Ist eigentlich ein transparenter Geschäftsbericht mit hohen Kosten verbunden? Oder anders gefragt: Könnte ein Startup genauso transparent berichten wie ein DAX-Konzern, wenn die nötige offene Einstellung vorhanden ist?

Natürlich verfügt ein DAX30-Konzern in der Regel über größere personelle Ressourcen und ist damit gegenüber einem kleinen IR-Team im Vorteil. Gute Berichterstattung hängt aber, wie Sie treffend anmerken, vor allem von der Bereitschaft zu Transparenz und einer offenen Informationspolitik ab. So wollen zum Beispiel einige Schwergewichte im DAX nicht, dass intern vorhandene Informationen im Geschäftsbericht veröffentlicht werden. Ein Startup, das proaktiv die eigene wirtschaftliche Lage darstellt und die Leser freiwillig über die gesetzlichen und regulatorischen Berichtsanforderungen hinaus informiert, kann auch mit geringerem Kostenaufwand eine transparente Informationspolitik betreiben

Startup-Firmen haben oftmals gegenüber Anlegern einen schweren Stand. Was sollten sie tun, damit ihre Geschäftsberichte und Unternehmensinfos vertrauenswürdig wirken?

Wir stellen bei unserer Analyse immer wieder fest, dass wichtige Angaben in den ungeprüften Imageteil des Geschäftsberichts oder sogar in separate Unternehmenspublikationen „verlagert“ werden. Dies betrifft Angaben zu Standorten, Produkten, Mitarbeitern, wesentliche Ereignisse des Geschäftsjahres sowie die Mehrperiodenübersichten. Außerdem sollten sich Startups nicht davor scheuen, problematische Bereiche im Geschäftsbericht offen anzusprechen. Da sie oftmals keine genauen Prognosen zur künftigen Geschäftsentwicklung abgeben können, sollten sie statt Punktangaben vermehrt Bandbreiten-Angaben oder Szenario-Analysen im Prognosebericht aufführen, also die Entwicklung des eigenen Unternehmens abhängig von der Entwicklung bestimmter Rahmenbedingungen quantifizieren und erläutern. So eine Berichterstattung wirkt auf Anleger vertrauenswürdiger.

Sie haben viel Erfahrung mit Geschäftsberichten und Unternehmensinfos. Woran können Anleger erkennen, dass ein Unternehmen besonders transparent ist?

Es gibt keinen eindeutigen Indikator, der auf eine sehr transparente Berichterstattung hinweist. Generell sollten Anleger darauf achten, ob das Unternehmen die Kerntreiber der Geschäftsentwicklung im Lagebericht offen erläutert und nachhaltige Ergebniskomponenten von Sondereinflüssen separiert werden. Wegen des hohen Interesses der Leser an der Nachhaltigkeit sollten die Unternehmen zudem über die branchenspezifischen Key Performance Indicators berichten. Im Konzernanhang kann man sich gut daran orientieren, ob die wesentlichen Ertrags- und Aufwandspositionen der Gewinn- und Verlustrechnung aufgegliedert werden oder wie auskunftsfreudig zum Beispiel über die Zusammensetzung eines derivativen Firmenwerts berichtet wird. Letztlich lässt sich eine transparente Berichterstattung aber nur ganzheitlich beurteilen, wenn man den Geschäftsbericht mit den 300 Kriterien unserer Checkliste analysiert.

Herr Professor Baetge, Herr Dr. Wünsche, vielen Dank, dass Sie uns wieder Rede und Antwort gestanden haben!

Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge leitet ein Forschungsteam an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und ist Honorarprofessor der Universität Wien. Unter dem Titel „Der beste Geschäftsbericht“ führen er und seine Kollegen seit über 20 Jahren einen Wettbewerb um den inhaltlich besten Geschäftsbericht durch.

Dr. Benedikt Wünsche ist Geschäftsführender Gesellschafter der Baetge Analyse GmbH & Co. KG. Seit 2006 gehört er zum Forschungsteam von Prof. Baetge und betreut Projekte und gutachterliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit Rating, Unternehmensbewertung sowie Bilanzierungs- und Bewertungsfragen.

 

Das Interview führte Thomas Müncher und erschien in gekürzter Fassung im GoingPublic Magazin Special „Geschäftsberichte & Trends“

Autor/Autorin