Das hört sich gut an, und es setzt die Teilnehmer des Jobgipfels noch mehr unter Druck als ohnehin. Doch der Weg zu einer Einigung ist steinig, und man sollte nicht wirklich Hoffnungen hegen. Selbst wenn es zu wie weit auch immer reichenden Einigungen kommen sollte: Weitere Reformen sind in Deutschland kaum noch zu vermitteln, weil sich jene, die sich als Antreiber der Reformen verstehen, durch unsägliche Einlassungen selber ausbremsen.
Den wirtschaftsliberalen Ausführungen Köhlers ist zu entnehmen, daß er den unlängst vorgelegten Armutsbericht nicht zur Kenntnis genommen hat. Und wenn Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt in der ihm eigenen Fahrlässigkeit mal eben die weitere Absenkung des Rentenniveaus fordert, zeigt das auch nur dessen Entrücktheit von weiten Teilen der Realität. Es gibt Dutzende weiterer Beispiele. So jedenfalls lassen sich Menschen nicht für Neues begeistern.
Es klafft eine mittlerweile riesige Glaubwürdigkeitslücke in diesem Land: Den Menschen wurde versprochen, die einschneidenden Maßnahmen würden in eine bessere Zukunft führen. Die Realität sieht so aus, daß die Dax-Unternehmen Rekordgewinne vermelden und goldgeränderte Bilanzen vorlegen, während die Arbeitslosigkeit weiter angestiegen und die soziale Absicherung ausgedünnt worden sind. So etwas schafft Widerstände. Und Wahlergebnisse, die wirklich niemand gebrauchen kann.
Man muß nur einmal in die Verhandlungen der Arbeits- und der Sozialgerichte gehen oder in den Agenturen für Arbeit mit den Menschen sprechen, um die riesigen Verwerfungen innerhalb der Gesellschaft zu ermessen. Weitere Reformen sind notwendig, ohne Zweifel, aber sie haben keine Chance auf Verwirklichung, wenn die Körperschafts- und die Gewerbesteuer weiterhin nur Peanutsbeträge bringen und der Staat sich zunehmend aus Lohn- und Einkommenssteuer sowie der Mineralölsteuer finanziert.
Über Inhalte mag noch viel diskutiert werden, mit der Form der Vermittlung schaden die Reformer ihrem Ansinnen aber täglich. Der legendäre Erziehungswissenschaftler Neil Postman bemerkte einst, daß Erziehung und die Vermittlung von Ansichten dann am besten funktionierten, wenn vor allem die Art und Weise der Vermittlung akzeptiert würde. Jeden Tag eine andere Zumutung öffentlichkeitswirksam durch die Medien zu jagen, ist in diesem Sinne klassisch kontraproduktiv.
Stefan Preuß
Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.