Vorreiter sind diesbezüglich natürlich die USA. Dort wurden nicht nur die größten Exzesse produziert, auch das Groß-Reine-Machen findet nun am deutlichsten statt. Lange hat die SEC mit den größten Investmentbanken der Wall Street verhandelt, wie denn nun der immense Schaden unaufrichtiger Analysen wieder gut zu machen sei bzw. wie man die problematischen Strukturen aufbrechen könne. Und weil man das in den USA eben so macht, wurden Investmentbanken wie Crédit Suisse First Boston, USB Warburg, Goldman Sachs und Citigroup dazu verpflichtet, insgesamt 1,4 Mrd. US-$ in einen Fonds einzuzahlen. Soviel zur Wiedergutmachung des Schadens. Verglichen mit den Börsenverlusten an der Wall Street, die sich seit März 2000 auf rund 7 Bio. US-$ belaufen, eine vergleichsweise geringe Summe. In Prozessen um geschädigte Raucher wurden per Saldo schon weit höhere Summen bezahlt – obwohl einzelne Börsenverluste fast ebenso existenzbedrohend ausgefallen sein dürften. Aber dies nur nebenbei.
Für die Investmentbanken ist die Schuld damit abgegolten, und einige dürften sich das Grinsen nicht verkneifen können. Nun sollte aber nicht nur der Schaden wieder gutgemacht, sondern auch das System geändert werden. Und in den Augen der Verantwortlichen ist auch das geschehen. Aus dem Fonds sollen in den nächsten Jahren die nun unabhängigen Analysten bezahlt werden. Investmentbanker und Wertpapieranalysten dürfen sich nur noch unter staatlicher Aufsicht treffen, und Banken müssen neben eigenem Research auch immer noch Instituts-unabhängige Studien zum jeweiligen Unternehmen bereithalten. Und jetzt, alles wieder im Lot?
Weit gefehlt. Investmentbanken werden ihr Research zwar drastisch einschränken, aber nicht ganz einstellen und kommen daher als kontinuierlicher Nachfrager unabhängiger Studien kaum in Frage. Genauso wenig wie Asset Manager, die zweite große Gruppe auf der Nachfrageseite, denn die haben ihre Buyside-Analysten. Privatanleger werden Studien, die gut und gerne 10.000 Euro kosten, ebensowenig nachfragen. Damit wäre der einzige übrige Interessent die Gruppe der Unternehmen, die Research als Kapitalmarkt-PR betrachten. Wie aber kann mit dieser Marktstruktur eine unabhängige Berichterstattung der Wertpapieranalysten erreicht werden?
Weil das Modell der Vergangenheit, das Modell der vielen Anbieter und Nachfrager gescheitert ist, stehen jetzt nur noch zwei Extreme zur Auswahl. Monopson oder Monopol. Im Monopson-Modell würde ein Nachfrager von Analysen vielen Anbietern gegenüber stehen. Die kleine Gruppe der Unternehmen könnte auf viele Research-Häuser zurückgreifen. Das Problem: Die Marktmacht liegt beim Nachfrager. Sind die Analysen nicht genehm, kann man problemlos zur Konkurrenz wechseln. Einen Anreiz zu (oft unangenehmer) Objektivität hat da kein Anbieter.
Bleibt also nur der Monopol-Fall. Ein Research-Anbieter und viele Nachfrager. Angenommen, es gäbe weltweit nur eine einstellige Anzahl von anerkannten Research-Anbietern, könnte das Objektivitätsproblem unter Kontrolle gebracht werden, denn die Marktmacht läge dann bei den Anbietern. Wer eine Analyse zu seinem Unternehmen braucht, muß sie beim einzigen existenten Anbieter in Auftrag geben, und der kann es sich erlauben, unabhängig zu sein, denn eine Alternative zu ihm gibt es nicht.
So in etwa ist auch der Markt der Rating-Agenturen strukturiert. Auch wenn dieser eher einem Oligopolmarkt gleicht, liegt hier die Marktmacht bei den Rating-Anbietern, und diese können es sich erlauben bzw. haben einen eigenen starken Anreiz dazu, Objektivität walten zu lassen. Für den Research-Markt ist die einzig praktikable Struktur mit Zukunft daher klar. Nötig sind nicht viele, sondern am besten nur äußerst wenige Analyse-Häuser. Ob und wann sich diese propagierte Struktur jedoch bildet, ist vom heutigen Standpunkt betrachtet absolut ungewiß. Ein weiter Weg ist es aber sicher – und möglicherweise auch der einzige, mit dem die problematischen Anreizstrukturen der Vergangenheit aufgebrochen werden könnten.
Die GoingPublic Kolumne erscheint zweimal wöchentlich in Zusammenarbeit mit dpa-AFX.