Ein pro-aktiver Umgang mit aktivistischen Aktionären kann in vielen Fällen eskalierende Hauptversammlungen vermeiden.

Nutzen für das Unternehmen

Auch wenn sie durch aktive Wahrnehmung ihrer Rechte Aufwand verursachen und für die Gesellschaftsorgane durchaus unangenehm werden können, dürfen aktive Aktionäre keineswegs als notwendiges Übel betrachtet werden. Vielmehr sind sie regelmäßig Dialogpartner und Impulsgeber für die Unternehmensleitung. Entsprechend gaben in einer Studie, die das Deutsche Aktieninstitut in Zusammenarbeit mit McKinsey erstellt hat, auch 85% der Befragten an, aus dem Dialog mit ihren aktiven Aktionären wertvolle Anregungen zur Entwicklung des Unternehmens zu schöpfen.1 Dabei bekommen sie ein gutes Unternehmensverständnis bescheinigt, das bei ihnen höher ausfalle als bei Investmentbanken, Wirtschaftsprüfern und den sonstigen Aktionären. Besonders geschätzt würden zudem ihre Kapitalmarktkenntnisse und ihre methodisch-analytischen Fähigkeiten, durch die sie gut beurteilen könnten, wie sich unternehmerische Entscheidungen auf die langfristige Bewertung am Kapitalmarkt auswirken. „Das macht sie zu geeigneten Gesprächspartnern des Managements bei grundlegenden Richtungsentscheidungen, die naturgemäß mit großer Unsicherheit behaftet sind“, wie es in der Studie weiter heißt. Insgesamt bezeichnen die befragten Unternehmen das Verhältnis zwischen ihnen und den aktiven Aktionären jedenfalls als weitgehend konstruktiv und konsensorientiert. Insofern ist es sicherlich die beste Strategie, pro-aktiv und offen zu kommunizieren und nicht erst bei aufkommendem Shareholder Activism für zusätzliche Transparenz zu sorgen. In jedem Fall sollten öffentliche Auseinandersetzungen und eskalierende Hauptversammlungen vermieden werden.

Dr. Achim Biedermann

Gute Vorbereitung ist alles

Sollten kommunikative Bemühungen im Vorfeld nicht fruchten, beispielsweise weil die Interessen des aktivistischen Shareholders nicht mit denen der Gesellschaft oder anderer Aktionärsgruppen in Einklang zu bringen sind, muss es deshalb darum gehen, bei der Hauptversammlung auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, wie Dr. Achim Biedermann von PR im Turm HV-Services sagt. „Aufgrund der Vorlaufzeit, die mit Ergänzungsanträgen oder der Einberufung eines außerordentlichen Aktionärstreffens verbunden ist, besteht hierfür zumindest ein gewisser zeitlicher Rahmen. Dieser ist allerdings auch konsequent und sinnvoll zu nutzen, sofern Vorstand und Aufsichtsrat das Heft des Handelns möglichst voll umfänglich in der Hand behalten wollen.“

Matthias Nau

Shareholder Identification …

Dazu gehört unter anderem die möglichst breite und intensive Ansprache der Aktionäre, um auf diese Weise die eigenen Standpunkte zu vermitteln, gleichzeitig aber auch für eine hohe Hauptversammlungspräsenz zu sorgen. Neben einer verstärkten Medienarbeit wird hierzu in der Regel ein Proxy-Solicitation-Spezialist eingeschaltet. „Seine Aufgabe besteht zunächst darin, den Aktionärskreis zu identifizieren“, wie Matthias Nau, zuständig für den deutschsprachigen Raum bei Georgeson, sagt. „Dazu werten wir öffentlich zugängliche Informationen aus und schreiben die einschlägigen Depotbanken sowie uns bekannte Investoren an. Selbst bei Inhaberaktien gelingt es uns auf diese Weise, meist 80 bis 90% der Anteile ihren tatsächlichen Besitzern zuzuordnen, während die Aktivisten aufgrund der schlechteren Ausgangslage in der Regel auf maximal 60% kommen werden.“ Anschließend erfolgt die persönliche Ansprache der größeren Aktionäre, wobei dies laut Nau durchaus bis zu 150 sein können.

… und Shareholder Mobilization

Dabei weist der Spezialist darauf hin, dass die relevanten Ansprechpartner meist nicht die Fondsmanager sind, zu denen die Gesellschaft möglicherweise intensive Kontakte pflegt. Vielmehr gibt es in allen größeren Investmentgesellschaften spezielle Verantwortliche, die für sämtliche Corporate-Governance-Themen und damit auch für das Abstimmungsverhalten in den Hauptversammlungen zuständig seien. „Diese Personen sind der Gesellschaft teilweise unbekannt“, sagt Nau. Sehr wichtig sei auch die Einbindung sogenannter Proxy Advisors wie ISS (Institutional Shareholder Service), Glass Lewis oder IVOX. Sie erstellen Analyseberichte, auf deren Basis institutionelle Anleger oftmals ihre Abstimmentscheidung stützen. Für die Mitglieder des BVI werden diese Analysen beispielsweise von IVOX angefertigt. Genauso wie der Aktivist an die Proxy Advisor herantreten wird, um ihnen seine Sichtweise zu erläutern, sollte diese Möglichkeit laut Nau unbedingt auch von der Gesellschaft wahrgenommen werden.