Deutschland bleibt bei der Mitarbeiterbeteiligung noch immer hinter den einst von der Politik geschürten Erwartungen zurück. Hoffnung macht, dass moderne technische Hilfsmittel wie das Smartphone eine komfortablere Umsetzung ermöglichen und Unternehmen selbst neue Anreize schaffen.

Sechs Jahre ist es mittlerweile her, seit die seinerzeitige Bundesarbeitsministerin Dr. Ursula von der Leyen in einer Informationsbroschüre die außerordentliche Bedeutung der Mitarbeiterbeteiligung für den Wirtschaftsstandort Deutschland hervorhob. Sie wies darauf hin, dass die Bundesregierung die Rahmenbedingungen hierfür weiter verbessert habe, und forderte die Unternehmen auf: „Nutzen Sie Ihre Chance, auf dem Weg der Mitarbeiterkapitalbeteiligung besser als Ihre Wettbewerber zu werden.“ Was aber hat sich seitdem tatsächlich getan? Sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen wirklich gut genug, und was tun Unternehmen selbst dafür, mit Beteiligungsplänen ihre Marktposition zu stärken?

Rückschritt statt Fortschritt
Ein Blick auf die Zahlen im Bereich der Aktienprogramme ist eher ernüchternd. Obwohl sich die Aktie einmal mehr als Anlageform mit überdurchschnittlichen Renditechancen erwiesen und der DAX30 seit 2012 um rund 75 Prozent zugelegt hat, ist die Zahl der Belegschaftsaktionäre im gleichen Zeitraum sogar zurückgegangen. Aktuell weist die Statistik des Deutschen Aktieninstituts 1,2 Mio. Belegschaftsaktionäre für das Jahr 2017 aus, deren Anzahl bis Mitte 2018 um weitere 50.000 angestiegen sein dürfte. Blickt man weiter zurück, liegen die aktuellen Zahlen um circa 20 Prozent unter dem Stand von 1994. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich die Rahmenbedingungen seitdem eher verschlechtert haben. Daran ändert auch die erfreuliche Erhöhung des steuerlichen Freibetrags aus dem Jahr 2009 von 135 Euro auf 360 Euro nur wenig. Vergleicht man die Wirkung auf das Einkommen, so war die Förderung der Belegschaftsaktien mit Freibetrag, Sparzulage und vor allem dem steuerfreien Gewinn nach einer Halteperiode im Jahr 1994 attraktiver als heute.
Europäische Nachbarn sind schon viel weiter

Die Versuche der Arbeitgeber und teilweise auch der Gewerkschaften, die Legis lative zu einer stärkeren Förderung zu bewegen, waren bis jetzt erfolglos. Konsequenz: Andere EU-Staaten wie Österreich (bis zu 4.500 Euro), Spanien
(12.000 Euro), Frankreich (von 3.000 bis 6.000 Euro und Italien (2.065 Euro) haben deutlich höhere Freibeträge und sehen Belegschaftsaktien auch als eine wichtige Vorsorgekomponente. Das spiegelt sich in der Anzahl der Belegschaftsaktionäre wider. Frankreich etwa hat heute schon mehr als dreimal so viele Teilnehmer an Belegschaftsaktienprogrammen wie Deutschland. Dies ist umso unverständlicher, als die Bundesregierung die Bevölkerung nunmehr seit
Jahren auffordert, privat und in Eigeninitiative zusätzlich für das Alter vorzusorgen.

Unternehmen sorgen für frische Impulse
Die Steigerung der Belegschaftsaktionäre seit dem Tiefstand 2014 geht primär auf die Initiative der Unternehmen und die sehr attraktive Gestaltung ihrer Aktienprogramme zurück. Dabei lässt sich vereinfacht sagen, dass die Firmen
den Aktienerwerb der Mitarbeiter meist mit eigenen Mitteln im Bereich von 20 bis 100 Prozent fördern. Die Programme sind darüber hinaus sehr leicht verständlich gestaltet – unabhängig davon, ob es sich um Discount-, Share Matching- oder Gratisaktienpläne handelt.

