In Deutschland war es jahrelang schick, aus der Kirche auszutreten – schon wegen der Steuerersparnis. Auch in vielen anderen Ländern liefen den Religionsgemeinschaften die Gläubigen in Scharen weg. Jetzt ist es vor allem die Jugend, die Halt und Zuversicht im Glauben sucht und für volle Kirchen sorgt. Für den „Spiegel“ ist das Thema einen Titel wert, schon ist von der „Generation JP2“ die Rede.
Es ist nur auf den ersten Blick verwirrend, daß sich ein Papst wie Johannes Paul II. besonders bei Jüngeren verfängt. Wie stark muß die Sehnsucht nach sozialer Gerechtigkeit und einem Mindestmaß an Geborgenheit sein, sowohl in der nationalen Gesellschaft als auch global, wenn darüber Diskussionen über die gestrigen Ansichten des Polen zur Sexuallehre, Stellung der Frau, Ökumene und so fort hintangestellt werden? Hier ist eine Bewegung in Gang gekommen, die eine Verschiebung der Inhalte gesellschaftlicher Diskussionen bereits ausgelöst hat. So gesehen wirkt Johannes Paul II. weit über sein irdisches Leben hinaus, und diese Wirkung wird sich noch verstärken.
Der französische Theologe Frédéric Rognon (Straßburg) befindet, daß die „Vergötzung des Marktes“ in letzter Konsequenz dazu führe, daß der Mensch seine Würde verliert. Wo von Humankapital gesprochen wird, verliere der Einzelne die Einzigartigkeit. Menschen wollen in Würde leben, und nach den sozialen Einschnitten in den vergangenen Jahren nicht nur in Deutschland scheint jetzt das Rad der Zumutungen am Anschlag zu stehen.
Schon wittern die Gewerkschaften ihre Chance. Die Kampagne etwa gegen die Discountkette Lidl ist in diesem Zusammenhang kein Zufall. Weitere werden folgen, mit dem Handelsriesen Wal-Mart ist auch schon ein börsennotiertes Unternehmen im Visier. Dabei geht es nicht im Geringsten darum, daß Unternehmen Gewinn machen müssen, wohl aber um das Wie. Gut möglich, daß auch die Arbeitsbedingungen in den von hiesigen Unternehmern gelobten Ländern stärker in die Diskussion kommen. Die Mädchen von Shenzen zahlen für viele goldgeränderte Bilanzen einen hohen gesundheitlichen Preis.
Diese Diskussionen werden für Unternehmen nicht ohne Auswirkungen bleiben. Besonders rüde Vorgehensweisen können Aktionen und Kampagnen auslösen, die ihre Spuren im Geschäftsverlauf hinterlassen werden. Gleichzeitig bieten sich für smarte Chefs Chancen, ihr Unternehmen nach vorn zu bringen. Die Bewertung der Managementqualität gehört für Anleger sei jeher zu den wichtigen Parametern bei einer Investitionsentscheidung, für die Zukunft sollte verstärkt auf die „soft skills“ des Managementteams geachtet werden.
Stefan Preuß
Die GoingPublic Kolumne erscheint wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.