Bildnachweis: Life Science Factory.

Start frei für Göttingens neue Life-Science-Gründerplattform: Die vom Life-Science-Konzern Sartorius initiierte gemeinnützige Life Science Factory im Sartorius Quartier zwischen Weender Landstraße und Annastraße hat ihre Pforten geöffnet. Die Life Science Factory unterstützt gründungswillige Wissenschaftler sowie junge Firmen bei ihren ersten Schritten außerhalb akademischer Institutionen. Die Einrichtung umfasst 3.300 Quadratmeter auf vier Etagen und beinhaltet S1- und S2-Labore mit modernster Ausstattung, die Makers Factory und vollem Service ebenso wie ein Coworking-Space mit flexiblen oder festen Schreibtischen zum gemeinsamen Arbeiten. Die Veranstaltungsflächen sind ein Treffpunkt für Gründer und sollen den Austausch innerhalb der Community fördern. Darüber hinaus bilden regelmäßige Veranstaltungs-, Mentoring- und Workshop-Angebote einen elementaren Bestandteil des Angebots der Life Science Factory. Gründer sollen von einem umfassenden Beratungsprogramm profitieren.

Life Science Factory: Start-ups ohne Abhängigkeit von Konzernen

Dr. Joachim Kreuzburg, Vorsitzender des Vorstandes, Sartorius AG.

Die Life Science Factory agiert hierbei vollständig unabhängig von Sartorius. Die Stärkung des Standorts stehe immer im Vordergrund, so die Verantwortlichen. Das sei auch wichtig den Gründungsteams gegenüber zu kommunizieren, dass sie sich, anders als bei klassischen Corporate-Inkubatoren, mit einem Einzug in die Life Science Factory nicht in die Abhängigkeit eines Unternehmens begeben. Als Institution und mit seinem präsentiert sich die Life Science Factory vom Programm und den Strukturen her nah an den Bedürfnissen der Start-ups. Gleichzeitig könne man aber bei Bedarf auf die Ressourcen und das Know-how eines Unternehmens wie Sartorius zurückgreifen. Letztlich sei man als Inkubator selbst ein Start-up. Gleichzeitig besitze man aber den Rückhalt eines etablierten Unternehmens und eine langfristige Perspektive.

Curexsys: Therapeutika für die Heilung altersbedingter Krankheiten

Erste Mieter sind bereits eingezogen: Curexsys ist ein auf Exosomen spezialisiertes Start-up, das innovative Therapeutika für die Heilung altersbedingter Krankheiten entwickelt. Gegründet wurde Curexsys Ende 2020 von Dr. Jens Gruber und Dr. Herbert Stadler. Exosomen sind 30 bis 150nm kleine extrazelluläre Vesikel, die von verschiedenen Zelltypen an die Umgebung abgegeben werden. Exosomen beinhalten Proteine und Nukleinsäuren, mit deren Hilfe Zellen untereinander kommunizieren können. Immunmodulierende und entzündungshemmende Effekte von Exosomen wurden nachgewiesen. „Eine Einrichtung wie die Life Science Factory bietet uns beispielsweise die Möglichkeit, wichtige wissenschaftliche Experimente durchführen, ohne dass wir dafür eine eigene aufwendige und kostspielige Ausrüstung anschaffen müssen“, sagte Jens Gruber bereits im August vergangenen Jahres im Rahmen des Roundtable „Biotechnologie“ der Plattform Life Sciences in Göttingen. Dies sei existenziell wichtig für eine Unternehmensgründung. „Daher betrachte ich die Life Science Factory auch als eine großartige Initiative“, so Gruber.

Curexsys verfügt über eine proprietäre Technologie für Exosomen, die auf einem rückstandsfreien Immunaffinitätsprozess basiert, und mit der, zielgerichtete Ansätze für die klinische Anwendung generiert werden können. Zunächst liegt der Fokus auf dem Sicca-Syndrom (besser bekannt als „Trockenes Auge“), einer Entzündungskrankheit, von der etwa jeder fünfte Mensch betroffen ist sowie haut- und skelettbasierten Indikationen. Generell kann Curexsys jedoch ein sehr breites Indikationsspektrum adressieren.

Cinference: Verbindung von Biologie und Datenwissenschaft

Ein weiterer Mieter ist Cinference: Rund 30 Prozent aller Therapien haben eine Proteinkomponente, doch die therapeutische Proteinentwicklung ist kostspielig und dauert zwei bis drei Jahre. Cinference ist ein Biotech-Start-up, das sich auf die Verbindung von Biologie und Datenwissenschaft spezialisiert hat und therapeutische Proteine – De-novo-Proteine – designt. Gegründet wurde das Unternehmen von Christian Wirsching und Cuong To. Ihre Mission ist es, den Proteinentwicklungsprozess auf ein bis zwei Monate zu verkürzen. Dafür nutzt das Unternehmen dateneffiziente Algorithmen in Kombination mit großen AI-Modelle, die auf Millionen von Proteinsequenzen trainiert wurden. So lassen sich 99 Prozent des Designprozesses digital durchzuführen und Designparameter simultan optimieren. Um seine Technologie weiterzuentwickeln ist Cinference bereits erste Partnerschaften mit Pharma-Firmen eingegangen.

Life Science Factory: Projektstart innerhalb von 48 Stunden möglich

Marco Janezic (li.), Gründer und Investor, und Dr. Sven Wagner (re.), Leiter Business Development bei Sartorius.

„Flexible und offen gestaltete Labor-, Büro- und Veranstaltungsflächen sind ein guter Nährboden für Start-ups, um Neues auszuprobieren und Kontakte und Erfahrungen mit Gleichgesinnten und erfahrenen Akteuren zu teilen“, sagt Joachim Kreuzburg, Vorstandsvorsitzender von Sartorius. Die Life Science Factory sei ein weiterer Schritt, Göttingen über die seine wissenschaftliche Stärke hinaus als attraktiven Gründer-Standort für Life Science zu etablieren, so Kreuzburg.

In der Life Science Factory können Start-ups innerhalb von 48 Stunden mit ihren Projekten starten. Sowohl in der Größe als auch in der Ausstattung sind die Labore flexibel und modular auf die jeweiligen Bedürfnisse der Mieter anpassbar und können auch mit dem Start-up mitwachsen, wenn mehr Platz benötigt wird. Zudem gibt es auf den Laborebenen für mehrere Mieter gemeinsam nutzbare Flächen wie Geräteräume für Zentrifugen, Bioreaktoren oder zur Zellkultivierung.

„Wer durch die Life Science Factory geht, sieht, dass es viel Raum für Entwicklerteams, Innovation und Zusammenarbeit gibt. Unsere Mieter können von der Laborbank bis zur kompletten Werkstatt auf alles zugreifen, was sie für den Erfolg ihres Unternehmens brauchen“, sagt Sven Wagner, Co-Geschäftsführer des Inkubators.

Autor/Autorin

Holger Garbs ist seit 2008 als Redakteur für die GoingPublic Media AG tätig. Er schreibt für die Plattform Life Sciences und die Unternehmeredition.