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Unabhängig davon, ob eine Hauptversammlung virtuell, in Präsenz oder gar hybrid abgehalten wird: Die Generaldebatte ist nach den virtuellen Veranstaltungen 2020 bis 2022 wieder zum Herzstück einer Hauptversammlung geworden. Die Digitalisierung macht auch hier nicht halt, und es stellt sich die Frage: Wie wird das Backoffice der Zukunft aussehen?

Organisation der Fragenbeantwortung

Ob Fragen nun im Wege elektronischer Kommunikation oder vor Ort während der Generaldebatte gestellt werden, bedarf es eines an die Organisationsstruktur des Emittenten angepassten Workflows für eine strukturierte Beantwortung von Fragen durch Vorstand und Aufsichtsrat. Ein Erfahrungswert aus den bisherigen Hauptversammlungen ist, dass die bislang im Backoffice vor Ort zusammengezogenen Experten zunehmend virtuell integriert werden. Die Zeiten von zentralen Backoffices, die halbe Messehallen füllen können, scheint vorbei zu sein.

Ablauf einer digitalen Wortmeldung

Das Konzept eines hybriden Backoffice bedeutet für die Praxis eine Reduzierung für die vor Ort befindlichen Experten. Zusätzlich werden weitere Experten von extern online in den Fragen-und-Antworten-Prozess integriert. Möglich machen dies webbasierte Backoffice-Lösungen.

Hierbei arbeiten alle auf einem Server in der Cloud. Ein Experte im Homeoffice wird ebenso wie der Kollege im HV-Backoffice vor Ort eingebunden. Das Überführen einer Frage in einen separaten und außerhalb des Frage-und-Antwort-Systems befindlichen Workflows (E-Mail, MS Teams etc.) wird dadurch obsolet, was die Zusammenarbeit der Teammitglieder vereinfacht. Damit ermöglicht die webbasierte Lösung der Eingangskoordination, Fragen an Kollegen, welche sich z.B. gerade in Singapur aufhalten, zu übergeben. Somit können Antworten zeitgleich in Singapur und am HV-Ort vorbereitet werden. Ein weiterer Vorteil für die Verwendung eigener Hardware besteht darin, dass jederzeit und ohne Umwege auf benötigte Dokumente und Informationen innerhalb der Unternehmensstruktur zugegriffen werden kann.
Es wird auch nicht bzgl. des Workflows unterschieden; d.h., es ist allen Experten möglich, fertiggestellte Antworten zur Prüfung an die Ausgangskoordination zu übergeben sowie Irrläufer (z.B. falsche Teamzuordnung) und Datensätze mit Teilantworten an die Eingangskoordination, mit der Bitte um Neu- bzw. Umverteilung an ein anderes Team, zurückzuleiten.

Ablauf der Fragenbeantwortung eines hybriden Backoffice

Zusammensetzung der Backoffice-Teams

Eine Aufteilung der Experten vor Ort bzw. online zugeschaltet ist für jede Hauptversammlung individuell zu diskutieren und neu festzulegen, um eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu garantieren. In die Überlegungen müssen sowohl die Organisationsstruktur, die Inhalte und Anzahl der zu erwartenden Fragen als auch unternehmenspolitische Überlegungen einfließen. Diese Kriterien werden für die Aufteilung des Backoffice und des konfigurierten Workflows ausschlaggebend sein.

Grundsätzlich können also Teams mit einem zu erwartenden hohen Fragenaufkommen vor Ort, ggf. zusätzlich unterstützt durch Remote-Experten und damit hybrid, geplant und Teams mit eher weniger Fragen ausschließlich online in den Fragenprozess aufgenommen werden.
Um vor Ort eine themen- und teamübergreifende Zusammenarbeit zu erleichtern, bietet sich eine räumliche Sitzordnung der Teams mit verwandten Themenkomplexen zueinander an: Denn der „kurze Dienstweg“ in Präsenz und die gemeinsame Erarbeitung einer Antwort an nur einem PC ist meist effizienter und zeitsparender.
Des Weiteren kann eine strategische Aufteilung der einzelnen Funktionsgruppen und Expertenteams im Backoffice die Arbeit erleichtern, da eine recht laute und von Diskussionen geprägte Arbeitsumgebung für eine konzentrierte Arbeitsweise hinderlich ist.

Bei den remote zugeschalteten Experten ist bereits im Vorfeld ein Verständnis dafür zu schaffen, dass deren Expertise im Falle einer Fragenzuteilung ohne Verzug abgerufen werden kann. Die Onlineteilnahme an der HV ist gleichberechtigt mit der Arbeit der Kollegen vor Ort, und deren Erreichbarkeit muss zu jeder Zeit der Generaldebatte gewährleistet sein. Die Arbeit für die HV hat uneingeschränkte Priorität und darf durch keine anderen beruflichen Aktivitäten wie beispielsweise Telefonkonferenzen beeinträchtigt werden.

Ein solches Vorgehen ist auch im Interesse der Aktionärinnen und Aktionäre, die ein Recht auf volle Aufmerksamkeit und volle Teilhabe an der Hauptversammlung haben, unabhängig davon, ob sie selbst vor Ort oder auch online zugeschaltet sind.

Vorteile für Emittenten, Experten und Dienstleister

Die Erfahrungen mit hybriden Backoffices sind durchweg positiv. Neben eingesparten Reise- sowie geringeren Raum- und Hardwarekosten ergeben sich auch Erleichterungen für die Mitarbeiter.
So können „Leerlaufzeiten“ im Verlauf der Hauptversammlung im Büro oder auch im Homeoffice i.d.R. für das Unternehmen effizienter genutzt werden. Des Weiteren ergibt sich eine hohe Zeitersparnis für die Mitarbeiter aufgrund der wegfallenden Reisetätigkeit.

Nicht zuletzt profitieren auch die HV-Dienstleister von einem browsergestützten Fragen-und-Antworten-Ablauf, da der Aufwand für Auf- und Abbau sowie die Administration der eingesetzten Hardware deutlich reduziert wird. Insbesondere ist dies an den hoch frequentierten HV-Terminen im Mai und Juni ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Fazit

Die Digitalisierung der Hauptversammlung vor und hinter den Kulissen ist die Zukunft.
Die Flexibilität von hybriden Lösungen bietet Kostenvorteile und ermöglicht einen effizienteren Einsatz der Experten. Alte Zöpfe abzuschneiden und neue Wege zu gehen wird in den kommenden Jahren unumgänglich sein. Die Zeiten, in denen HV-Mitarbeiter nur für wenige Fragen aus mehreren Tausend Kilometern Entfernung eingeflogen werden, sind definitiv vorbei.

Doch die neuen Möglichkeiten dürfen nicht dazu führen, dass die Teams zu groß werden, da sich sonst negative Effekte für den Workflow ergeben könnten. Die dem Umfang und Inhalt der zu erwartenden Fragen angemessene Anzahl an Experten ist bei hybriden Backoffices der essenzielle Bestandteil in der Planung. Denn ganz nach dem Motto mit den Köchen und dem Brei gilt auch hier: Nicht immer hilft viel auch viel.

Autor/Autorin

Markus Feicht

Markus Feicht ist Product Owner Quest bei Computershare  Deutschland GmbH & Co. KG.

Roman Matzinger

Roman Matzinger ist Consultant bei Computershare Deutschland.