Lange Zeit war die Aktienquote in Österreich im internationalen Vergleich recht niedrig.
Das hat sich zuletzt deutlich geändert, wie eine aktuelle Erhebung feststellt. Lag die Quote im Jahr 2016 noch bei 5%, ist sie mittlerweile auf 25% angestiegen. Dabei sind es keinesfalls die Superreichen, die ihr Geld in die Finanzmärkte stecken. Wertpapiere sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen und mittlerweile ein wichtiger Bestandteil der privaten Vorsorge.

Die gern bemühte Geschichte vom elitären Kapitalmarkt hat in Österreich mittlerweile Oscarpotenzial. Auch wenn das Narrativ zu politischen Showzwecken immer wieder neu inszeniert wird – von den „Superreichen“ über „Gulaschkochen und Finanzbildung“ –, mit der Realität hat es schon länger nichts mehr zu tun.

Zur Faktenlage: Lange Zeit hinkte Österreich bei der Aktionärsquote hinterher. Dies hat sich, vor allem befeuert durch die Coronapandemie, dramatisch geändert. Wie bereits in den Jahren davor hat auch 2024 Meinungsforscher Peter Hajek im Auftrag von Aktienforum, Industriellenvereinigung und Wiener Börse das für die ­österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren repräsentative „Aktienbarometer“ erstellt. Dafür wurden im Januar 2024 rund 2.000 Teilnehmer befragt. Die dabei zutage getretene Topografie der Kapitalmarktzustimmung entspricht längst nicht mehr der finanzpolitischen Tiefebene, in der sich Wertpapierbesitz lediglich in homöopathischen Dosen feststellen ließ.

Im Gegenteil: Mittlerweile gleicht die Entwicklung des Wertpapierbesitzes eher einer Berglandschaft. Gaben 2016 nur überschau­bare 5% der Befragten an, Wertpapiere zu besitzen, stieg dieser Wert 2020 auf respektable 14%. Seither ging es noch einmal steil bergauf: Vergangenes Jahr kletterte der Wert auf 25%, 2024 – vor allem durch eine Steigerung beim Anleihebesitz – abermals auf 27%. Darüber hinaus haben 21% der Befragten Interesse, sich künftig ebenfalls zu engagieren.

Von Elite weit entfernt

Damit gelang es dem heimischen Kapitalmarkt, eine Schallmauer zu durchbrechen. Mittlerweile sind mehr als zwei Millionen Österreicherinnen und Österreicher am Kapitalmarkt aktiv. Das ist gleichbedeutend mit dem Ende der Mär von der Aktienelite. Wertpapiere sind damit in der Mitte der Gesellschaft angekommen und ein wichtiger Bestandteil der privaten Vorsorge. Wer weiter anderes behauptet, will den Kapitalmarkt offenbar bewusst ins elitäre Eck rücken. Von den rund zwei Millionen Wertpapiereigentümern verdienen 1,3 Millionen nämlich weniger als 3.000 EUR im Monat. Und: Mehr als die Hälfte jener, die 2023 in den Kapitalmarkt investierten, taten das mit weniger als 5.000 EUR; rund 30% investierten sogar weniger als 1.000 EUR.

Die Mär von den Superreichen

In eine andere Zahl gegossen: 76% der Kapitalmarktanleger verdienen netto weniger als 3.000 EUR. Der Vollständigkeit halber: Das durchschnittliche Nettoeinkommen eines Angestellten in Österreich betrug 2022 monatlich 2.400 EUR. Dies zeigt einmal mehr, dass die Geschichte vom neoliberalen Elitenthema nicht mehr stimmt. Im „Aktienbarometer 2024“ konnten einzementierte Vorurteile gegen Wertpapierbesitz eindeutig widerlegt werden.

