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Die ersten Kalendermonate 2025 sind von einer großen Marktvolatilität geprägt. ESG-­Themen sind durch die zoll­bedingte wirtschaftliche Unsicherheit in den Hintergrund getreten. Die ESG-Rahmenbedingungen verändern sich aber sowohl in Europa als auch in den USA. Von Christof Schwab und Matthias Nau

Im November 2024 hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt, die Wettbewerbsfähigkeit Europas durch den Abbau unnötiger Bürokratie zu stärken und besonders belastende EU-Gesetze ­vereinfachen zu wollen. Die europäischen ­Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards wurden zeitnah überarbeitet und die Anzahl der von den Unternehmen zu berichtenden Datenpunkte erheblich reduziert.

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Mit dem Omnibus-1-Paket wurde unter ­anderem eine Vereinfachung des Nachhaltigkeitsreportings beschlossen, mit dem Ziel, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Die Pflichten der CSDDD, CSRD und EU-Taxonomie sollen erleichtert werden. Der European Green Deal mit dem Ziel der Klima­neutralität im Jahr 2050 wurde nicht infrage gestellt.

USA – Deregulierung und ­Fragmentierung

Während Europa an einheitlichen Reformen arbeitet, sind die Ansätze in den USA unterschiedlich. Die Regulierung im ESG-Umfeld wird zunehmend fragmentiert, da die bundesweiten Klimaschutzvorschriften in den USA ins Stocken geraten. Die Securities and Exchange Commission (SEC) stimmte dafür, ihre Verteidigung der Regeln aufzugeben, die Unternehmen dazu zwingen würden, ihre Kohlenstoffemissionen offenzulegen. Der amtierende SEC-Vorsitzende Mark Uyeda sagte in einer Erklärung, dass „das Ziel der heutigen Aktion der Kommission und der Benachrichtigung des Gerichts darin besteht, die Beteiligung der Kommission an der Verteidigung der kostspieligen und unnötig aufdringlichen Regeln zur Offen­legung des Klimawandels zu beenden.“

Anders sieht es auf der Ebene der Bundesstaaten aus. Kalifornien hat insbesondere mit zwei wegweisenden Klimaschutzgesetzen, SB 253 und SB 261, die Führung übernommen. Beide Regelungen sind Gegenstand laufender Rechtsstreitigkeiten. Neben Kalifornien setzen auch andere Bundesstaaten Pro-ESG-Maßnahmen um, darunter Colorado, Florida, Illinois, Maine, Maryland, New Hampshire, Oregon und Utah.

Net Zero 2050, DEI-Programme

Der neue US-Energieminister, Chris Wright, bezeichnete das Erreichen von Net-Zero-Emissionen bis 2050 als ein „unheilvolles“ und „schreckliches“ Ziel. Es wird sicher noch eine intensive politische Diskussion zu diesem Thema geführt werden. Die Klagen gegen die kalifornischen Klimagesetze werden wahrscheinlich eine gute Orientierung liefern. Die schnellen Austritte von US-Großbanken aus der Net Zero Banking ­Alliance haben aus europäischer Sicht überrascht, zeigen aber, wie schnell sich Rahmenbedingungen ändern. Dies gilt auch für die Executive Order zu DEI-Programmen, die nicht nur US-Firmen, sondern auch viele in den USA tätige ausländische Unternehmen betrifft. Die Einstellung der DEI-­Programme deutscher Firmen in den USA hat auf einigen Hauptversammlungen zu zahlreichen Nachfragen geführt.

Verunsicherung im Assetmanagement­

Im Dezember forderte der von den Republikanern geführte Justizausschuss des Repräsentantenhauses Investmentfirmen auf, ihre Rolle in Netto-Null-Gruppen wie Climate Action 100+ zu erläutern, die er verdächtigte, als „Klimakartell“ zu agieren. Es ging in diesem Fall um ExxonMobil und das Engagement von Climate Action 100+. Für Climate Action 100+ dürfte es zunehmend schwieriger werden, für ihr Engagement in den USA die notwendige Unterstützung zu bekommen.

BlackRock wurde dahin gehend kritisiert, dass ESG-Investitionen den Markt verzerrten und bestimmte Industrien – besonders die fossile Energiebranche – benachteiligten. In einigen Staaten wie Texas und Florida wurden Maßnahmen ergriffen, um staatliches Geld aus BlackRock-Fonds ­abzuziehen, weil das Unternehmen angeblich fossile Brennstoffe boykottierte. BlackRock wurde in der Folge deutlich ­vorsichtiger mit öffentlichen ESG-Positionierungen. Die Abstimmungsrichtlinien wurden ebenfalls angepasst.

