Zur Mitte des Jahres treten Reformen des Prospektrechts und des Entry Standards in Kraft. Diese führen dazu, dass in vielen Konstellationen, bei denen dies bislang nicht notwendig war, künftig ein Prospekt zu erstellen ist. Gleichzeitig werden aber auch die Anforderungen an Prospekte für kleinere Emittenten und Kapitalerhöhungen reduziert.

Zum 1. Juli ändert sich zunächst das Prospektrecht durch eine Änderung des Wertpapierprospektgesetzes einerseits sowie Änderungen der EU-Prospektverordnung andererseits. Diese Änderungen werden voraussichtlich erhebliche Bedeutung für die Praxis erlangen.

Wesentliche Neuigkeit ist zunächst, dass künftig bei Bezugsrechtemissionen (Kapitalerhöhungen, Wandelschuldverschreibungen etc.) grundsätzlich stets ein Wertpapierprospekt erforderlich sein wird, wenn die Gesellschaft mehr als 150 Aktionäre in einem EU-Land hat. Die BaFin vertrat bislang für Deutschland die Praxis, dass Bezugsrechtkapitalerhöhungen, solange die Aktien nicht gleichzeitig an Dritte öffentlich angeboten werden, kein öffentliches Angebot darstellen. Parallel gab es für die Unternehmen, deren Aktien im regulierten Markt zugelassen sind, aufgrund einer weiten Auslegung des WpPG durch die Deutsche Börse auch die Möglichkeit, die Zulassung der Aktien aus der Bezugsrechtskapitalerhöhung ohne einen Prospekt zu erreichen, wenn diese durch die Emittentin nur an Aktionäre unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes platziert wurden. Beide Ausnahmen werden nach Auskünften von BaFin und Börse wegen der Änderungen des europäischen Rechts ab 1. Juli dieses Jahres aufgegeben.

Bezugsrechtkapitalerhöhungen: nicht mehr ohne!

Damit wird grundsätzlich jede Bezugsrechtkapitalerhöhung prospektpflichtig. Allerdings gibt es für Unternehmen im regulierten Markt eine Ausnahme für den Fall, dass innerhalb von 12 Monaten das Emissionsvolumen nicht mehr als 5 Mio. EUR beträgt. Ein solches Privileg für kleine Emissionen gibt es für Unternehmen im Freiverkehr (insbesondere Entry Standard) nicht. Dies mutet paradox an, weil dort tendenziell die kleineren Emittenten zu finden sind. Begründet wird dies vom Gesetzgeber damit, dass der im Freiverkehr gegenüber dem regulierten Markt reduzierten gesetzlichen laufenden Transparenzpflichten unterliegt und damit die Aktionäre eine bessere Informationsbasis haben.

 

Tab. 1: Unterscheidung Small Caps und KMU
Small Caps KMU
Nur im regulierten Markt Zwei der drei folgenden
Kriterien:
Durchschnittliche Market Cap Mitarbeiter < 250
< 100 Mio. EUR Bilanzsumme < 43 Mio. EUR
Umsatz < 50 Mio. EUR
Quelle: eigene Darstellung

 

„Prospekt light“

Glücklicherweise enthält die Reform des Prospektrechts aber auch einige Lichtblicke, sprich Erleichterungen: Speziell für Bezugsrechtemissionen und auch generell für Emissionen kleinerer Emittenten werden die Prospektanforderungen reduziert. Ganz wesentlich werden die Anforderungen an den „Zahlenteil“ des Prospekts modifiziert: Bei Bezugsrechtemissionen ist statt der Abschlüsse für die letzten drei Geschäftsjahre nur noch der Abschluss für das letzte Geschäftsjahr beizufügen. Die Erläuterung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage kann vollständig unterbleiben. Das wirkt sich auch auf den Comfort Letter des Abschlussprüfers maßgeblich aus, wenn ein solcher von den begleitenden Banken verlangt wird. Damit entfallen erhebliche arbeitsintensive Teile des Prospekts, mit entsprechender Relevanz für Kosten und Zeitaufwand bei der Prospekterstellung.

Die Erleichterungen für Bezugsrechtemissionen gelten in jedem Fall für den regulierten Markt. Daneben greifen sie u.E. aber auch im Entry Standard und vergleichbaren Qualitätssegmenten.

Das neue Recht sieht Erleichterungen für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und solche mit geringer Marktkapitalisierung (Small Caps) vor, die bei Börsengängen greifen. Für diese Emittenten sind nur Abschlüsse der letzten beiden Geschäftsjahre in den Prospekt aufzunehmen. Anders als bei den Prospekten für „große Unternehmen“ müssen nicht neun Monate nach Geschäftsjahresende zwingend Zwischenabschlüsse aufgenommen werden. Des Weiteren ist auch hier die Erläuterung und Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage entbehrlich, wenn die Abschlüsse einschließlich der Lageberichte im Prospekt abgedruckt werden.

Entry Standard: kein Zutritt mehr ohne Prospekt

Ab dem 1. Juli stellt die Frankfurter Wertpapierbörse neue Anforderungen an Emittenten, die in den Entry Standard aufgenommen werden möchten. Hierzu zählt u.a., dass die Unternehmen mindestens zwei Jahre als Gesellschaft bestanden haben, über ein Grundkapital in Höhe von mindestens 750.000 EUR verfügen, einen Nennwert von 1 EUR je Aktie sowie einen Mindeststreubesitz von 10% aufweisen. Schließlich muss ein Wertpapierprospekt erstellt werden, wobei dieses Erfordernis nicht für bereits zum 1. Juli im Entry Standard notierte Unternehmen gilt. Auch für einen solchen „Entry-Standard-Prospekt“ können die Erleichterungen für KMU in Anspruch genommen werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt werden. Schon bislang haben fast alle Emittenten für ein Listing im Entry Standard einen Prospekt vorgelegt. Daher sinkt der Aufwand für Entry-Standard-Börsengänge künftig.

Von Dr. Thorsten Kuthe und Madeleine Zipperle, Rechtsanwälte, Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln

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