Ob der Aufsichtsrat und dessen Vorsitzender mehr Handlungsbefugnisse brauchen, fragte Dr. Helmut Perlet, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Allianz SE, in seiner Rede. Zur Untersuchung dieser Frage differenzierte Dr. Perlet nach den drei Aufgabenbereichen Personal, Beratung und Überwachung. Er machte hierbei für die Kontrolltätigkeit des Aufsichtsrats zwei klärungsbedürftige Bereiche aus: zum einen der Umfang der Kontrolltätigkeit, zum anderen die Quellen, die der Aufsichtsrat für die Informationsgewinnung nutzen darf. Anders als die traditionelle Sicht, wonach sich der Aufsichtsrat bei der Informationsbeschaffung auf die Vorstandsberichte beschränken soll, ist Dr. Perlet „der festen Überzeugung, dass der Aufsichtsrat heute zumindest direkten Zugriff auf die maßgeblichen Kontrollfunktionen haben sollte“; diese erweiterten Handlungsbefugnisse sollte auch im DCGK festgehalten werden.

Jessica Hallermayer, White & Case LLP
Jessica Hallermayer, White & Case LLP

Ausblick
Nach zweijähriger Pause wird für 2017 eine Kodexnovelle erörtert. Wie bei früheren Änderungen sollen die Neuerungen auch dieses Mal in einem öffentlichen Konsultationsverfahren zur Diskussion gestellt werden. Die erwogenen Änderungen betreffen dabei – anknüpfend an die auf der Kodexkonferenz 2016 behandelten Fragestellungen – vor allem die Unabhängigkeit und den Pflichtenkreis des Aufsichtsrats. Diskutiert wird, ob die vom Aufsichtsrat festzulegende Zahl unabhängiger Mitglieder und die Mitglieder, die vom Aufsichtsrat als unabhängig eingeschätzt werden, namentlich im Aufsichtsratsbericht genannt werden sollen. Die Kodizes der meisten Nachbarländer Deutschlands enthalten zu dem Kriterium der Unabhängigkeit weitaus differenziertere Regelungen; auch vor diesem Hintergrund sieht die Kodexkommission offensichtlich Ergänzungsbedarf. Außerdem soll die Kommunikation des Aufsichtsrats mit Investoren in eine Empfehlung aufgenommen werden, um klarzustellen, dass derartige Gespräche zu aufsichtsratsspezifischen Themen, wie die Berufung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern, das Vergütungssystem für den Vorstand oder die Nachfolgeplanung für den Vorstand durch den Aufsichtsratsvorsitzenden zulässig sind.

Die sich in der Diskussion befindlichen Änderungen des DCGK sorgen für eine weitere Konturierung der Aufgabenbereiche des Aufsichtsrats sowie der Art und Weise der Erfüllung dieser Aufgaben. Insbesondere die Bedeutung der Unabhängigkeit des Aufsichtsrats wird durch sie noch stärker betont. Die Kodexkommission bekennt sich damit ganz im Sinne der Kodexkonferenz 2016 zu dem das deutsche Aktienrecht prägenden dualen System von Vorstand und Aufsichtsrat.

Die Reden von Herrn Dr. Manfred Gentz und Herrn Dr. Helmut Perlet sind auf der Internetseite der Kodexkommission, die Leitsätze für den Dialog zwischen Investor und Aufsichtsrat u.a. auf der DIRK-Internetseite abrufbar.

Zu den Gastautorinnen 

Dr. Julia Sitter berät Emittenten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts bei White & Case LLP. Ein besonderer Fokus liegt auf der Beratung von Vorstand und Aufsichtsrat bei der regelmäßigen Gremienarbeit einschließlich Corporate Governance und Compliance, bei der Vorbereitung und Durchführung von Hauptversammlungen sowie bei Struktur- und Kapitalmaßnahmen. Ferner begleitet Dr. Julia Sitter Mandanten bei gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten.

Jessica Hallermayer  berät im Gesellschaftsrecht, insbesondere in den Bereichen Aktienrecht, Umwandlungsrecht und Kapitalmarktrecht  sowie Mergers & Acquisitions bei White & Case LLP. Besondere Schwerpunkte ihrer Tätigkeit bilden die Beratung börsennotierter Unternehmen sowie gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, einschließlich aktien- und umwandlungsrechtliche Spruchverfahren.

Autor/Autorin