hat das Hauptproblem der für viele US-Amerikaner unzumutbar hohen Zuzahlungen bei den Medikamentenpreisen erkannt und berät über Lösungsansätze. Damit sollte der Investorenfokus 2020 verstärkt auf die gute fundamentale Verfassung der Biotechbranche schwenken. Die Übernahmeaktivitäten sollten ihre Dynamik beibehalten. Von kommerziell größtem Interesse ist die mögliche Zulassung von Biogens Antikörper Aducanumab für Alzheimer.

Sehr spannend werden auch die klinischen Daten bei Gentherapien. Hier könnte Valrox von Biomarin die erste zugelassene Gentherapie für Hämophilie A werden. Bei Hämophilie B erwartet man die Daten der Zulassungsstudie von Uniqures AMT-061. Daneben gilt den Daten für neurogenerative Krankheiten wie Chorea Huntington oder Parkinson großes Interesse. In der Onkologie stehen neben bispezifischen Antikörpern die zellulären Ansätze im Fokus. Viele kleinere Firmen wie Cellectis, Allogene, Autolus oder Precision Biosciences werden hierzu Daten präsentieren, aber auch etablierte Firmen wie Bluebird Bio, Bristol/Celgene, Gilead/Kite, Novartis und J&J/Legend.

Autor/Autorin

Holger Garbs ist seit 2008 als Redakteur für die GoingPublic Media AG tätig. Er schreibt für die Plattform Life Sciences und die Unternehmeredition.