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Dieser Artikel ist Teil des neuen HV Magazins 1/2025, welches vor kurzem erschienen ist.

 

BGH, Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 22.10.2024 –
II ZR 193/22 – VALORA EFFEKTEN HANDEL AG

Fragen der Beteiligungspublizität sind häufiger Prüfungs- und auch Streitpunkt bei Hauptversammlungen. Grund hierfür ist der Rechtsverlust, den das Gesetz in § 44 WpHG für den Fall anordnet, dass Aktionäre börsennotierter Unternehmen das Erreichen, Überschreiten oder Unter­schreiten der in § 33 Abs. 1 oder 2 WpHG genannten Beteiligungsschwellen nicht oder nicht ordnungsgemäß melden. Für nicht börsennotierte Unternehmen hält § 20 AktG eine entsprechende Regelung bereit. Die meldepflichtigen Beteiligung­schwellen sind hier freilich deutlich groß­zügiger bemessen.

Der gesetzlich angeordnete Rechtsverlust ist nicht umfassend, suspendiert ­also nicht die gesamte Mitgliedschaft. Betroffen sind aber wichtige Verwaltungsrechte wie z.B. das Stimmrecht und das Recht auf Teilnahme an der Hauptversammlung. Der vom Rechtsverlust betroffene Aktionär ist auch nicht (mehr) zur Erhebung von Anfechtungsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse berechtigt. Bei den Vermögensrechten differenziert das Gesetz. Als Grundsatz ordnet es z.B. den Verlust des mitgliedschaftlichen Anspruchs auf den Bilanzgewinn an. Wird die versäumte Meldung allerdings im Nachgang zum Gewinnverwendungsbeschluss nachgeholt und handelte der Aktionär nicht vorsätzlich, so kann er sein Gewinnbezugsrecht doch noch geltend machen.

Beendigung des Rechtsverlusts

In der Praxis kann es vorkommen, dass eine Meldeschwelle zunächst überschritten, vor einer Hauptversammlung dann aber wieder unterschritten wird. Oder es kann die Situation eintreten, dass ein ­Zurechnungstatbestand nach
§ 34 WpHG nur zeitweise erfüllt wird und rechtzeitig vor einer Hauptversammlung endet. Die genannten Ereignisse können zudem auch mehrfach hintereinander stattgefunden haben. In all diesen Fällen stellt sich dann die Frage, welche Maßnahme der Aktionär ergreifen muss, um den Rechtsverlust zumindest für die Zukunft wieder zu beseitigen.

Teilweise wurde in der Literatur argumentiert, eine Nachmeldung würde den Kapitalmarkt eher verwirren als für Klarheit sorgen. Ein Meldeerfordernis sei in den genannten Fällen entbehrlich, da sich die tatsächliche Situation (wieder) an den Meldestand angeglichen habe.

Die Gegenansicht beruft sich auf den ­Gesetzeswortlaut, der auf die Erfüllung der Meldepflicht abstellt. Allerdings gibt es innerhalb dieses Meinungslagers unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Frage, ob die Erfüllung der letzten ­Meldepflicht ausreichend ist oder ob alle etwa versäumten Meldungen nachzuholen sind.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

In dem Fall, der Gegenstand des Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses war, hatte die Gesellschaft den Rechtsverlust einer Aktionärsgruppe vorgetragen, die nach ihrer Auffassung aufgrund wechselseitiger Zurechnung von Stimmrechten nach § 34 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 WpHG (Acting in Concert) die 10%-Schwelle des § 33 Abs. 1 WpHG zunächst über- und später dann wieder unterschritten habe. Gleichwohl habe es weder zu der Über- noch zu der Unterschreitung der Meldeschwelle eine Mitteilung gegeben.

Der Bundesgerichtshof nutzte die Gelegenheit, um sich mit den unterschied­lichen Auffassungen zur Nachholungspflicht auseinanderzusetzen, und positio­nierte sich dahin gehend, dass eine Beendigung des Rechtsverlusts nach § 44 Abs. 1 WpHG nicht rein faktisch, sondern nur durch Erfüllung der Mitteilungspflicht in Betracht kommt. Neben dem Gesetzeswortlaut begründete das Gericht seine Auffassung unter anderem damit, dass der Markt auch bei Fehlen einer Mitteilung von einer Schwellenüberschreitung Kenntnis erlangt haben könnte und somit nur ­eine förmliche ­Mitteilung geeignet sei, die gesetzlich geforderte Beteiligungstransparenz her­zustellen.

Offen ließ der Bundesgerichtshof die Frage, ob die gesamte Schwellenüber- und -unterschreitungshistorie nachgemeldet werden muss, oder ob die Meldung zum letzten Meldetatbestand ausreichend ist. Das ­Gericht musste hierüber nicht entscheiden, da in dem von ihm zu entscheidenden Fall insgesamt keine Mitteilungen abgegeben wurden.

Vorlage an den EuGH

Zu einer Entscheidung über das tatsächliche Vorliegen einer Schwellenüber- und späteren -unterschreitung sah sich das Gericht wegen Zweifeln an der Vereinbarkeit des § 34 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 WpHG mit europäischem Recht (noch) nicht ­berufen. Stattdessen beschloss es die Vorlage der Frage nach der Vereinbarkeit der Regelung mit Art 3 Abs. 1a Unterabs. 4 Ziffer iii der sogenannten Transparenzrichtlinie an den Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Fazit

Wenn die Nachholung von Meldepflichten zur Beendigung eines eingetretenen Rechts­verlusts nach § 44 WpHG oder § 20 Abs. 7 AktG infrage steht, bleibt die Nachholung aller meldepflichtigen Vorgänge auf den ersten Blick der sicherste Weg.

Allerdings ist darauf zu achten, dass die nachgeholten Mitteilungen durchgehend richtig sein müssen. Dies kann gerade in Fällen eines Acting in Concert herausfordernd sein, ist aber erforderlich, damit die Nachmeldungen ihre Wirkung nicht verfehlen. Nicht nur ausgebliebene, sondern auch unrichtige Mitteilungen führen zum Rechtsverlust nach § 44 WpHG oder § 20 Abs. 7 AktG.

Autor/Autorin

Dr. Thomas Zwissler

Dr. Thomas Zwissler ist Rechtsanwalt und Partner bei der ZIRNGIBL Rechts­anwälte Part­nerschaft mbB. Er berät bei gesellschafts-, bank- und kapitalmarktrecht­lichen Fragen sowie in allen Fragen der Unterneh­mens­finan­zie­rung.