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M&A-Versicherungspolicen bieten Versicherungsschutz für die Haftungsrisiken aus Unternehmenstransaktionen, entweder über die Warranty-&-Indemnity-(W&I-)Versicherung zur Absicherung der vom Verkäufer im Kaufvertrag gegebenen Garantien oder eine Tax-Liability-Versicherung zur Absicherung von bereits identifizierten Steuerrisiken oder eine Kombination aus beidem. Im Jahr 2021 hat sich das einstige Nischenprodukt endgültig zum festen Bestandteil des M&A-Toolkits entwickelt.

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Das vergangene Jahr war aber nicht nur geprägt von einer besonders ­hohen Nachfrage nach W&I-Versicherungen. Vielmehr setzte sich der durch den starken Verkäufermarkt getriebene Trend der letzten Jahre fort, dass mehr und mehr synthetische Deckungsbausteine Einzug in die W&I-Policen finden, wie etwa

  • von den Verjährungsfristen unter dem Kaufvertrag völlig losgelöste Laufzeiten der Policen,
  • komplett eigenständige Definitionen, z.B. beim Schadensbegriff oder den Definitionen von „Fairly Disclosed“ oder „Sellers‘ Knowledge“, die nicht mehr wie vorher den Wortlaut des Kaufvertrags spiegeln müssen, bis hin zu
  • vollständig (nur in der Versicherungspolice und nicht mehr im Kaufvertrag enthaltenen) synthetischen Garantiekatalogen.

Der starke Verkäufermarkt verführt viele Verkäufer dazu, in ihren Vertragsentwürfen teilweise vollständig auf Garantien zu ­verzichten und Kaufinteressenten ausschließlich an den Versicherer zu verweisen. Gerade in Auktionsprozessen bringen Kaufinteressenten selten den Mut auf, eine Risikoabdeckung durch (zuvor marktübliche) Verkäufergarantien zu verlangen. Dies führt nicht selten dazu, dass Käufer sich entweder mit nicht ausreichendem (Versicherungs-)Schutz abfinden müssen oder aber gegen Ende des Verkaufsprozesses mit dem Verkäufer eben doch in langwierige und schwierige Verhandlungen über eine adäquate Risikoverteilung und damit letztendlich über eine (wenn auch beschränkte) Haftung des Verkäufers für Garantieverletzungen eintreten müssen, da bei ihrer meist kurzfristigen Anfrage vom Versicherungsmarkt regelmäßig keine synthetische Deckung erlangt werden konnte.

Abb.1: Vertragsbeziehungen bei W&I-Policen, Quelle: Deloitte Broker GmbH

Synthetische Deckung – eine Definition

Bei der Versicherung mit synthetischer ­Versicherungsdeckung bestehen wie bei der klassischen W&I-Versicherung zwei ­Verträge mit unterschiedlichen Vertragsparteien: zum einen der zwischen Käufer und Verkäufer verhandelte Unternehmenskaufvertrag mit einem weitgehenden Haftungsausschluss und üblicherweise ohne Garantiekatalog, zum anderen der zwischen Käufer (als Versicherungsnehmer) und ­Versicherer verhandelte Versicherungs­vertrag mit synthetischer Versicherungs­deckung, in welchem sich der Versicherer dazu verpflichtet, die finanziellen Risiken des Käufers daraus zu übernehmen, dass sich bestimmte im Versicherungsvertrag zwischen Käufer und Versicherer vereinbarte synthetische Garantien als falsch erweisen bzw. sich bestimmte Risiken realisieren, von denen freigestellt werden soll.

Anders als bei herkömmlichen W&I-­Versicherungen findet sich daher bei synthetischen Policen weder ein Bezug auf ­einen im Kaufvertrag enthaltenen und ­zwischen Käufer und Verkäufer vereinbarten Garantiekatalog noch auf andere für die Haftungsbestimmung erforderliche Defini­tionen unter dem Kaufvertrag. All dies findet sich ausschließlich im zwischen Käufer und Versicherer geschlossenen Versicherungsvertrag. Daher darf man unter einer ­synthetischen Versicherungsdeckung kein starres Produkt des W&I-Versicherers verstehen, sondern das Ergebnis der Verhandlungen des Versicherers mit dem Käufer über die im Rahmen der Versicherungs­police abgesicherten Garantien.

