Manchmal ist ein Rückblick, auch wenn er nur gut 12 Monate zurück reicht, aufschlußreich: Im Frühjahr 2004 zogen die Rohölpreise stark an. Die ganz überwiegende Mehrzahl der Analysten ging von einem vorübergehenden Phänomen aus. Im Jahresmittel wurden Preise in der OPEC-Range von 22 bis 28 US-$ pro Faß vorhergesagt, einige Beobachter prophezeiten sogar ein Abgleiten unter die Marke von 20 US-$.
Die Schlußfolgerung lautete also: Ölaktien lieber untergewichten, bei damals aktuellen KGVs von im Mittel 13 bis 17 drohten Kursverluste, weil das Ertragsniveau nicht zu halten sei. Wie man heute weiß, hatte der Ölpreis keine Mühe, neue Rekordstände jenseits von 50 US-$ pro Barrel zu markieren. Die Berichtssaison der Multis brachte Rekordgewinne. ExxonMobil zum Beispiel verbuchte mit einem Gewinn von mehr als 8 Mrd. US-$ im 4. Quartal den höchsten Periodenüberschuß, den je ein Unternehmen auf Erden verzeichnen konnte.
Die Aktien der Branchengrößen sind in den vergangenen Monaten besser als der Gesamtmarkt gelaufen, aber bis auf einzelne Highflyer wie die österreichische OMV nicht so gut, wie es die aktuelle Gewinnsituation erlaubt hätte. Das heißt: Wieder rechnet die Mehrzahl der Marktteilnehmer tendenziell mit sinkenden Rohölpreisen. Wie vor einem Jahr ergibt sich damit die Chance für jene, die gegen den (Öl)-Strom schwimmen wollen.
Die Ankündigung der chinesischen Regierung, das Wachstum im Jahr 2005 auf „nur“ 8 % drosseln zu wollen, mag für die Weltkonjunktur eine gute Nachricht sein. Für den Ölpreis ist es eine Drohung. So wie sich vor 12 bis 18 Monaten die Mehrheit der Analysten 50 US-$ pro Barrel als Preis nicht vorstellen konnte, gilt dies heute für 70 oder gar 80 US-$. Dabei deutet vieles darauf hin, daß sich die Geschichte wiederholt.
Vor allem bei Unternehmen, die im Upstream-Bereich stark involviert sind, winken weiterhin wachsende Gewinne. Die beiden großen norwegischen Unternehmen auf dem Kurszettel, aber auch Player aus Lateinamerika sind zu beachten. Eine einschlägige Investition hätte vor allem auch für Autofahrer beruhigende Wirkung: Wenn die Zahlen an den Preisschildern der Tankstellen wieder neue Rekordstände erreichen, würde immerhin das Wertpapierdepot davon profitieren.
Stefan Preuß
Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.