Die Herausforderungen der Assetmanager nehmen zu. BlackRock und Vanguard haben nach den Unsicherheiten bzgl. der SEC-Vorgaben, bei einem ESG-Engagement ein 13D-Filing einreichen zu müssen, ESG-Engagements im Vorfeld der Hauptversammlung vorübergehend eingestellt.

Im Jahr 2024 zogen laut Morningstar Inc. Investoren etwa 20 Mrd. USD aus US-ESG-Fonds ab, verglichen mit Abflüssen von ­etwas mehr als 13 Mrd. USD im Jahr zuvor. Im Gegensatz dazu verzeichneten traditionelle Fonds 740 Mrd. USD an neuen Nettoinvestitionen.

Investoren- und Proxy ­Guidelines

Jamie Dimon, CEO von JPMorgan, hat die führenden Proxy-Berater Institutional Share­­holder Services (ISS) und Glass Lewis scharf kritisiert und als „inkompetent“ bezeichnet. In einem Interview bei BlackRocks Rentengipfel in Washington erklärte Dimon, dass diese Firmen zu einem regulatorischen Umfeld beigetragen haben, das Unternehmen aus dem öffentlichen Markt drängt. Die ­zunehmende Einflussnahme von Proxy ­Advisors auf die Abstimmungen der Aktionäre hat dazu beigetragen, dass die Anzahl der börsennotierten Unternehmen in den USA von 7.000 im Jahr 1996 auf weniger als 4.000 im Jahr 2020 gesunken ist.

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Um den Einfluss von Empfehlungen solcher Proxy-Berater zu minimieren, beabsichtigt JPMorgan Asset Management laut Dimon, die Abstimmungsempfehlungen von Dritt­anbieter-Proxy-Beratern bis Ende dieses Jahres aus seinen intern entwickelten ­Abstimmungssystemen zu entfernen. Der Druck auf die Proxy Advisors wird in diesem Umfeld wahrscheinlich noch zunehmen.

 

State Street Global Advisors (SSGA) hat seine US-spezifischen Richtlinien für Stimmrechtsvertretung und Engagement aktualisiert ­(gültig für Versammlungen in den USA ab dem 1. März 2025). Aktualisierungen in diesem Umfang mitten in der HV-Saison sind sehr ­unüblich und zeigen die außergewöhnliche Dynamik im politischen Umfeld. SSGA hat mehrere Änderungen vorgenommen, insbesondere in den Bereichen Zusammensetzung des Vorstands und Verantwortlichkeit der ­Direktoren, Klima und Nachhaltigkeit, Governance und Aktionärsanträge sowie Proxy-Kämpfe. Der Schwerpunkt auf ESG wurde durch einen breiteren und allgemeineren ­Fokus auf Offenlegung und Treuepflicht ersetzt. Es wurde ein Haftungsausschluss hinzugefügt, der betont, dass SSGA „nicht ver­suchen wird, die Kontrolle über solche Portfoliounternehmen zu ändern oder zu beeinflussen“, wenn sie sich engagieren und abstimmen. Der „ESG-Ausschuss“ wurde in „Global Fiduciary and Conduct Committee“ umbenannt.

Ausblick

Die Veränderungen der Rahmenbedingungen kombiniert mit der großen zollbedingten Marktvolatilität haben großen Einfluss auf das Abstimmverhalten. Die Marktvolatilität führt zu stark erhöhtem Volumen bei der Aktienleihe, was dazu führen kann, dass große Bestände nicht abgestimmt werden. Die Dynamik bei Abstimmungsrichtlinien wie auch im Aktionariat machen die Hauptversammlungsvorbereitungen deutlich anspruchsvoller.

Autor/Autorin

Christof Schwab
Director Business Development at  | Website

Christof Schwab verantwortet in seiner Rolle als Director Business Development die Weiterentwicklung des gesamten Dienst­leis­tungsportfolios für Emittenten bei Computershare. Schwab verfügt über 25 Jahre Managementerfahrung in den Berei­chen Business Development und Corporate Finance. Bei einem DAX40-Unternehmen war er als Head of Equity Capital Markets unter anderem für die Vorbereitung und Begleitung von Eigenkapitalmaßnahmen sowie die Organisation von Haupt­ver­sammlungen verantwortlich, bevor er 2016 zu Computershare kam.

Matthias Nau
Head of Market DACH at  | Website

Matthias Nau ist Head of Market DACH Region bei Georgeson.