Bildnachweis: sanee – stock.adobe.com.

36 Mill. EUR Seed – DISCO Pharmaceuticals verschiebt die Grenze dessen, was Onkologie-Start-ups in Deutschland bislang typischerweise erreichen, deutlich nach oben. Wie das Unternehmen heute bekannt gab, fließen die Mittel in eine Technologie, die unbekannte Strukturen an der Tumoroberfläche sichtbar macht und damit neue therapeutische Möglichkeiten eröffnet. Zugleich übernimmt Dr. Mark Manfredi die Unternehmensführung, um die Programme in die nächste translational relevante Phase zu führen. Von Urs Moesenfechtel

Geleitet wurde die Erweiterung der Seedrunde von Ackermans & van Haaren und der NRW.Bank. Hinzu kamen Sofinnova Partners, AbbVie Ventures, M Ventures und Panakes Partners – ein Investorenkreis, der üblicherweise dort aktiv wird, wo Plattformen ein skalierbares klinisches Potenzial besitzen. Die Stärke von DISCOs Surfaceome-Ansatz besteht darin, Tumoroberflächenstrukturen nicht nur einzeln, sondern als Muster zu erfassen. Genau solche Muster können als therapeutisch relevante Signaturen über mehrere Indikationen hinweg genutzt werden und bilden damit die Grundlage für eine breitere Pipeline.

Verwendung der Mittel

Die neuen Mittel sollen in erster Linie zwei Wirkstoffprogramme voranbringen: Antibody-Drug-Conjugate-(ADC-)Kandidaten für das kleinzellige Lungenkarzinom (SCLC) und für das mikrosatellitenstabile kolorektale Karzinom (MSS-CRC). Beide Indikationen gelten seit Jahren als schwierig zu adressieren, unter anderem weil sich geeignete Oberflächenziele nur in geringem Maß identifizieren ließen. DISCO plant, zusätzlich weitere Programme aus der Surfaceome-Plattform abzuleiten und die Pipeline breiter aufzustellen.

Zielstrukturen sichtbar machen

DISCO nutzt ein chemisch selektives Verfahren, bei dem lediglich die sich auf der Oberfläche befindlichen Proteine markiert werden. Die so identifizierten Oberflächenproteine werden anschließend proteomisch charakterisiert. Entscheidend ist jedoch der zweite Schritt: Die Plattform analysiert nicht nur einzelne Moleküle, sondern Proteinkombinationen, die als charakteristische Signaturen bestimmter Tumorzelltypen auftreten. Genau solche Signaturen sind für bispezifische Antikörperformate oder ADCs von hohem Wert, weil sie eine deutlich präzisere Steuerung der Wirkstoffwirkung ermöglichen. Damit adressiert DISCO eine zentrale Lücke im bisherigen Target-Landscape: Während klassische Gen- oder Proteomanalysen vor allem theoretische oder interne zelluläre Informationen liefern, fokussiert DISCO auf die therapeutisch relevante Zellaußengrenze – und erweitert so den real nutzbaren Zielraum.

Unternehmensstandort und wissenschaftlicher Hintergrund

DISCO Pharmaceuticals wurde 2022 aus der Universität zu Köln und in Kooperation mit der ETH Zürich gegründet. Der Unternehmenssitz im Biotechnologiecluster des BioCampus Cologne bietet Zugang zu akademischen und translationalen Partnerstrukturen, die insbesondere für frühe onkologische Entwicklungsprogramme relevant sind. Der wissenschaftliche Ursprung des Unternehmens liegt in der Tumorgenetik und -biologie, wie sie von Gründer Roman Thomas über Jahre mitgeprägt wurde.

Mark Manfredi soll klinische Entwicklung vorbereiten

Mit der Ernennung von Mark Manfredi zum CEO gewinnt DISCO eine Führungspersönlichkeit, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten maßgeblich an der Translation neuartiger onkologischer Wirkansätze beteiligt war. Manfredi leitete zuletzt Ikena Oncology (jetzt ImageneBio), war Entrepreneur in Residence bei Atlas Venture und bekleidete bei Takeda Pharmaceuticals verantwortliche Rollen in der globalen Onkologieforschung und -entwicklung. Dort war er an Programmen beteiligt, die in Phase-3-Studien übergingen und regulatorische Zulassungen erhielten. Dass ein Unternehmen im Seedstadium eine solche Managementerfahrung gewinnt, deutet ebenfalls darauf hin, dass DISCO seine Programme gezielt in Richtung klinischer Anschlussfähigkeit entwickeln will.

Manfredi formuliert diesen Anspruch folgendermaßen: „Das starke Interesse sowohl neuer als auch bestehender Investoren zeigt das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der DISCO-Plattform, neuartige Zielstruktur-Paare auf der Oberfläche von Krebszellen zu identifizieren und so neue therapeutische Möglichkeiten zu eröffnen. Es unterstreicht zudem das Potenzial unserer sich entwickelnden Pipeline von Surfaceome-gerichteten ADCs und T-Zell-Engagern für schwer behandelbare Tumore. Mit dieser Finanzierung werden wir unsere Leitprogramme für kleinzelligen Lungenkrebs und Darmkrebs in Richtung IND-unterstützender Studien vorantreiben und unsere Forschungsaktivitäten ausweiten, um weitere Therapieoptionen zu erschließen.“

Gründer Roman Thomas bleibt dem Unternehmen künftig als strategischer Berater verbunden.

Die entscheidende Phase beginnt

Mit dem aktuellen Kapitalstock dürfte DISCO mehrere Programme durch die präklinische Validierung und in IND-relevante Entwicklungsphasen führen können. Der globale ADC-Markt, der derzeit laut Unternehmen auf mehr als 10 Mrd. USD geschätzt wird und mit jährlichen Wachstumsraten zwischen 12 und 15 Prozent expandiert, erhöht den Druck auf präzisere und besser differenzierte Zielstrukturen. DISCOs Ansatz adressiert genau diese Nachfrage. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die identifizierten Zielstrukturen jene Selektivität und Robustness aufweisen, die für die klinische Entwicklung erforderlich sind. Gelingt der Übergang in die Klinik, könnte DISCO eine Position im wachsenden Segment der next-generation ADC- und T-Zell-basierten Therapien einnehmen – ein Bereich, der zunehmend durch Innovationssprünge im Target-Space geprägt wird.

Autor/Autorin

Redaktionsleiter Plattform Life Sciences at  | Website

Urs Moesenfechtel, M.A., ist seit 2021 Redaktionsleiter der GoingPublic Media AG - Plattform Life Sciences und für die Themenfelder Biotechnologie und Bioökonomie zuständig. Zuvor war er u.a. als Wissenschaftsredakteur für mehrere Forschungseinrichtungen tätig.