Am Markt für Neuemissionen ist es erstaunlich still geworden in den letzten Tagen und Wochen. Die Ferienmonate Juli und August sind zwar nie besonders gute Monate für das Neuemissionsgeschäft gewesen, es gibt jedoch auch fundamentale Gründe, die gegen eine baldige Wiederbelebung sprechen. Zunächst einmal wäre da die allgemeine Schwäche der New Economy-Werte, denn die Investoren sind einfach nicht mehr bereit, den Newcomern jede Story abzukaufen. Viele Märkte sind schon besetzt, neue visionäre Geschäftsideen, die überdies profitabel sind, werden rar. Es reicht eben nicht mehr, irgendwie im e-Commerce mitspielen zu können und einen schicken Internetauftritt zu haben. Mittlerweile können dies auch Unternehmen der vielgescholtenen Old Economy. Überdies haben die etablierten alten Hasen meist auch den längeren Atem, um eine teure e-Commerce-Strategie aufzubauen und zu etablieren.
Mit den vielbemühten Vokabeln „First Mover Advantage“, „Marktführerschaft“ und „USP“ (für Nichtanglizisten: Unique Selling Position) ist es bei vielen Börsenaspiranten oft auch nicht allzu weit her. Der technologische Vorsprung beschränkt sich leider häufig auf ein zusätzliches Ausstatttungsmerkmal gegenüber der Ware oder der Dienstleistung eines Mitbewerbers und ist daher leicht aufholbar. Und der Markt stellt sich häufig als mikroskopisch kleiner Nischenmarkt heraus, auf dem die Grenzen des Wachstums auch schnell erreicht sind. Selbst die Marktführer in Multimilliarden-Märkten müssen ihr Überleben erst noch absichern und sich gegen kleinere Mitbewerber behaupten. Der Preiswettkampf in einigen Segmenten der New Economy nimmt ruinöse Züge an. Wer gibt uns eigentlich die Sicherheit zu glauben, eine Amazon.com könnte es nicht genauso leicht erwischen wie eine kleine B2C-Boutique? Der Abgang des COO Joe Galli läßt jedenfalls nichts Gutes erahnen und fügt sich nahtlos in das Mosaik von schlechten Nachrichten um den weltgrößten Online-Buchhändler.
Auch die Unternehmensgründer sind vorsichtiger geworden und lassen sich von ihren VC-Gebern nicht mehr so leicht zum Börsengang bewegen. Viele wollen lieber erst einmal in Ruhe ihr Geschäft ausbauen und erste vorzeigbare Resultate erzielen, bevor sie sich den kritischen Fragen der Finanzanalysten und institutionellen Investoren aussetzen. Wie ein edler Bordeaux oder eine noble Havanna braucht auch ein gutes Unternehmenskonzept die Zeit zur Reife. Es ist nicht damit getan, mit einer pfiffigen Idee als erster an den Markt (und gleichzeitig an die Börse) zu kommen. Generell wollen die Anleger lieber nackte Zahlen und Fakten sehen als schöne bunte Visionen. Gefragt ist also Geschäftssinn und kaufmännisches Können statt Glitter und Glamour. Zudem wirken graumelierte Mittelständler mit biederen Anzügen von der Stange weitaus beruhigender auf potentielle Anleger als Yuppies mit gegelten Haaren und teuren Designerklamotten. Die Zeit der New Economy Boy Groups ist daher voraussichtlich vorbei.
Doch was kommt danach? Man kann schon jetzt gespannt sein auf die Börsengänge der „Post-New-Economy“. Unter den Kandidaten dieser Generation werden sich hoffentlich wieder Unternehmen befinden, die eine längere Historie sowie ansprechende Geschäftsergebnisse vorweisen können. Auch darf man hoffen, unter den Vorständen wieder wahre Entrepreneure zu entdecken, die auch nach Ablauf der Lock-up Periode ihrem Unternehmen verbunden bleiben, statt Kasse zu machen und sich mit Anfang Dreißig nach Marbella oder Kitzbühel aufs Altenteil zurückzuziehen. Ob die Aktien dieser neuen Value-Companies allerdings das Zeug zu Outperformern haben werden, wird die Zukunft zeigen. Das Risikopotential dürfte jedoch um einiges geringer sein als bei vielen Verlegenheits-IPOs und abgestürzten Überfliegern der vergangenen Wochen und Monate.
Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.