Biotech macht Innovation – Big Pharma kauft Innovation

Ein krasses Gegenbeispiel ist die stagnierende Pharma-Industrie. Seit Beginn des Jahrtausends musste die finanzstarke Pharma-Industrie ihre Pipelinelücken durch Einlizenzierungen und Firmenübernahmen auffüllen. Innovationen und zukünftiges Wachstum fand sie in der Biotech-Industrie. Seit 2002 übernahm Big Pharma daher Biotech-Unternehmen mit einer gesamten Marktkapitalisierung von über 150 Mrd. USD. Doch trotz dieser Einkaufstour kämpft Big Pharma weiterhin mit Patentabläufen und Umsatzrückgängen und kann im Prinzip nur durch Restrukturierungen und „financial engineering“ Gewinnwachstum im einstelligen Bereich vorweisen. Das sogenannte Patentklippenjahr 2012 ließ den Eindruck entstehen, Patentabläufe würden künftig weniger bestimmend für die Entwicklung von Big Pharma sein. Eine neue Analyse von UBS (23.6.2014) zeigt jedoch für 2016 allein in den USA die drastische Bedrohung von Markenprodukten. In Zahlen: Jährlichen Rekordumsätzen von 30 Mrd. USD droht der Patentverlust und die Verdrängung durch generische Billigkonkurrenz. Angesichts dieser Gefahr bemüht sich Big Pharma (u.a. Abbott, Pfizer, Merck, Glaxo, Sanofi – WSJ, 3.6.14), größere Portfolios mit älteren Produkten zu verkaufen oder auszugliedern und sich auf Produkte mit schnell wachsenden Umsätzen zu fokussieren – die meist durch Übernahmen von Biotech-Unternehmen erworben wurden.

Aktuelle Entwicklung des Biotech-AktienmarktesNasdaq Biotech Index

Der Nasdaq Biotech-Index gewann im Juni (in EUR) 6,4% und ist damit auf bestem Wege, sein Frühjahrshoch wieder zu erreichen. Nach einer kurzfristigen Korrektur Ende März infolge einer populistischen Diskussion um die Preissetzungsmacht der Biotechunternehmen am Beispiel des Hepatitis-C-Produktes Sovaldi blieb die Erkenntnis, dass diese für innovative Biotechmedikamente ungebrochen ist. Der Fortschritt neuer Therapeutika hinsichtlich Heilung, Lebensrettung oder verlängerter Lebenserwartung bei zugleich besserer Verträglichkeit macht diese Innovationen letztlich unverzichtbar. Die nun neuerliche Begeisterung für den Sektor zeigt sich in einer starken Nachfrage nach IPOs und Finanzierungsdeals, einer Reihe von Übernahmeangeboten (Merck & Co. für Idenix und Abbvie für Shire) sowie positiven klinischen Daten, wie z.B. Vertex’ erfolgreiche Kombinationsstudie bei zystischer Fibrose und im letztlich ergebnisstärksten Quartal der Biotechgeschichte.

Verbesserte finanzielle Ausstattung – in den USAIdenix (WKN A0B7KX)

Die Finanzierungsaktivitäten der Biotechindustrie erreichen neue Höchststände. Bereits im ersten Halbjahr 2014 wurden 31,1 Mrd. USD gehoben, fast so viel wie im gesamten Jahr 2013 (37,1 Mrd. USD; Biocentury, 30.6.2013). Die verbesserte finanzielle Ausstattung kommt insbesondere vielen kleineren Biotechunternehmen und ihren Forschungsprogrammen für innovative Substanzen zugute. Auch die Übernahme von Idenix durch Merck & Co. für 3,9 Mrd. USD (Übernahmeprämie 239% zum Vortagesschlusskurs) lenkte das Interesse auf das Small- und Mid-Cap-Segment des Biotechsektors. Umso überraschender war im Juli die Aussage von Fed-Chefin Yellen, dass Biotech-Small-Caps zu hoch bewertet seien. Dies führte schließlich zu einer Verunsicherung der Märkte und schadete den Small Caps, die im Juli deutlich korrigierten. Doch trotz der sogenannten Biotech-Rally seit Anfang 2012 sind weiterhin über 80% der Biotechunternehmen Small Caps mit einer Bewertung unter 1 Mrd. USD (Biotech-Now, 17.7.14). Die Aussage von Yellen kann man daher so nicht gelten lassen. Hier die Gründe: Das Small-Cap-Segment (Unternehmen mit einer Bewertung unterhalb 1 Mrd. USD) besteht aus Hunderten von Unternehmen. Allein das führende Branchenorgan Biocentury berichtet regelmäßig über 550 Small-Cap-Biotechunternehmen. Das Segment ist extrem diversifiziert. In den Small Caps schlummert die nachwachsende Generation medizinisch-therapeutischer Durchbrüche. Der Innovationspool ist riesig.

Quelle: BiotechNow, 17.7.14
Quelle: BiotechNow, 17.7.14

Fazit

Das Upside-Potenzial echter Small-Cap-Perlen ist enorm. Und genau dieses Segment, von dem Frau Yellen spricht, wird von Analysten vernachlässigt und kaum gecovert. Im Juli stieg der Bewertungsrückstand zu den großen und mittleren Unternehmen. Für Investoren ist das ein guter Zeitpunkt für den Einstieg in dieses Segment. Ein Ende des kurstreibenden Biotechproduktzyklus der Branche ist zudem nicht in Sicht.

Von Harald Schwarz, Geschäftsführer, Medical Strategy

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