Mobiler Planzugang als wichtiger Erfolgsfaktor
Vielen Unternehmen ist es besonders wichtig, dass die Planteilnahme für alle Arbeitnehmer schnell und effizient erfolgen kann. Dies war bei PC-Arbeitsplätzen schon länger gegeben, schwieriger war es für Arbeitnehmer ohne einen
festen PC-Arbeitsplatz. Heute bieten die meisten Unternehmen in Deutschland den teilnahmeberechtigten Arbeitnehmern weltweit die Planteilnahme und Aktienverwaltung per Smartphone an.
Im Idealfall identifiziert sich der Arbeitnehmer per Fingerabdruck-Scan in seiner App zur Aktienplanverwaltung. Er kann aber nicht nur Aktien kaufen oder verkaufen, sondern auch mobil eine Eintrittskarte zur Hauptversammlung bestellen oder über das Smartphone Weisungen für seine Aktien erteilen.
Wenn Aktienprogramme so konzipiert sind, dass die Aktienkäufe aus dem Gehalt finanziert werden, kann das Depot auf Basis der Personaldaten eröffnet werden. Die zusätzliche Identitätsfeststellung durch die Bank ist dann nicht mehr erforderlich.

Vielen Unternehmen ist es besonders wichtig, dass die Planteilnahme für alle Arbeitnehmer schnell und effizient erfolgen kann.

Der Aufwand lohnt sich
Im Rahmen einer 2017 von der Hans-Böckler-Stiftung herausgegebenen Studie haben sich Unternehmen zu den Zielen geäußert, die sie mit ihren Belegschaftsaktienprogrammen verfolgen. Am häufigsten wurden die Attraktivität als Arbeitgeber, die Reduktion der Personalfluktuation, die Motivations- und Produktivitätssteigerung sowie die Erfolgsbeteiligung und Förderung des unternehmerischen Denkens genannt. Wenn Belegschaftsaktienprogramme es schaffen, Mitarbeiter länger an das Unternehmen zu binden, hilft dies dabei, die Kosten eines Belegschaftsaktienprogramms sehr schnell zu amortisieren. Es spricht zudem einiges dafür, dass Unternehmen den Mitarbeitern, die gleichzeitig Aktionäre sind, eine strategische Neuausrichtung leichter vermitteln können. Die Förderung des unternehmerischen Denkens hängt bei alldem sicher nicht an den Programmen alleine, sondern auch ganz wesentlich von der Kommunikation ab. Nehmen wir das Beispiel Siemens: Dort kommuniziert der Vorstand die Unternehmensherausforderungen und die Kapitalmarktperspektive auch intern sehr deutlich. Die Frage sei erlaubt, ob der Widerstand gegen Strategien des Managements ohne die ausgeprägte Kultur der Teilhabe nicht wesentlich größer wäre.


Neuer Trend zu flexiblen Vergütungsstrukturen

In Zeiten eines nahezu von Vollbeschäftigung geprägten Arbeitsmarkts stehen die Unternehmen heute in einem harten Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte (War for Talents). Stark nachgefragte Berufe wie beispielsweise Cyber Security-Spezialisten können sich ihre Arbeitgeber aussuchen. Anders als früher stehen DAX-Unternehmen dabei nicht mehr uneingeschränkt in der Beliebtheitsskala ganz oben. Wenn viele der offenen Stellen nicht mehr besetzt werden können, mag es dafür mehrere Gründe geben. Zunehmend wichtiger jedenfalls wird es, wie man die jungen Spezialisten am Unternehmenserfolg beteiligt und welche Arbeitsumgebung man ihnen bietet. Während aktienbasierte Vergütungselemente bisher in vielen DAX-Unternehmen nur dem Top-Management vorbehalten waren, finden sie jetzt eine größere Verbreitung und werden gerade auch gesuchten Spezialisten angeboten. Anders ausgedrückt: Starre Vergütungsstrukturen flexibilisieren sich, um andere Formen der Erfolgsbeteiligung zu ermöglichen.

FAZIT
Es ist vor allem der Initiative von Unternehmen zu verdanken, dass die Zahl der Belegschaftsaktionäre in jüngster Zeit wieder leicht gestiegen ist. Einige von ihnen bieten große finanzielle Anreize, um das Interesse an Aktienplänen zu wecken.

Gleichzeitig sorgen sie für immer komfortablere Möglichkeiten, an den Plänen teilzunehmen. Als erfreuliche Konsequenz daraus bewegen sich die Teilnahmequoten bei Unternehmen wie SAP, Siemens, Covestro oder Cewe im Bereich von über
50 Prozent bis hin zu über 90 Prozent. Der Gesetzgeber in Deutschland dagegen hat bisher die Chance vertan, auch durch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für Belegschaftsaktienprogramme die in Deutschland ohnehin geringe Aktiensparquote zu steigern.

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