Insbesondere Start-Ups erlebten letztes Jahr einen Finanzierungsboom. Angesichts und des Einbruchs an Biotech-Finanzierungen im ersten Quartal 2025 und der rückläufigen Zahl an M&A-Aktivitäten stellt sich jedoch die Frage, ob der Investoren-Run von 2024 ein einmaliges Phänomen war oder ein dauerhaftes Comeback der Investoren einläutet. Von Stefan Riedel
Für die deutsche Biotechbranche zeichnet der diesjährige Biotechnologie-Report von Ernst & Young (EY) ein gemischtes Bild. Demnach sammelten die Unternehmen 2024 deutlich mehr Kapital als im Vorjahr ein. Ob sich daraus ein genereller Aufwärtstrend ableitet ist allerdings ungewiss, denn diesem Finanzierungsboom folgte im ersten Quartal 2025 ein deutlicher Einbruch.
In der Summe flossen der deutschen Biotechbranche 1,9 Mrd. EUR an frischem Kapital zu. Gegenüber den 1,1 Mrd. EUR vom Vorjahr ist das ein kräftiges Plus von 78%. Allerdings brach die Finanzierungssumme im ersten Quartal 2025 in derselben Größenordnung wieder ein – und zwar von 591 auf 130 Mio. EUR. Rückläufig war dagegen 2024 der Branchenumsatz, der um 8% auf 11 Mrd. EUR sank. Auch die Beschäftigtenzahl verringerte sich um 5% auf 56,093 Angestellte.
Die Kommentare dazu fallen gemischt aus. Klaus Ort, Partner bei EY und Leiter von dessen Marktsegment Life Sciences und Gesundheitswesen, schlägt Alarm. „Angesichts der derzeit schwer berechenbaren Entwicklungen in Bezug auf weltweite Wirtschaftsströme zeigen sich Investoren zurückhaltend. Die allgemeine Unsicherheit droht zu einem massiven Einbruch bei der Biotech-Finanzierung zu führen.“ Deutlich vorsichtiger äußert sich Oliver Schacht, Präsident BIO Deutschland e.V.: „Es ist immer noch recht früh, um zu sagen, ob die Finanzierung 2024 ein einmaliges Erlebnis war.“
Zum Report: https://www.ey.com/de_de/functional/forms/download/2025/05/ey-german-biotechnology-report-2025
Bessere Frühphasenfinanzierung
Der signifikanteste positive Trend zeigte sich 2024 bei der Frühphasenfinanzierung. Das Finanzierungsvolumen von 420 Mio. EUR bedeutet mehr als eine Verdoppelung gegenüber den 207 Mio. EUR, die Biotech-Startups im Jahr zuvor erhielten. Der Wert für 2023 war allerdings die niedrigste Summe seit 2016. Besonders gut schnitten die Seed-Finanzierungen ab. Deren Wert verdreifachte sich 2024 auf 104 Mio. EUR. 13 Beteiligungsfirmen profitierten von diesem Kapitalzufluss.
Oliver Schacht bewertet diese Entwicklung grundsätzlich positiv: „Das Wiederaufleben der Seed-Finanzierung deutet auf eine robuste Pipeline mit innovativen Ideen der deutschen Biotech-Unternehmen hin.“ Allerdings bleibe noch abzuwarten, ob dieser Trend schon ein Indikator für die wachsende Bereitschaft der Investoren sei, aufstrebende Unternehmen zu unterstützen. Umso dringlicher appelliert er an die Politik für mehr finanzielle Rückendeckung: „Die neue Regierung muss jetzt definitiv handeln und die Verfügbarkeit von Venture Kapital hierzulande verbessern.“
Ein Lichtblick war das erste IPO eines deutschen Biotechunternehmens seit 2021. Die Pentixapharm AG aus Würzburg feierte im Oktober 2024 ihre Börsenpremiere als Biotech Spin-Off der auf radioaktive Komponenten für medizinische und industrielle Anwendungen spezialisierten Eckert&Ziegler AG aus Berlin. Das IPO von Pentixapharm ist einer der vier Biotech-Börsengang in Europa im Jahr 2024. Im Vergleich dazu wagten in den USA 26 Biotechs den Schritt auf das Börsenparkett.
Größere Volumina und dafür weniger Deals sind die Tendenz bei den Übernahmeaktivitäten von 2024 in der deutschen Biotechbranche. Zwei große Transaktionen hatten den Hauptanteil an dem auf 3,8 Mrd. EUR gestiegenen M&Wert. EY-Experte Ort sieht den Rückgang der Transaktionszahlen als Indiz für die gewachsenen Herausforderungen für Unternehmen in Deutschland, um M&A Exits zu erreichen.
Klinische Fortschritte
Auch bei den Entwicklungen in der Forschung und Entwicklung zieht der Bericht ein positives Resümee. Ungeachtet der hohen regulatorischen Anforderungen und der wachsenden internationalen Konkurrenz seien die Pipelines der Unternehmen besser gefüllt als in den vergangenen Jahren. Als Beleg nennt er die gegenüber 2023 deutlich gestiegene Zahl an klinischen Studien im fortgeschrittenen Entwicklungsstudium. 98 Wirksamkeitsstudien und damit sechs mehr als im Vorjahr befanden sich in der klinischen Phase 2, während 21 Phase-3-Studien, das sind vier mehr als 2023, wurden von deutschen Biotechs 2024 durchgeführt. Demgegenüber sank die Zahl der Phase-1-Studien von 60 auf 55. Bei den Krankheitsfeldern bleibt die Onkologie mit insgesamt 102 laufenden klinischen Studien die klare Nummer eins.
Für EY-Partner Ort sieht diese Fortschritte prinzipiell als positives Signal, gerade im Hinblick auf den Fokus der Medikamentenentwicklung in Richtung personalisierte Medizin. Zugleich stehe die Branche vor zahlreichen wirtschaftlichen, technologischen und geopolitischen Herausforderungen. Damit die deutsche Biotechnologie diese Hürden besser meistert, verweist er auf drei Hilfsmittel: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und die verstärkte Zusarmmenarbeit mit Partnern.
Zum Report: https://www.ey.com/de_de/functional/forms/download/2025/05/ey-german-biotechnology-report-2025
Autor/Autorin
Stefan Riedel
Stefan Riedel ist freier Autor bei GoingPublic Media und selbständiger Redakteur mit Schwerpunkt Finanzen und Wirtschaft.