Mit dem Verzicht auf vom Verkäufer ­gegebene Garantien verzichten Versicherer auf ihr letztes Sicherheitsnetz, nämlich die Möglichkeit, den Verkäufer im Falle von ­Betrug, Arglist oder „ins Blaue hinein“ abgegebenen Garantien in Regress nehmen zu können. Zudem entsteht bei Versicherern naturgemäß eine Skepsis, wenn ein Verkäufer nicht gewillt ist, Garantien für die Richtigkeit seiner Aussagen im Kaufvertrag zu übernehmen, obwohl er sein Haftungsrisiko durch eine herkömmliche W&I-Versicherung quasi auf null reduzieren könnte. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Versicherer beim Thema synthetische Versicherungspolicen (bislang) eher zurück­haltend auftraten und diese meist nur in ­Fällen anbieten, welche für sie als „kalkulierbar“ erscheinen.

Beispiele für synthetische Policen

Einige Versicherer haben für Immobilientransaktionen eine eigene synthetische Police auf den Markt gebracht, welche einen Standardgarantiekatalog (inkl. Prüfungsanweisungen an die Due-Diligence-Teams des Käufers) enthält. Diese Entwicklung ist nur konsequent, da Immobilientransaktionen für viele Versicherer als Transaktionen mit vergleichsweise leicht einzuschätzenden ­Risiken gelten, insbesondere weil hier bereits viele Schritte standardisiert sind bzw. auch ohne Mithilfe des Verkäufers sehr gründlich geprüft werden können, was dem Versicherer den notwendigen Komfort bietet.

Unabhängig vom Industriezweig der Transaktion lassen sich Versicherer aber auch durch eine gute Argumentation des Maklers auf das Abenteuer „synthetische Versicherungspolice“ ein, wenn dieser klar darlegen kann, warum der Verkäufer in ­dieser Transaktion gerade keine Garantien abgeben kann oder die Vereinbarung eines Garantiekatalogs zwischen Käufer und Versicherer in der spezifischen Situation der bessere Weg ist. Ein klassisches Beispiel ist der Verkauf durch den Insolvenzverwalter, der regelmäßig nicht in der Lage sein wird, werthaltige Garantien abzugeben (jedenfalls beim typischen Fall des Asset Deals), und auch mit Blick auf persönliche Haftungsrisiken ein gesteigertes Interesse ­daran hat, auf die Abgabe von Garantien vollständig zu verzichten. Dazu kommen mangelndes Wissen über die Zielgesellschaft und ein oft schlechter Zugang zu ­Informationen. Aber auch andere Konstellationen sind denkbar, in denen der Verkäufer eben keine Garantien abgeben kann oder bei denen eine andere Herangehensweise als sinnvollere Variante erscheint. Wie erwähnt, zeichnet sich sogar der Trend ab, dass am Markt auch in „klassischen“ M&A-Transak­tionen versucht wird, über eine W&I-­Versicherung eine synthetische Deckung zu erreichen. Dies erfordert aber in jedem Fall eine gute und rechtzeitige Vorbereitung ­sowie Durchführung der Transaktion.

Zum einen kommt es auf die Marktkenntnis des Maklers an, der bei jeder Trans­aktion individuell prüfen muss, welche Versicherer für die angestrebte synthetische Versicherung infrage kommen bzw. sich überzeugen lassen, diese anzubieten – denn nicht jeder W&I-Versicherer ist gleich erfahren und gleich willens, diesen Weg zu gehen. Zum anderen ist es bei diesen Fällen besonders wichtig, dass es dem Makler gelingt, den Versicherer von der Redlichkeit des Verkäufers zu überzeugen und die Hintergründe für dessen Weigerung zur Abgabe von Garantien überzeugend darzulegen. ­Zudem verlangen solche Fälle eine besonders ausführliche und gründliche mit dem Versicherer abgestimmte Due Diligence durch die Berater des Käufers, basierend auf ­einem ausführlichen Offenlegungsprozess. Diese muss vonseiten der Kaufinteressenten gut vorbereitet, aber auch vonseiten des Verkäufers durch die Bereitstellung entsprechender Informationen ermöglicht werden.