Veränderte Motivlage

Dass das Thema Kapitalmarkt immer mehr zum neuen gesellschaftspolitischen Normal wird, zeigt auch ein Blick auf die Investitionsmotive. Auch hier bleibt vom durch Hollywood geprägten Wall-Street-Image nicht viel übrig: An der Spitze steht für die heimischen Anleger das Argument des „langfristigen Vermögensaufbaus“ – 74% finden diesen Aspekt „sehr wichtig“ oder „wichtig“ –, dicht gefolgt vom Motiv „Werterhalt des Geldes“ angesichts aktueller Inflationsraten (70%).

Diese Einstellungsveränderung in der Bevölkerung spiegelt sich allerdings noch nicht in der politischen Landschaft wider. Die im Wiener schwarz-grünen Regierungsprogramm vereinbarten Maßnahmen wie eine Behaltefrist wurde nicht umgesetzt. Damit war zu rechnen. Für die grüne Partei ist jede Vorsorge außerhalb der staatlichen Pension eine Maßnahme für Superreiche. An einem politischen Signal, den Besitz von Aktien und Wertpapieren steuerlich attraktiver zu machen, ist man offensichtlich nicht interessiert. Dies mag daran zweifeln lassen, ob solch eine Politik noch zeitgemäß ist.

Gender Gap geht auf

Trotz des zunehmenden Engagements am Kapitalmarkt bleibt ein Thema nach wie vor virulent, wie die Daten von Meinungsforscher Hajek zeigen: Während mehr als ein Drittel der Männer in Österreich am ­Kapitalmarkt aktiv sind (36%, plus vier Prozentpunkte gegenüber 2023), ist es nicht einmal jede fünfte Frau (19%, plus ein Prozentpunkt). „Der Gender Gap in ­Sachen Aktienbesitz klafft im Vergleich zu 2023 sogar auseinander“, sagt Aktien­forums-Präsidentin Angelika Sommer-­Hemetsberger. Eine größere Lücke tut sich nur bei der Bildungsfrage auf, da 45% der Universitätsabsolventen Wertpapiere besitzen, aber nur 14% der Pflichtschulabgänger. Dass Wertpapiere Männer­sache sind, ist eine stichhaltige wie betrübliche Beschreibung des Status quo.

Equal Shares Day im Juli

Würde man einen geschlechtsbasierten Equal-Shares-Day definieren, wäre er 2024 auf den 11. Juli gefallen. Nach diesem Datum wäre Wertpapierbesitz ein reines Männerthema. 2023 hätte der Equal-Shares-Day erst am 23. Juli stattgefunden. Umso erstaunlicher sind daher Aussagen der grünen Nationalrätin Eva Blimlinger, dass die jungen Leute lieber Gulasch kochen als Finanzbildung lernen sollten. Solche Aussagen sind jenseitig und vor dem Hintergrund unserer Zahlen auch kein Signal an eine moderne Frauenpolitik. Die Lücke im Finanzengagement zwischen Frauen und Männern hat nicht nur Auswirkungen auf die individuellen Erträge. Auch die Pensionslücke wächst entsprechend und damit verbunden das Thema der weiblichen Altersarmut. Laut Statistik Austria (Basis: 2020) kamen Männer im Schnitt auf Bruttopensionen von 2.100 EUR 14-mal pro Jahr, Frauen hingegen nur auf 1.200 EUR. Hier braucht es eine gezielte Förderung von weiblichem Wertpapierbesitz, etwa über einen längst versprochenen Wegfall der Kapitalertragsteuer (KESt) auf länger gehaltene Wertpapiere.

Fazit

Die Aktienquote in Österreich ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Entgegen früheren Annahmen befinden sich unter den Anlegern zahlreiche Menschen mit vergleichsweise niedrigen Einkommen. Das Thema ist damit in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Allerdings engagieren sich nach wie vor deutlich mehr Männer als Frauen am Finanzmarkt. Eine gezieltere finanzpolitische Bildung von Frauen wäre insofern notwendig.

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Autor/Autorin

Karl Fuchs

Karl Fuchs ist Geschäftsführer des Aktienforums – Österreichischer Verband für Aktien-Emittenten und -Investoren.