Genaue Bestimmung von Zeitpunkt und Aktivierungsintensität bestimmter neuronaler Schaltkreise. In diesem Beispiel wird die Qualität der Inhibition von Impulsen abgebildet. Bild: HBImed AG

 

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Dr. Andreas Müller, Verwaltungsrat, HBImed AG, und CEO, Gehirn- und Traumastiftung Graubünden

 

Fachkreise weisen schon länger auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung von mentalen Störungen hin. Wirklich wahrgenommen wird das gesellschaftliche Mega-Problem aber erst in den letzten Jahren, da einerseits das Thema nicht mehr tabuisiert wird und andererseits eine funktionierende Psyche mehr als je zuvor Voraussetzung für ein (Über-)Leben in unserer Gesellschaft geworden ist. Psychische Erkrankungen sind lange schon kein Problem einer kleinen Minderheit mehr. Um bessere Behandlung bei geringeren Kosten zu ermöglichen, sind neue Ansätze zur Diagnose, personalisierten Therapie und Nachkontrolle gefragt.

Die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Störungsbildern und Funktionen im Gehirn hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, neue Analyseverfahren von Hirnfunktionen stehen vor der generellen Einführung und klinischen Anwendung im Praxisalltag.

Mentale Störungen verursachen in Europa jährlich Kosten in Höhe von knapp 800 Mrd. EUR (Gustavsson et al.: Cost of disorders of the brain in Europe 2010) – mehr als Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes und Krebs zusammen. 10% der 18- bis 65-Jährigen leiden an mentalen Erkrankungen, durch die sie kein normales Leben führen, geschweige denn arbeiten können. Weitere knapp 20% erkranken mindestens einmal im Jahr an der Psyche so, dass eine Behandlung erforderlich wäre.

Quellen: Literaturrecherche HBImed AG; u.a.: Gustavsson et al.: Cost of disorders of the brain in Europe 2010; Grünbuch der EU 2005

Störungsbilder wie ADHS, Burnout oder Depressionen sind zu Volkskrankheiten geworden, selbst leichtere Befindlichkeitsstörungen wollen oft nicht mehr hingenommen werden, da sie die Lebensqualität beeinträchtigen und die Karriere gefährden. Die unvermeidliche Kostenexplosion im Gesundheitswesen fordert effiziente Behandlungsmethoden sowie präzisere Verfahren zur Diagnose und Erfolgskontrolle, welche gleichzeitig erschwinglich sind und so eine breite Markteinführung erlauben.

Gehirnwellen als Biomarker?

Während moderne bildgebende Verfahren wie beispielsweise fMRI (funktionelle Magnetresonanztomographie) die Erforschung der Zusammenhänge zwischen den neurobiologischen Prozessen im Gehirn und Kognitionen, Verhalten und Emotionen ermöglichen, werden für die breite Anwendung in der Praxis weitaus einfachere und günstigere Verfahren benötigt. Dank moderner Signalverarbeitung und computergestützter Analyseverfahren können Informationsverarbeitungsprozesse im Gehirn mittlerweile mit großer Präzision aus der Aufzeichnung von Gehirnwellen – dem Elektroenzephalogramm (EEG) – abgeleitet werden. Dafür notwendige Systeme kommen preislich in den Bereich von bspw. Blutanalysegeräten und werden so für jede Praxis erschwinglich.

Die Herausforderung ist freilich, in den Gehirnwellen Muster zu identifizieren, die für bestimmte Erkrankungen typisch sind. Ist die statistische Signifikanz solcher Muster ausreichend, können diese als Biomarker definiert werden als Basis für eine objektive Diagnose und zielgerichtete Therapie.

Datenbankbasierte Analytik

Genaue Rückschlüsse aus der Beobachtung der Gehirnaktivität erfordern den Abgleich mit einer Normdatenbank. Hierbei ist wesentlich, dass neben den Selbstorganisationsprozessen des Gehirns, ermittelt durch Analyse des EEG im wachen Ruhezustand („Ruhe-EEG“), auch die Informationsverarbeitungsprozesse abgebildet werden. Diese werden aus der Beobachtung der Aktivierung verschiedener Hirnregionen („evozierte Potenziale“- ERP) während dem wiederholten Lösen von standardisierten Aufgaben („Tasks“) ermittelt.

Die Datenbank der HBImed AG enthält Selbstorganisations- und Informationsverarbeitungsprozesse von tausenden gesunder Personen zwischen sieben und 87 Jahren sowie verschiedenster Patientengruppen, meist sogar mit mehr als einem Task, und ist damit die größte und genaueste ihrer Art. Die dazu erstellten Analysewerkzeuge ermöglichen einerseits die Identifikation von Biomarkern und andererseits die gezielte Interpretation von EEG-Aufzeichnungen.

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