Zuweilen mag es Fälle geben, in denen der W&I-Versicherer mit den zur Verfügung ­stehenden Informationen nicht zufrieden ist oder auch Zweifel an der Erklärung hat, ­warum der Verkäufer sich gehindert sieht, Garantieerklärungen in den Transaktionsdokumenten abzugeben.

„Management Warranty Deed“ als Lösung?

In diesen Fällen kann die Abgabe einer sogenannten Management Warranty Deed (auch Management Warranty Declaration) notwendig werden, um die synthetische Garantie­lösung möglich zu machen. Hierbei handelt es sich schlicht um einen zwischen der ­Geschäftsleitung der Zielgesellschaft und dem Käufer verhandelten Garantiekatalog, auf den der W&I-Versicherer letztlich den Versicherungsschutz gewährt. Die Erfahrung zeigt, dass es teilweise erheblicher Anstrengungen bedarf (wenn überhaupt möglich), die Geschäftsleitung dazu zu bringen, einen solchen Garantiekatalog zu formulieren bzw. an der Formulierung mitzuwirken. Hauptgrund hierfür dürfte die Sorge um eine persönliche Haftung sein. Möchte man das Management von der Abgabe einer ­solchen Erklärung überzeugen, kann es ­notwendig sein, eine entsprechende Freistellungserklärung abzugeben oder aber die Geschäftsleitung anderweitig zu incentivieren. Insbesondere weil die Kaufinteressenten in vielen Fällen wollen, ja bisweilen darauf ­angewiesen sind, dass das Management auch nach dem Erwerb an Bord bleibt, sind die Möglichkeiten hier begrenzt.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es nicht unmöglich scheint, auch für „typische“ M&A-Transaktionen einen synthetischen Garantiekatalog mit einem W&I-Versicherer zu schließen. Es erfordert aber eine gute und rechtzeitige Vorbereitung, tiefe Marktkenntnis und einen eingespielten Apparat an Beratern, die die Anforderungen der W&I-Versicherer genau kennen, verstehen und diese auch im Rahmen des Trans­aktionsprozesses – sei es in der Due Diligence, sei es in der Erstellung und der ­Verhandlung der Transaktionsdokumente – umsetzen können. Wie groß die Bereitschaft von Anbietern von W&I-Versicherungs­lösungen ist, synthetische Garantiekataloge zu versichern, bleibt eine Kernfrage. Nachdem sich viele zum Jahresende 2021 die ­„Rosinen“ unter den angebotenen Trans­aktionen „herauspicken“ konnten und ­Anfragen nach synthetischer Deckung oft unter den Tisch fielen, sollte in der Zukunft wieder mehr Bereitschaft bestehen, sich mit ihnen zu befassen.

https://www2.deloitte.com/de

Autor/Autorin

Nikola Pamler

Nikola Pamler leitet die neu bei Deloitte etablierte Broker Practice. Sie hat ihr Handwerkszeug als M&A Insurance Broker im Londoner sowie Münchner Team von Marsh McLennan zu einer Zeit erworben, als die M&A-Versicherung noch in den Kinderschuhen steckte. Pamler ist deutsche Rechtsanwältin und hat ihre Berufslaufbahn bei der Kanzlei Norton Rose Fulbright in München begonnen.

Marc Oliver Stock

Marc Oliver Stock ist Counsel bei Deloitte Legal Deutschland und berät zu Fragen des Gesellschafts- und Umwandlungsrechts mit Schwerpunkt auf M&A- und Private-Equity-Transaktionen.

Thomas Gruhn

Thomas Gruhn ist als Director bei Deloitte Deutschland verantwortlich für das Bera­tungs­feld SPA/Dispute Advisory Services und unter anderem Experte für die wirtschaftliche Optimierung von Unternehmens­kauf­verträgen.