Mittlerweile ist sie allgemein akzeptiert, und es scheint, daß Darwins Theorie auch an der Börse ihre Berechtigung hat. Wer sich dem stetigen Wandel nicht anpaßt, geht unter. Und daß jemand auf der Strecke bleibt, ist auch klar. Denn nur der Stärkste wird überleben.

Am Neuen Markt war Darwin´s Theorie bisher außer Kraft gesetzt. Alles konnte gedeihen, war es auch noch so schwach und kränklich. Vielleicht lag es daran, daß manch ein Anleger erst spät zum Biologie-Unterricht kam. Im Frühjahr jedenfalls war es dann soweit. Das reinigende Gewitter am Neuen Markt setzte ein und begann für neue Klarheit zu sorgen. Der Vorgang ist noch längst nicht vorüber, dennoch gibt es schon erste Resultate. Neben vielen Start-ups in der pre-IPO-Phase ging mit Gigabell dem ersten Wert am Neuen Markt die Puste aus.

Falsche Markteinschätzungen und Fehlentscheidungen bei der Unternehmensstrategie hatten den Finanzplan ins Wanken gebracht. Die Bank wollte nicht mehr in die Bresche springen. Das vorläufige Aus war besiegelt. Was mit dem Kurs geschah, ist Geschichte. Er ratterte vom Hoch bei 130 Euro auf derzeit 1,90 Euro in den Keller. Bitter für den, der bis zuletzt investiert blieb, immerhin wurden (vom Hoch gemessen) rund 734 Mio. Euro vernichtet. Zurück bleibt ein Trümmerhaufen eines Luftschlosses.

Diese traurige Beschreibung trifft auch auf das nächste Unternehmen zu, das im Selektionsprozeß auf der Strecke blieb. Die Rede ist von der teamwork information management AG. Nach nur 15 Monaten am Neuen Markt mußte wegen akuter Zahlungsunfähigkeit Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt werden. Vor einer möglichen Pleite von teamwork warnte GoingPublic als einzige Finanzpublikation bereits im GoingPublic Magazin 8/00.

Die Gründe, die letztlich zur Zahlungsunfähigkeit führten, sind vielfältig. Als Hauptursachen werden unterschätzte Integrationsaufwendungen für Unternehmen angeführt, die im Zuge der Auslandsexpansion nach Frankreich, Polen und Großbritannien akquiriert worden waren. Ein weiterer Stolperstein, der schließlich zum Fall des Paderborner Unternehmens führte, war der Absprung eines Großinvestors, der mit seinen Aktienverkäufen die im Sommer geplante Kapitalerhöhung vereitelte. Den Garaus machte schließlich die Konsortialbank West LB, die sich sträubte, teamwork einen weiteren Kredit zu gewähren.

Es verwundert wenig, daß die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK) fundamentale Mängel im Geschäftsmodell sieht, hing doch teamwork als Anbieter von Software auf IBM Lotus Notes-Basis der überholten Vision des „papierlosen Büros“ an. Bislang vernichtete Anleger-Gelder (vom Hoch gerechnet): 244 Mio. Euro!

So traurig es klingt, aber teamwork ist sicherlich nicht der letzte Pleitekandidat am Neuen Markt gewesen. Das Gewitter hält weiter an. Heißer Anwärter auf die Zahlungsunfähigkeit ist neben musicmusicmusic, Infomatec oder Micrologica speziell Hobby-Gewinnwarner Brain International. Gegenüber dem Emissionspreis hat letzteres Unternehmen mittlerweile 87 % an Wert verloren. Erst in der letzten Woche meldete Brain einen Neun-Monats Umsatz, der kaum über dem des kompletten Vorjahres lag. Der Verlust hingegen wurde von Januar bis September verfünffacht.


Für den Neuer Markt-Investor bedeuten diese Tatsachen also weiterhin Alarmstufe Rot. Vorsicht ist geboten und Stock Picking immer noch oberste Priorität.

Die GoingPublic-Kolumne erscheint börsentäglich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.