Vorbereitung ist alles

Die Entscheidung über den Erfolg einer – auch feindlichen – Übernahme liegt letztlich bei den Aktionären. Für sie ist erfahrungsgemäß die Attraktivität der Gegenleistung entscheidend. Eine attraktive Prämie auf den Börsenkurs erhöht die Transaktionswahrscheinlichkeit. Erfolg und Misserfolg der Transaktion hängt nicht von Wohl und Wehe des Verhandlungspartners und individuellem Verhandlungsgeschick ab, sondern von sorgfältiger Vorbereitung und geschicktem strategischen Vorgehen. Bei öffentlichen Übernahmen läuft der Bieter daher nicht Gefahr, dass der Verkäufer „kurz vor Schluss“ abspringt, weil man doch nicht zueinander findet.

Auch der Erwerb einer Minderheitsbeteiligung kann – abhängig von der Strategie des Bieters – bereits ein Erfolg sein. Eine maßgebliche Besetzung des Aufsichtsrats und damit die Bestellung des Vorstands sind oft schon unterhalb der Kontrollschwelle von 30% der Stimmrechte möglich. Ein Investor kann bereits mit weniger als 50% der Anteile über eine stabile Hauptversammlungsmehrheit verfügen und damit wichtige Richtungsentscheidungen, wie Kapitalmaßnahmen oder Gewinnverwendung, kontrollieren. Ein Anteil von über 50% erlaubt eine Konsolidierung. Der Abschluss eines Unternehmensvertrags und die Verschmelzung mit einer anderen Konzerngesellschaft stellen wichtige Maßnahmen zur Eingliederung in die eigene Unternehmensgruppe dar. Die erforderliche Mehrheit von 75% der Stimmrechte wird bei öffentlichen Übernahmen nicht selten eingesammelt – der chinesische Midea-Konzern erreichte bei KUKA knapp 95 %.

Viele deutsche Branchen attraktiv

Das deutsche Übernahmeregime mag gerade auf asiatische Anleger bürokratisch und die Integration der Gesellschaft kompliziert wirken. Bei näherer Betrachtung verliert der rechtliche Rahmen jedoch an Komplexität und gibt den Blick auf seine konsistente und praxisnahe Struktur frei. Seine Relevanz wird bei einer Betrachtung der für chinesische Investoren zukunftsträchtigen Branchen noch deutlicher. Der 13. Fünfjahresplan für die Jahre 2016 bis 2020 und das Strategiepapier „Made in China 2025“ dienen als „Blaupausen“ für weitere Outbound-Investments. Ihr Fokus liegt weiterhin auf technologiebasierten Bereichen wie Biologie- und Medizintechnik, IT, Elektronik und Robotik, aber auch der Pharma- und Gesundheitsbranche (vgl. GoingPublic Magazin 12/2016). Nicht wenige Unternehmen mit einschlägigen Geschäftsfeldern und Knowhow sind hierzulande an der Börse – etwa im TecDAX – gelistet.

Abzuwarten bleiben die ungewohnt protektionistischen Impulse, die die Politik sowohl in Deutschland mit der beabsichtigten Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes als auch in China jüngst angekündigt hat. Einen Entwurf hat das Bundeswirtschaftsministerium bislang nicht vorgelegt, Überschneidungen mit den von Peking avisierten Branchen dürften jedoch kaum überraschen. Doch auch die chinesische Staatsführung will Investitionen im Ausland künftig strenger kontrollieren – auch um einen ungezielten Mittelabfluss ins Ausland zu verhindern.

Diese Entwicklungen dürften jedoch wenig an der Attraktivität deutscher börsennotierter Unternehmen insbesondere für chinesische Investoren ändern. Das deutsche Übernahmeregime stellt ein Planungs- und Umsetzungsinstrument zur Verfügung, das nicht zuletzt gegenüber privaten M&A-Prozessen zahlreiche Vorteile bietet. Die von Peking angepeilten Branchen definieren einen gewissen Fokus – letztlich ist aber kaum ein Unternehmen gegen eine Übernahme „immun“. Diese Unternehmen, wie auch potentielle Investoren, sollten sich daher mit dem deutschen Übernahmerecht zeitnah vertraut machen, um Übernahmeangebote mit der gebotenen Sorgfalt und Professionalität zu meistern.

Die Autoren:

Dr. Lars-Gerrit Lüßmann und Dr. Sebastian Beyer, Taylor WessingDr. Lars-Gerrit Lüßmann ist Rechtsanwalt und Partner im Frankfurter Büro von Taylor Wessing und Co-Head des Bereichs Capital Markets von Taylor Wessing in Deutschland. Er ist spezialisiert auf Kapitalmarkttransaktionen mit Schwerpunkt auf öffentliche Übernahmen und M&A Transaktionen, Aktienplatzierungen und Börsenzulassungen sowie die rechtliche und strategische Beratung von Vorständen und Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen.

Dr. Sebastian Beyer ist Rechtsanwalt im Frankfurter Büro von Taylor Wessing. Er berät schwerpunktmäßig börsennotierte und kapitalmarktorientierte Gesellschaften in allen Bereichen des Aktien- und Kapitalmarktrechts insbesondere bei Kapitalerhöhungen, Börsengängen und öffentlichen Übernahmen.

Der Artikel ist eine Vorabveröffentlichung aus dem aktuellen GoingPublic-Magazin.

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