Gab es solche Debatten nicht schon immer?
Natürlich, wenn auch in anderem Kontext. Gilead hat beispielsweise ein neues Medikament gegen Hepatitis C auf den Markt gebracht, das die Krankheit im Gegensatz zur damaligen Standardtherapie mit einer hohen Wahrscheinlichkeit vollständig heilt. Der gesamte Pool an Patienten wollte folglich damit auf einen Schlag behandelt werden – was umgekehrt, aber naheliegenderweise die Gesundheitskosten um Milliarden in die Höhe schnellen ließ. Dies wurde damals in den Medien zunächst negativ ausgeschlachtet, jedoch außer Acht lassend, was für einen Mehrwert und Kosteneinsparungen das Medikament auf lange Sicht einbringt.

Und die Kosten für diese Innovation?
Die anfänglichen Kosten von Sovaldi lagen bei rund 90.000 USD für die Gesamtbehandlungsdauer, allerdings gibt Gilead den Krankenkassen rund 50% Preisrabatte, so dass man nicht allzu weit weg von den bisherigen Behandlungskosten für Interferon plus Ribavirin plus Protease-Inhibitor liegt. Jedoch gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen den beiden Therapieansätzen: Die Patienten mit Sofosbuvir werden zu 95% geheilt, und das ohne Behandlungsdauer von acht bis zwölf Wochen, während es bei der Standardtherapie lediglich 50-60% in sechs bis zwölf Monaten inklusive Nebenwirkungen sind. Es ist einleuchtend, dass alle Betroffenen umgehend Zugriff auf Gileads Sofosbuvir wollten. Der pharmaökonomische Effekt ist riesig. Man heilt wirklich nur wenige schwere Krankheiten, aber diesen Durchbruch bei Hepatitis C würde ich als Revolution bezeichnen.

Wie bewertet man solche Innovationen?
Das ist sicherlich eine Schlüsselfrage, und in den USA ist sie mit den diversen Versorgungskassen und -systemen nochmals komplizierter als in Europa, wo man größtenteils staatlichen Institutionen diese Bewertung überlässt. In den USA werden die Marktkräfte mit den verschiedenen Spielern wie Herstellern, Verschreibern (Ärzte), Patienten, Versicherungen und Zwischenhändlern zur Preisgestaltung genutzt. Die Zahler führen hierbei immer häufiger pharma-ökonomische Argumente an, d.h. einen Bezug zwischen dem Nutzen des Medikaments und den assoziierten langfristigen Kosteneinsparungen.

Benötigt man „tiefe Taschen“, wenn man es in der Biotechbranche zu Erfolg bringen möchte?
Die braucht man sicherlich, aber allein für sich genommen ist das nur eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung. Deutschland, um ein Beispiel zu nennen, verfügt selbst gegenüber der relativ kleinen Schweiz über wenige forschende Biotechnologie-Firmen. Dabei spielt unter anderem auch der Mangel an Risikokapital in der Frühphasenfinanzierung eine große Rolle.